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Graphic Novel
Die Geschichte von Gary Gygax

Rollenspiele verbindet man heute vor allem mit PC-Spielen wie World of Warcraft oder Skyrim. Ihre Wurzeln gehen auf Gary Gygax zurück, der sie vor fast 45 Jahren erfand, nicht für den Computer, sondern für Zettel und Stift. Nun erzählt eine Graphic Novel seine bewegende Geschichte und von seiner größten Erfindung: Dungeons & Dragons.

Von Kai Löffler | 09.01.2018
    Cover von "Der erste Spielleiter: Gary Gygax und die Erschaffung von D&D"
    Cover von "Der erste Spielleiter: Gary Gygax und die Erschaffung von D&D" (Feder & Schwert)
    "Ihr erreicht eine kleine Stadt an einem großen See. Ein Stück die Straße herunter seht ihr ein gelbes viktorianisches Haus mit einer amerikanischen Flagge. Hier feiern Menschen."
    Der Comic "Der erste Spielleiter" beginnt wie eine Rollenspiel-Runde, in der ein Dungeon Master, ein Spielleiter, am Kopf eines Tisches sitzt und seinen Spielern ein Abenteuer beschreibt.
    "Der Gastgeber kommt auf euch zu."
    So spielt man seit den 70er-Jahren sogenannte "Pen & Paper"-Rollenspiele, bewaffnet mit nichts anderem als ein paar Blatt Papier, diversen Würfeln und seiner Fantasie. Ihr Erfinder, der im Mittelpunkt des Comics steht, wird in der Geek-Kultur etwa so verehrt wie Star Trek-Erfinder Gene Roddenberry und Herr der Ringe-Autor J.R.R. Tolkien:
    "Du bist Gary Gygax. Du bist daheim in Lake Geneva, Wisconsin, damit beschäftigt, das Spiel zu schreiben, das dein größtes Vermächtnis werden wird: Dungeons & Dragons."
    Aufwertung mit Fantasy-Elementen
    Gygax hat sich vor zehn Jahren nicht nur für ein Interview mit dem Journalisten und Literatur-Professor David Kushner getroffen, sondern auch mit ihm Dungeons & Dragons gespielt. Auch Koren Shadmi, der zuletzt den existenzialistischen Horror-Comic "The Abaddon" geschrieben hat, hat eine enge Beziehung zu Dungeons & Dragons: Als Teenager war er leidenschaftlicher Spieler und wollte, davon inspiriert, Fantasy-Illustrator werden.
    "Als Teenager hab ich die D&D-Bilder geliebt, wie zum Beispiel die detaillierten Ölgemälde von Larry Elmore. Ich hab meinen Bruder gebeten, mir von zuhause ein altes Buch zu schicken, 'The Art of Dungeons & Dragons'. Und immer wenn ich wissen wollte, wie ich einen Zwergenhelm male oder wie ein Schild aussieht, hatte ich eine Vorlage."
    Der erste Spielleiter ist eine Comic-Fassung des Artikels "Dungeon Master", den David Kushner für das Magazin Wired geschrieben hatte, kurz vor Gygax' Tod. Aber während ihm die Materie vertraut war, hatte er mit dem Medium Comic keine Erfahrung.
    "Also hab ich ihm gesagt, schreib es einfach wie das Drehbuch zu einem Film, und ich mache einen Comic draus. Der Band ist eine Adaption seines Titels 'Dungeon Master'. Die größte Herausforderung war, das grafisch interessant zu machen, deshalb habe ich Fantasy-Elemente eingebaut. In einem Comic über ein paar alte Nerds, die im Keller an einem Tisch sitzen, gibt es sonst nicht viel zu sehen. "
    Maßgeblicher Einfluss auf die heutige Fantasyszene
    Gygax' Leben war nicht immer glücklich; als junger Mann war er ziel- und erfolglos, und seine späten Jahre waren geprägt von langer Krankheit und einem Rechtsstreit mit Dave Arneson, der Dungeons & Dragons gemeinsam mit ihm erfunden hatte.
    "Der erste Spielleiter" spart dieses Drama zwar nicht aus, aber der Comic konzentriert sich mehr auf die Entstehung, den Aufstieg und Fall von D&D und dessen nachhaltige Bedeutung. Mit dem Konzept des Rollenspiels, das heute vor allem in Form von Computerspielen erfolgreich ist, hat Gygax Prinzipien erfunden, die weit über würfelnde Fantasy-Rollenspieler an runden Tischen hinausgehen.
    "Aufleveln, Dungeons und Loot, also Schätze. Und auch die Idee eines Kampfsystems."
    Persönliches und subjektives Porträt
    Dungeons & Dragons war aber auch so einflussreich, weil es in den 70ern und 80ern allgegenwärtig war. Dank des Fantasy-Revivals der 70er fiel Gygax' Spiel auf fruchtbaren Boden, und ihm folgte eine Welle von Brett-, Karten und Tabletop-Spielen. Im Gegenzug war es der älteren Generation suspekt, und wurde - gerade in den USA - verdächtigt, eine Art satanische Einstiegsdroge zu sein.
    CBC-Reportage: "This medieval fantasy world is so detailed, so real that some say it has caused kids to kill in the real world."
    Gary Gygax: "Jemand behauptete, er habe das Buch ins Feuer geworfen und es habe geschriehen."
    Die biografische Graphic Novel ist kurzweilig erzählt, und Shadmis Illustrationen tragen ihren Teil dazu bei. Gygax' Lebensgeschichte geht manchmal weniger in die Tiefe, als man sich wünschen würde. Dafür ist aus ihr ein sehr persönliches und subjektives Porträt hervorgegangen, ein charmanter kleiner Liebesbrief an den Mann, ohne den der Mainstream-Erfolg von Game of Thrones, vor allem aber Spiele wie Skyrim und Warcraft nicht denkbar gewesen wären.
    David Kushner & Koren Shadmi: "Der erste Spielleiter: Gary Gygax und die Erschaffung von D&D"
    Feder & Schwert Verlag, Köln 2017. 144 Seiten, 27,95 Euro