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Grandioser Auftakt und ein gemeinsames Klangideal

Mit Werken von Strauss und Bruckner gab Christian Thielemann sein Debüt als Dirigent der Sächsischen Staatskapelle. Eine gemeinsame Vorliebe hatten Musiker und Dirigent bereits bei der Zusammenarbeit in Bayreuth feststellen können - "ein runder, homogener Klang".

Von Kirsten Liese | 02.09.2012
    Es ist lange her, dass die Stadt Dresden einmal derart im Fokus des Musiklebens stand. Zahlreiche Straßenplakate kündigten Christian Thielemanns Antrittskonzert groß an, Kritiker, Kenner und Thielemann-ianer aus nah und fern scheuten keinen Aufwand, um bei dem Ereignis dabei zu sein.

    Tatsächlich ist es der Sächsischen Staatskapelle und ihrem Magneten Thielemann gelungen, die hohen Erwartungen sogar noch zu übertreffen.
    Dieser Eindruck vermittelte sich bereits bei den fünf ausgewählten Liedern Hugo Wolfs, die leider viel zu selten in Orchesterfassung aufgeführt werden. Nur drei davon sind in originalen Fassungen des Komponisten erhalten, die anderen seit Langem verschollen.

    Gleichwohl sind auch die von fremder Hand orchestrierten Lieder "Verborgenheit" und "Elfenlied" eine Entdeckung wert.

    Alle diese Lieder stellen hohe Ansprüche an die Interpretin, denn nicht mit technischem Können und hoher Virtuosität lässt sich auftrumpfen, vielmehr erfordern diese Impressionen - wie einst schon die Wolf-Pionierin Elisabeth Schwarzkopf treffend bemerkte - subtile Nuancen im Ausdruck, feine Piano-Schattierungen und klangliche Finessen.

    Musik - Strauss: "Lied der Mignon"

    Die Sopranistin Renée Flemming wird solchen Ansprüchen aufs Vorzüglichste gerecht, auch wenn der Text nicht immer gut zu verstehen ist. Unvergessen wird aber vor allem die Zugabe der amerikanischen Sopranistin bleiben: So inniglich mit denkbar schönsten Kopf- und Pianotönen gerüstet, gestaltet wohl derzeit keine andere Richard Strauss' Orchesterlied "Befreit":

    Musik - Strauss: "Befreit"

    Das Tempo solle nach dem kleinsten, vermeintlich unscheinbarsten Motiv ausgerichtet werden, sagte einmal der geniale Brucknerdirigent Sergiu Celibidache. Ihm scheint Thielemann ungeachtet des Wechsels von München nach Dresden nun sogar noch ein Stück näher gekommen zu sein, werden doch auch bei ihm die Tempi hörbar breiter. Jedes noch so zarte Bläsersolo entfaltet sich somit im weit aufgefächerten Spaltklang aufs Prächtigste.

    Musik - Bruckner

    Schon vor neun Jahren, als sie erstmals zusammen das Brahms' Requiem aufführten, entdeckten Christian Thielemann und die Musiker der Sächsischen Staatskapelle eine starke Affinität zueinander. Als Seelenverwandte begegneten sich viele der Musiker und Thielemann bei den Bayreuther Festspielen wieder und bei den Proben zu diversen Sonderkonzerten im vergangenen Jahr haben Dirigent und Orchester ihre klanglichen Visionen bereits in idealer Weise umsetzen können, vor allem bei der Sinfonik des Spätromantikers Bruckner.
    Eine entscheidende Basis dafür sind ihre gemeinsame Vorlieben, sagt Thielemann:

    "Ein Klangideal, was mir entgegen kommt, ist ein runder, homogener Klang. Das bringe ich nicht nur aus Wien mit. Und wenn ein Orchester das selber mitträgt und will, dann kommt mir das derartig entgegen, dass ich bei einer Probe gewisse Dinge nicht sagen muss."

    Thielemann hat ein außergewöhnliches Gespür für die Traditionen und Stärken eines Orchesters, die er jeweils auch besonders auszureizen versteht.

    Noch vor wenigen Monaten bei einem Konzert mit den Berliner Philharmonikern preschte der einstige Karajan-Assistent deutlich flotter durch die Ecksätze von Bruckners Vierter. Zwar waltete ebenso höchste Perfektion über dieser Aufführung, aber irgendwie wirkte dieser Bruckner-Klang auch deutlich kühler.

    Die Sächsische Staatskapelle scheint wohl einfach prädestinierter für übersinnliche Offenbarungsmomente, wie sie sich beim Dresdner Antrittskonzert häuften.

    Sehr mystisch schweben die sphärischen Klänge der ersten Geigen im ersten Satz durch den prächtigen Bau der Semperoper. Tief in die Knie geht Thielemann in solchen magischen Momenten. Seine Zeichen wirken filigran und beinahe schlangenbeschwörerisch geheimnisvoll, seinen Blick heftet er ganz aufs erste Pult.

    Musik - Bruckner: "Adagio"

    Das zentrale Ereignis in Bruckners Siebter ist freilich das feierliche, düster-hoffnungsvolle Adagio. Auf immer neue Höhen führt der Klangmagier da seine Hörer, um sie zu einer Totenfeier zu laden, die an diesem emotionalen Abend nicht nur dem von Bruckner sehr verehrten Richard Wagner gilt, sondern auch Ulrike Hessler, der kürzlich verstorbenen Intendantin der Semperoper.

    Mit stehenden Ovationen feierte das Publikum diesen grandiosen Auftakt einer vielversprechenden Ära. Solche Brucknerabende will man noch viele erleben.