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Griechenland-Kompromiss
"Wir müssen jetzt eine Brückenfinanzierung finden"

Der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna hat angesichts der Zahlungsrückstände Griechenlands rasche Fortschritte in den Verhandlungen mit Athen angemahnt. Er sagte im Deutschlandfunk, man müsse jetzt eine Brückenfinanzierung für Griechenland finden.

Pierre Gramegna im Gespräch mit Mario Dobovisek | 14.07.2015
    Pierre Gramegna, Finanzminister von Luxemburg,
    Pierre Gramegna, Finanzminister von Luxemburg ( picture alliance / ZB / Karlheinz Schindler)
    Die Finanzminister der EU hätten das Problem diskutiert, aber noch nicht gelöst. Luxemburg hat derzeit den Ratsvorsitz der Europäischen Union inne. Die Finanzminister setzen ihre Gespräche heute fort.
    Der Kritik an der Verhandlungsführung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble beim Euro-Gipfel wollte sich Gramegna nicht anschließen. Schäuble sei ein überzeugter Europäer. "Er hat intensiv verhandelt, sein Ziel war ein Kompromiss." Es sei verständlich, dass man von der griechischen Seite Garantien verlangt habe. "In den 18 anderen Euro-Staaten ist gut verstanden worden, dass man ein drittes Hilfspaket nicht mit denselben - wahrscheinlich zu schwachen - Bedingungen machen kann, wie die Pakete zuvor."

    Das Interview in voller Länge:
    Mario Dobovisek: 17 Stunden Verhandlungsmarathon der Staats- und Regierungschefs in der Nacht zum Montag, nachdem sich die Finanzminister der Eurogruppe nicht hatten einigen können, und das war nur die Spitze des Eisberges. Vorangegangen waren sechs Monate Verhandlungen und am Ende steht ein Kompromiss.
    Der Grexit ist zunächst abgewendet, stattdessen wird genau weiterverhandelt über ein drittes Hilfspaket. Und einen der Verhandler sozusagen begrüße ich am Telefon: Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna. Sein Land hat seit Anfang Juli den Ratsvorsitz der Europäischen Union inne. Guten Morgen, Herr Gramegna!
    Pierre Gramegna: Guten Morgen!
    Dobovisek: Ein Syriza-Sprecher in Athen spricht heute Morgen von einem "Staatsstreich Brüssels gegen Griechenland". War das das Ziel des Kompromisses?
    Gramegna: Ganz klar nicht. Ich glaube, der Kompromiss hat wiederum gezeigt, dass Europa es fertig bringt, wenn es sein muss, Kompromisse zu finden.
    Es ging ja hier darum, die europäische Solidarität zu verbinden mit der Verantwortung, die wir alle haben für den Euro, und da war es schon besser, dass wir einen Grexit verhindern konnten und ein Hilfspaket ausverhandeln, wo beide einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung gemacht haben, und ich glaube, das ist darum auch ein Resultat, das keinem sehr gut gefällt. Das ist ein Zeichen, dass man sich näher gekommen ist.
    "Schäubles Ziel war, einen Kompromiss zu finden"
    Dobovisek: Hat denn Deutschland, hat Wolfgang Schäuble als Finanzminister genügend europäische Solidarität mit seiner harten Haltung gezeigt?
    Gramegna: Ich glaube, dass Wolfgang Schäuble ein sehr überzeugter Europäer ist. Das hat er über die Jahrzehnte immer gezeigt. Und er hat in der Eurogruppe, wo ich ja neben ihm sitze, sehr intensiv mitverhandelt und sein Ziel war, einen Kompromiss zu finden, und ich finde, dass wir das erreicht haben, und ich würde das gar nicht hinterfragen.
    Dobovisek: Aber trotzdem hat seine harte Haltung, so hören wir es jetzt aus allen Richtungen, vor allem aus Griechenland, aber auch von anderen Ländern, Europa ja fast gespalten.
    Gramegna: In solchen Verhandlungen ist es normal, dass es verschiedene Meinungen gibt. Ich glaube, das Endresultat zählt. Es ist ja auch verständlich, dass man von den Griechen Garantien fragt. Wenn ein Land so viele Schulden akkumuliert hat, wie das der Fall ist, und ein Land ein drittes Hilfspaket fordert und auch bekommt, dann ist das doch verständlich, dass man auch zusätzliche Forderungen hat, zusätzliche Garantien fordert, und die haben wir auch, glaube ich, bekommen.
    Ich glaube, in den 18 anderen Staaten ist das sehr gut verstanden worden, dass man das dritte Hilfspaket nicht mit denselben Bedingungen und wahrscheinlich zu schwachen Bedingungen machen konnte.
    Hoffen auf Zustimmung zum dritten Hilfspaket
    Dobovisek: Sie haben sich als Finanzminister vor dem Gipfel nicht einigen können. Da gab es viele, viele offene Punkte in dem vorgeschlagenen Papier für die Staats- und Regierungschefs.
    Jetzt haben Sie gestern das erste Mal wieder in der Runde zusammengesessen, werden es gleich in ein paar Minuten wieder tun. Wie ist die Stimmung unter Ihren Kollegen?
    Gramegna: Die Stimmung ist müde, sehr müde, weil die ganze Nacht verhandelt worden ist. Gestern war Eurogruppe, heute ist ECOFIN, und es ist klar, dass es eine Verdrossenheit ein bisschen gibt, dass der ganze Prozess so lange gedauert hat.
    Das hat damit zu tun, dass die Griechen erst im letzten Augenblick bereit waren, Zugeständnisse zu machen, und das hat das Ganze nicht erleichtert. Aber jetzt müssen wir nach vorne schauen. Wir müssen Brückenfinanzierungen finden. Das haben wir gestern in der Eurogruppe diskutiert, aber noch nicht gelöst. Denn wir wollen ja die Lage auch in Griechenland normalisieren können, und das kann nur geschehen, wenn auch Brückenfinanzierungen gefunden werden.
    Ich hoffe auch, dass die nationalen Parlamente, sowohl das griechische wie auch viele andere in der Eurozone, dem ganzen Paket zustimmen werden.
    "Das Vertrauen muss sich langsam aufbauen"
    Dobovisek: Verdrossenheit, sagen Sie, Herr Gramegna, und Müdigkeit. Fehlt auch das Vertrauen in die griechischen Kollegen?
    Gramegna: Das Vertrauen muss sich jetzt wieder langsam aufbauen.
    Dobovisek: Es fehlt also?
    Gramegna: Es ist ganz klar gewesen, das haben fast alle gesagt, dass wir das Vertrauen langsam haben schwinden sehen, und der Kompromiss von gestern soll hier einen Umkehrpunkt mit sich bringen, dass wir dieses Vertrauen gemeinsam wieder aufbauen. Wenn überhaupt kein Vertrauen da gewesen wäre, hätten wir ja auch keinen Kompromiss machen können. Ich glaube, wir sind zusammen mit einer Währung in Europa unterwegs, und jetzt muss das Vertrauen wieder aufgebaut werden.
    Dobovisek: Grob gesagt standen sich Nordost und Südwest gegenüber, Deutschland, Finnland und zum Beispiel die Balten mit ihrer harten Haltung auf der einen Seite, Frankreich und die Südeuropäer auf der anderen. Wer sagt uns denn, dass dieser Graben nicht wieder aufbricht im Laufe der Verhandlungen?
    Gramegna: Nein, da bin ich optimistisch. Da muss auch Luxemburg seine Rolle spielen als Ratspräsidentschaft und der neu gewählte und wiedergewählte Jeroen Dijsselbloem als Präsident der Eurogruppe wird das auch machen.
    Ich glaube nicht, dass die Spaltung das richtige Wort ist. Das Wort ist bestimmt nicht richtig. Da gab es verschiedene Positionen, aber die sind zusammengerückt. Also ich bin sehr optimistisch, dass man das überbrücken kann.
    Dobovisek: Was erwarten Sie jetzt von Athen?
    Gramegna: Dass sie ganz einfach das umsetzen, was wir unterschrieben haben - das ist sehr viel -, und dass sie das nicht nur machen, weil Europa das von Griechenland fragt, aber weil es gut ist, um die griechische Wirtschaft wieder auf die Beine zu stellen.
    Dazu gehört, dass nicht nur Steuern erhöht werden und dass der Staat besser strukturiert ist. Dazu gehört auch, dass die griechische Wirtschaft angekurbelt wird, und das geschieht zum Teil ja auch mit dem Paket, das die Kommission zur Verfügung stellt von 35 Milliarden Investitionen, die in Griechenland in den nächsten Monaten und Jahren getätigt werden.
    Dobovisek: 35 Milliarden, von denen aber auch ein Stück direkt aus Griechenland kommen muss. Ist also kein großes Bonbon für die Griechen?
    Gramegna: Ja, aber man kann sich ja vorstellen, dass man auch das lösen kann, indem man es fertig bringt, dass man einen Teil dieses Hilfspakets dazu nutzt, um Investitionen zu tätigen, und nicht nur, um Schulden zu tilgen.
    Dobovisek: Gucken wir uns noch einen Punkt aus der langen Liste an: Den Treuhand-Fonds, der jetzt nun nicht bei Ihnen in Luxemburg, sondern in Griechenland angesiedelt sein soll. Er soll bei der Privatisierung helfen oder vielmehr auch bei der, sagen wir mal, Gewinnmaximierung von Staatsunternehmen. 50 Milliarden Euro, die Zahl steht im Raum. Ökonomen sagen, das sind längst nicht so viele. Das sind höchstens sieben Milliarden. Wie passt das zusammen?
    Gramegna: Wir haben uns das Ziel von 50 Milliarden gesetzt. Das Wichtige ist, dass man in die Richtung dieses Zieles sich bewegt und dass die Privatisierung in Griechenland schneller vorankommt, als das in den letzten Jahren der Fall war. Ich glaube, das haben wir mit diesem Treuhand-Fonds wahrscheinlich auch besser gesichert.
    "Griechen müssen Gelegenheit bekommen, Reformen Schritt für Schritt zu machen"
    Dobovisek: Aber wo sollen die 50 Milliarden herkommen, wenn die Ökonomen nur mit sieben Milliarden rechnen?
    Gramegna: Ich sage ja, man soll das schrittweise sich anschauen und auch den Griechen die Gelegenheit geben, das Schritt für Schritt zu machen.
    Dobovisek: Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna bei uns im Deutschlandfunk-Interview. Ich danke Ihnen ganz herzlich.
    Gramegna: Ich auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.