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Golf-Zwerg contra Wüsten-Despot

Dass sich Libyens Diktator Gaddafi dauerhaft halten kann, gilt als unwahrscheinlich. Dafür sorgt neben der Militärmacht des Westens auch das kleine Golf-Emirat Katar. Der 1,7-Millionen-Einwohnerstaat ist zu einem zentralen Verbündeten der Gaddafi-Gegner geworden.

Von Carsten Kühntopp |
    Wenn es ernst wird, wegducken - das ist für die Arabische Liga seit jeher der erste Reflex. Nicht so im Falle Libyens. Vor allem die Golfstaaten machten Druck, und so unterstützte die Arabische Liga schließlich die Einrichtung einer Flugverbotszone im libyschen Luftraum. Christian Koch vom Golf-Forschungszentrum in Dubai:

    "Dort sind zwei Golfstaaten führend, und einer ganz besonders, und das ist Katar, die also die Aktionen für den ganzen Nahen Osten übernommen hat, eine Führungsrolle eingenommen hat und der ganzen Aktion, was die NATO betrifft in Libyen, eigentlich die Legitimität der arabischen Seite mitgegeben hat."

    Katar hat vier Kampfflugzeuge über Libyen im Einsatz. Klingt wenig, ist aber viel, erklärt David Roberts, ein Experte beim Institut RUSI in Doha:

    "Wichtig ist hier, dass das für Katar praktisch die Mehrheit ihrer derzeit einsatzfähigen Kampfflugzeuge darstellt. Insgesamt besteht ihre Luftwaffe aus 12 Maschinen, und kein Land hat jeweils 100 Prozent der gesamten Flotte voll einsatzfähig. Das bedeutet: Vier Maschinen in Libyen - das dürfte die Mehrheit der Flugzeuge sein, die in Katars Luftwaffe derzeit einsatzfähig sind. Das ist unglaublich! Das ist wahrlich kein Klacks, sondern wirklich substanziell, und alle hat es überrascht."

    Vermutlich machen die arabischen Piloten aber nicht bei Angriffen mit. Das Risiko, dass sie versehentlich arabische Zivilisten töten, soll vermieden werden. Wie kaum ein anderes Land hat Katar die libyschen Rebellen in die Arme geschlossen. Beobachter vermuten, dass Doha Waffen an die Rebellen liefert und Militärausbilder in Libyen hat. Außerdem vermarktet Katar das Erdöl der Rebellen, und der Fernsehkanal der Opposition darf von Doha aus senden und wird tatkräftig unterstützt, gewiss nicht nur mit Ausrüstung, sondern auch mit Geld. Aus Sicht von David Roberts geht es den Kataris vor allem um eines: um humanitäre Hilfe.

    "Von einigen Kataris habe ich den Satz gehört: 'Srebrenica ... wir sollten nicht abseits stehen und nichts tun, wenn wir stattdessen etwas tun könnten'. Dazu kommt die Haltung, die gerade Katar immer wieder vertreten hat, dass es Araber sein sollten, die arabische Probleme lösen. Beides kommt hier zusammen."

    Katar ist eine absolute Monarchie. So undemokratisch es regiert wird - sein Image stimmt, auch dank des Engagements in Libyen, meint Shadi Hamid vom Brookings Doha Center, einer Denkfabrik in Katar:

    "Katar ist eines der wenigen arabischen Länder, die auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen scheinen - die also mehr für die Förderung der Demokratie zu tun scheinen als die meisten Nachbarn. Und dieses Image will man auch unterstützen. Katar liegt mit der Meinung der normalen Menschen in Arabien auf einer Linie. Fällt Ihnen irgendein anderes arabisches Regime ein, das diese Position hat? Mir fällt da niemand ein."

    Katar, gerade mal halb so groß wie Hessen, ist von zwei regionalen Großmächten eingezwängt - zwischen den Saudis, mit denen man Kultur, Sprache und Geschichte teilt - und den Iranern, mit denen man das größte Erdgasfeld der Welt teilt. Daraus zog der Emir den Schluss: Katar muss sich größer machen, als es ist. Das vielleicht wichtigste Instrument dafür ist der Fernsehsender Al-Jazeera. Seine Gründung Mitte der Neunziger brachte der arabischen Welt erstmals einen freien und mutigen Journalismus. Shadi Hamid:

    "Al-Jazeera ist ein Teil von Katars sanfter, kultureller Macht in der Region. Der Sender kann auf verschiedene Weise eingesetzt werden, um Katar in der Region dienlich zu sein. Allerdings ist es eine Übertreibung und unfair, zu sagen, dass er ein Instrument der katarischen Außenpolitik ist. Das stimmt nicht."

    Katars Staatsbürger haben eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt, weil ihr Land mittlerweile zum weltgrößten Flüssiggasexporteur aufgestiegen ist. So viel Reichtum erlaubt außenpolitische Alleingänge.

    "Seit Jahren hat Katar eine kreative, unabhängige und eigenständige Außenpolitik. Dadurch kam Katar auf die Weltkarte. Der Golfkooperationsrat hat ja einen gewissen anti-iranischen Drall und sieht sich als Gegner der Achse, die Iran, Syrien, Hisbollah und Hamas bilden. Katar hingegen will da weder auf der einen, noch auf der anderen Seite stehen. Dies bringt dem Land viel. Im Kalten Krieg der Araber will Katar eine unabhängige, quasi blockfreie Position haben."

    Dank dieser Äquidistanz konnte Katar in den letzten Jahren in mehreren regionalen Konflikten vermitteln - mal erfolgreich, siehe Libanon, mal weniger erfolgreich, siehe Darfur. In Libyen hingegen setzt Doha nun alles auf eine Karte: auf die der Rebellen.


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