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Gourmets der besonderen Art

Biologie. – Gegen Mitte der Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts erreichte an Bord asiatischer Schiffe die Formosa-Termite Nordamerika. Sie frisst vor allem eines: Holz. Dabei verschont sie weder die Fundamente des historischen französischen Viertels von New Orleans, noch lebende Eichen. Teilweise nagt sie sogar unterirdische Telefonkabel und Dichtungen von Wasserleitungen an. Wissenschaftler aus Mainz und Darmstadt untersuchen die Fähigkeit von Termiten, an sich Unverdaubares doch zu verarbeiten, und diese Erkenntnisse nutzbringend verwerten.

Michael Fuhs |
    Im Keller des Instituts lagert etwa ein halbes Dutzend silberner Metallkannen, darin, sicher verpackt, das gefährliche Forschungsobjekt. Einige Hundert Termiten fressen sich durch morsches Holz. Zum Glück, sagt Dr. Jürgen Fröhlich, Mikrobiologe in Mainz, ist es den Termiten in Deutschland zu kalt. Unterhalb von zehn Grad erstarren sie. In wärmeren Gefilden, zum Beispiel in Australien, sind diese weißen Ameisen sehr große Schädlinge. Sie sind darauf spezialisiert, Pflanzen und Holz abzufressen und zu verdauen, und auch vor Häusern machen sie nicht halt. Zur Verdauung der harten Kost arbeiten im Darm der Termiten über 30 Enzyme zusammen. Hergestellt werden sie teilweise von Bakterien, die im Darm leben, teilweise aber auch von der Termite selber. Fröhlich:

    Gemeinsam ist dieses System so optimal abgestimmt, dass sie in ultrakurzer Zeit, also innerhalb 24 Stunden, einen kompletten Holzumsatz im Darm hat. Das gibt es eigentlich in keinem biologischen System, das so schnell oder so funktionstüchtig arbeitet wie in dieser Termite, oder allgemein in Termiten.

    Jürgen Fröhlich will diese destruktive Fähigkeit der Termite für den Menschen produktiv nutzbar machen und Bakterien aus dem Termitendarm isolieren. Dazu benutzt er neue Methoden zur Manipulation von einzelnen Bakterien. Wichtig ist nämlich, dass immer nur eine Bakterienart isoliert wird, damit die Forscher sie untersuchen und identifizieren können. Doch das ist nicht so einfach. Bisher konnte nur ein kleiner Bruchteil aller Bakterien außerhalb des Termitendarms kultiviert und vermehrt werden. Die anderen, die Mehrheit, kennen die Forscher oft nicht einmal. Fröhlich:

    Also wir vermuten, dass man mindestens dreißig Gattungen innerhalb vom Darm findet, das heißt alle Stoffe, die die einzelnen Bakterien, Hefen oder von der Termite selber ausgeschieden werden, dienen möglicherweise dann als Nährstoffe. Wir können solche Produkte nur schwer simulieren.

    Bei einigen Bakterienarten konnte der Termitenforscher die Überlebenszeit auf eine Woche erhöhen und er hofft auf weitere Fortschritte. Doch schneller nutzbar erscheint ein anderer Ansatz, den er mit seinem Kollegen Dr. Jürgen Eck von der Firma
    Brain-Biotech bei Darmstadt verfolgt.

    Ja, um jetzt also auch die nicht kultivierbaren Bakterien zu erschließen, nutzen wir molekularbiologische Methoden, das heißt wir versuchen, die genomische Erbinformation direkt zu isolieren und in so genannten Genbanken abzulegen und damit eben auch erstmalig verfügbar zu machen.

    Die Wissenschaftler extrahieren dazu alle Erbinformationen aus dem Termitendarm. Die Kunst ist es, in diesem Heuhaufen die Nadel zu finden, sprich: die Baupläne für nützliche Enzyme. Dazu pflanzen sie die Gen-Bruchstücke kleinen Labortieren ein, meist Escherichia coli Bakterien.

    Das heißt, man bringt diese Gene, die aus diesen nicht kultivierbaren Organismen der Termite eben kommen, in einem neuen Wirtsorganismus, nämlich diesem Escherichia coli eben zur Produktion, stellt dann diese Enzyme in kleinen Mengen in diesen Mikroorganismen, diesem neuen Wirt quasi her, und kann dann direkt auf Aktivität dieser Enzyme, sprich in diesem Falle nach Aktivität der Zellulasen, in geeigneten Testsystemen dann eben nachschauen.

    Zellulasen sind Enzyme, die aus der harten Zellulose Zucker machen. Zellulose gibt es fast überall, in Holz, in Stroh, in Papier und in Textilien. Sie wird nur sehr langsam abgebaut. Und damit das schneller geht wollen die Forscher in Zukunft die Enzyme aus dem Termitendarm benutzen. In großen Anlagen könnten sie zum Beispiel Stroh effizient zersetzen. Die Zellulose wird zu Zucker und der Zucker vergärt dann zu Biotreibstoff.

    Das heißt, wir profitieren hier von der Evolution und von der Optimierung der Bakterien innerhalb der Termiten und macht sich halt eben genau das zum Nutzen. Und wenn es drum geht nach neuen Enzymen zu suchen die Holz abbauen, dann ganz klar in der Termite.