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Griechenland: Streit um illegale Häuser

Hunderttausende Griechen haben in den vergangenen Jahren ungenehmigt Häuser gebaut. Lange Zeit tolerierten die Behörden die Schwarzbauten. Nun will die griechische Zentralregierung jedoch einschreiten: Ab September drohen den Bewohnern hohe Strafen - oder der Abrissbagger.

Von Steffen Wurzel |
    Auf der Halbinsel Chalkidiki, südöstlich der griechischen Hafenstadt Thessaloniki, sieht es aus, wie im Griechenland-Reiseprospekt: lange Sandstrände, gepflegte Uferpromenaden und unzählige Ferienhäuser. Doch möglicherweise ist es mit der Idylle bald vorbei. Zumindest für die Besitzer der Ferienhäuser.

    "Ich habe hier vor einigen Jahren ein Grundstück gekauft, weil es preiswert war. Ich dachte mir, dass ich hier bestimmt irgendwann mal ganz legal bauen darf. Damals standen ja schon überall nebendran Häuser. Hätte ich damals gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich nie im Leben gebaut. Und jetzt wollen sie mein Haus abreißen? Nur über meine Leiche!"

    Die 55-jährige Rentnerin Rula Tsiapa wohnt mit ihrem Mann im Küstenort Hrissi Akti in einem kleinen Ferienhäuschen: 72 Quadratmeter groß, zwei Zimmer und eine Wohnküche. Eigentlich leben die beiden in einem Ort in der Nähe von Thessaloniki, aber im Sommer zieht es sie - wie die meisten griechischen Rentner - für mehrere Monate raus ans Meer.

    "Wir zahlen ja schon jetzt für unser Haus eine Strafe von etwa 250 Euro pro Jahr ans Bauamt. Dieses Geld, das wir bis jetzt gezahlt haben, was ist damit? Das muss doch verrechnet werden! Es kann doch nicht sein, dass ich jetzt noch mal zahlen soll und nach 20 Jahren reißen sie mir das Haus dann trotzdem ab!"

    Als Rula Tsiapa und ihr Mann ihr Häuschen vor 16 Jahren gebaut haben, nahmen sie es - wie Hunderttausende andere Griechen auch - mit der Genehmigung nicht so genau. Sie bauten das Haus ohne Baugenehmigung. Die örtlichen Behörden drückten jahrelang beide Augen zu. Nach Zahlung eines kleinen Bußgelds ans zuständige Amt wurde der Schwarzbau Jahr für Jahr toleriert. Doch damit soll nach dem Willen der Zentralregierung in Athen bald Schluss sein. Die Bewohner illegaler Häuser in Griechenland sollen eine einmalige Strafe in Höhe von mehreren Zehntausend Euro zahlen. Im Gegenzug wird der Schwarzbau zwar nicht legalisiert, das Haus wird aber für 20 bis 40 weitere Jahre vom Abriss verschont. Nichts Halbes und nichts Ganzes also.

    "Was heißt das, 20 bis 40 weitere Jahre? Ein junger Mensch erbt so ein Haus von seinem Vater oder Opa und muss es dann nach 20 Jahren noch mal legalisieren lassen? Das ist nicht richtig. Die Legalisierung sollte für immer sein!"

    Damianos Iordanidis ist der Bürgermeister von Nea Propondida, dem Küstenort, in dem die Tsiapas wohnen. Er schätzt, dass allein in seinem Zuständigkeitsbereich etwa 50.000 illegale Häuser stehen.

    "Die illegalen Bauten sind nun mal Tatsache. Und das muss berücksichtigt werden. Bis jetzt wurde kein einziges dieser Häuser abgerissen. Warum wurde also bis jetzt alles toleriert? Ein Teil der Bußgelder sollte in die Kassen unserer Stadt fließen, damit wir es für die Menschen hier investieren können."

    Im September will die griechische Regierung das umstrittene Gesetz auf den Weg bringen. Allen, die die geplante Strafe nicht zahlen, droht sie bereits jetzt mit dem Abrissbagger. Davon betroffen wäre auch der 71-jährige Rentner Giorgos Evangelidis. Jeden Sommer flüchtet er aus dem dicht besiedelten Thessaloniki in sein gemütliches Häuschen auf Chalkidiki. Angst davor, sein Häuschen zu verlieren, hat er nicht. Im Gegenteil. Er spottet:

    "Wer soll denn bitteschön unsere Häuser abreißen? Da bräuchte man viel Personal. Die Regierung sollte sich diese Märchen sparen, darauf fallen die Leute hier nicht rein."