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Gratisbus statt Autostau

Nach dem Feinstaub-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig stehen die Städte in Deutschland unter Zugzwang, etwas für die gesunde Luft zu tun. So will Köln ab 2008 eine Umweltzone einrichten, auch Berlin will Fahrzeuge, die besonders viele Schadstoffe ausstoßen, aus dem Zentrum verbannen. Die belgische Stadt Hasselt hat bereits vor zehn Jahren ein konsequentes Verkehrskonzept entwickelt. Statt Autos fahren in der Innenstadt nur noch Gratisbusse - und das mit großem Erfolg.

Von Ruth Reichstein |
    Der Marktplatz der flämischen Stadt Hasselt - umrahmt von Backstein- und Fachwerkhäusern. Die Terrassen der Straßencafés sind prall gefüllt. Daniel Lambrechts, Stadtbeamter und zuständig für den öffentlichen Nahverkehr stellt sein Fahrrad ab und setzt sich auf eine Bank am Rand des Platzes:

    " Die Stadt war früher sehr autofreundlich. Hier hatten wir 1980 noch eine Verkehrsampel. Es war eine Durchgangsstraße von Brüssel nach Maastricht. "

    Das ist heute kaum noch vorstellbar. Die einzigen Fahrzeuge, die die schmale Straße, die am Platz vorbei führt, noch benutzen dürfen, sind Lieferwagen und die Stadtbusse. Ansonsten ist das Stadtzentrum von Hasselt autofrei. Stattdessen dürfen Hasselter und Besucher die Busse gratis nutzen:

    " Die Stadt bezahlt dafür rund 1,3 Millionen Euro im Jahr. Wir sehen, dass es weniger Autos in der Stadt gibt, man findet einfacher Parkplätze. Und tatsächlich haben Leute ihre Autos auch verkauft. Die Regierung von Flandern hat auf unsere Initiative reagiert und gesagt: Die Leute, die ihr Auto aufgeben, bekommen ein kostenloses Bus- und Bahn-Abonnement für die gesamte Region. Jedes Jahr tauschen rund 30.000 Leute ihr Auto gegen so ein Abonnement ein. Und in Hasselt machen das besonders viele. Die Grundlage unserer Verkehrspolitik ist also die Nachhaltigkeit. "

    Die Abonnements gelten für ganz Flandern und drei Jahre lang.

    Hasselt sei mittlerweile zum Vorbild für Städte in ganz Europa geworden, sagt Daniel Lambrechts nicht ohne Stolz in der Stimme. Fast jede Woche komme Besuch aus europäischen Gemeinden. Einige Städte in Flandern und in den Niederlanden haben bereits Gratisbusse eingerichtet - die Regierung von Lausanne in der Schweiz überlegt gerade, ob das Hasselter Konzept auf ihre Stadt übertragbar wäre. Und in Hasselt selbst sollen im kommenden Jahr nur noch Busse verkehren, die mit Biokraftstoff laufen.

    An der Haltestelle am Marktplatz hat sich eine Menschentraube gebildet. Im Zehn-Minuten-Takt halten die Gratisbusse hier. Fahrgäste in allen Altersstufen drängen sich an den Türen. Soraya hat sich einen Sitzplatz im hinteren Teil des Busses ergattert. Die 17 Jahre alte Schülerin nimmt den Bus täglich - um ihre Freunde zu besuchen oder um am Wochenende zur Arbeit zu fahren. Nach vier Stationen steigt sie aus und läuft nur noch einige Hundert Meter nach Hause:

    " Wenn es den Bus nicht gäbe, dann würde ich auf jeden Fall möglichst schnell meinen Führerschein machen und mehr arbeiten, um mir ein Auto zu kaufen. Denn der Bus ist sonst schon ziemlich teuer - jeden Tag damit zu fahren, das könnte ich mir nicht leisten. Aber so brauche ich kein Auto. Es lohnt sich nicht. "

    Das Auto der Familie werde nur noch selten aus der Garage geholt, bestätigt Sorayas Mutter:

    " Jetzt geht man einfach aus dem Haus und genau gegenüber ist eine Bushaltestelle. Ich finde das wirklich wunderbar. Ich muss die Kinder nicht mehr zur Schule bringen. Und ich kenne viele Leute, die nicht mehr das Auto nehmen, um in die Stadt zu kommen. Es ist nicht mal eine Frage des Geldes. Es ist ein psychologischer Trick: Jetzt weißt du, du hast die Bushaltestelle vor der Tür, gute Verbindungen und es kostet nichts. Das ist sozusagen die Kirsche auf dem Kuchen. "

    Dass dafür auch ein Anteil von ihren Steuern draufgeht, störe sie nicht, sagt Sorayas Mutter.

    Aber einigen Hasselter passt das gar nicht - allen voran den Taxifahrern, die am Bahnhof direkt neben der Bushaltestelle vergeblich auf Fahrgäste warten:

    " Der Hasselter Steuerzahlen bezahlt für jeden, der diesen Bus benutzt. Wenn Sie sich den Fahrer anschauen, dann sehen Sie, dass er für jeden Passagier eine Karte abstempelt. Und am Ende vom Tag muss die Stadt dafür bezahlen. Wirklich kostenlos sind nur die Sonnenstrahlen. "