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Größer, weiter, anders

Astronomie. - Heute vor 400 Jahren hat der deutsch-niederländische Optiker Hans Lipperhey ein Patent für das von ihm erfundene Teleskop beantragt. Das Patent wurde abgelehnt – angeblich, weil der Bau eines Teleskops zu einfach war. In dieser Woche haben Astronomen aus aller Welt im niederländischen Noordwijk darüber diskutiert, welche technischen Hürden heute beim Bau von Teleskopen zu nehmen sind – und was es im All für die künftigen Teleskope noch zu entdecken gibt.

Von Dirk Lorenzen |
    Eine ausziehbare Röhre aus Papier und Leder, vorne und hinten jeweils eine etwa zwei Zentimeter große Linse, die für eine vierfache Vergrößerung sorgten. Nach heutigen Maßstäben kaum mehr als ein Spielzeug, war das erste Teleskop des Hans Lipperhey dennoch eine epochale Erfindung. Galileo Galilei hörte davon, verbesserte die Konstruktion und machte am Himmel spektakuläre Entdeckungen. Mittlerweile nutzen die Nachfolger von Lipperhey und Galilei Spiegelteleskope von bis zu zehn Metern Durchmesser. In den USA ist jetzt ein 30-Meter-, in Europa gar ein 42-Meter-Teleskop geplant. Doch der pure Drang nach Größe wird nicht immer so weiter gehen, meint Tim de Zeeuw, Generaldirektor der Europäischen Südsternwarte Eso:

    "Es könnte dahin gehen, vermehrt eine ganze Reihe von kleineren, aber immer noch recht großen Teleskopen zusammenzuschalten. Die sehen dann so scharf, als wären sie ein Instrument, das so groß ist wie der Abstand der zusammengeschalteten Teleskope. Das kann man sowohl mit im Weltall fliegenden Teleskopen machen als auch mit Instrumenten am Boden. Im sichtbaren Licht ist das extrem schwierig, aber es bietet einzigartige Chancen. Denn die zusammengeschalteten Instrumente sähen sogar schärfer als das geplante 42-Meter-Teleskop."

    Ob Zusammenschalten oder Großteleskop: Auch 400 Jahre nach der Erfindung des Fernrohrs sind die Astronomen noch in der glücklichen Lage, dass große Teile des Kosmos komplett unerforscht sind. Denn heutige Teleskope blicken noch lange nicht in alle Ecken des Universums. De Zeeuw:

    "Wann immer wir einen Schritt in der Technologie gemacht haben, wurde etwas Neues entdeckt. Das wird so bleiben. Ich denke oft an Lord Kelvin, der Ende des 19. Jahrhunderts meinte, die Physik sei so gut wie fertig. Danach sind dann noch Quanten- und Relativitätstheorie aufgetaucht. Also: Das Universum ist groß und da ist noch viel zu lernen."

    Es ist nach wie vor vergleichsweise einfach, bedeutende Entdeckungen im All zu machen. Das könnte sich mit den 30- oder 40-Meter-Teleskopen der nächsten Generation ändern. Danach bedürfte es womöglich eines noch viel größeren Mammut-Teleskops, um wirklich einen entscheidenden Schritt nach vorn machen. De Zeeuw:

    ""Astronomie-Projekte werden zwar jetzt wirklich global, aber sie sind noch nicht im Kostenbereich etwa des LHC-Beschleunigers in Genf. Die größten Sternwarten am Boden kosten nur gut ein Sechstel des LHC. Aber langfristig könnte es immer teurer werden. Vielleicht helfen uns andere Innovationen. Früher wurden Himmelsaufnahmen mit fotografischem Film gemacht. Dann gab es plötzlich den CCD-Chip für elektronische Aufnahmen. Damit waren die existierenden Teleskope plötzlich zehnmal empfindlicher als vorher. Womöglich gibt es ähnliche Tricks, um künftig Radioteleskope noch besser zu machen."

    Niemand kann vorhersehen, welche technischen Entwicklungen die Astronomie in 30 oder 50 Jahren prägen werden. Eines gilt aber genauso wie zu Galileis Zeiten: Neue Teleskope zeigen den Astronomen neue Welten. Tim de Zeeuw hofft, dass nicht noch einmal 400 Jahre ins Land gehen, bis die Forscher eine ganz besondere Welt im Universum erspähen:

    "Die Entdeckung von Leben ist ein Aspekt, der völlig den Rahmen von Astronomie und Wissenschaft sprengt. Es fragt sich doch jeder, was da draußen im Weltall ist. Wenn sich zeigt, dass es dort Planeten gibt, auf denen Leben existieren kann und wir mit den Teleskopen sogar Lebensspuren entdecken, dann hätte das auch philosophisch enorme Konsequenzen. Wir wären nicht mehr die einzigen Lebewesen im Universum. Das ist viel mehr als reine Astronomie!"