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Großbritannien
Vorwürfe gegen soziale Medien nach Teenager-Suizid

Der Vater einer 14-jährigen Britin macht Instagram für den Tod seiner Tochter mitverantwortlich. Er kritisiert Posts über Depression und Suizid. Der Fall hat in Großbritannien eine breite Debatte ausgelöst: Werbetreibende fordern schärfere Kontrollen, der Gesundheitsminister erwägt sogar Verbote.

Von Christoph Heinzle | 29.01.2019
    Eine Junge Frau sitzt auf einer Parkbank und blickt auf ihr Smartphone.
    Für die meisten Jugendlichen gehören Smartphone und Social Media zum Alltag (imago / NurPhoto / Jaap Arriens)
    Für die Londoner Familie Russell war an diesem Novemberabend 2017 alles wie immer. Die 14-jährige Molly hatte ihre Hausaufgaben gemacht und den Schulranzen gepackt. Am nächsten Morgen war sie tot. Selbstmord. Unerklärlich für die Russells, die sich nun ansahen, womit sich Molly in ihren Social-Media-Accounts beschäftigte. Auf Pinterest und vor allem auf Instagram fand sie Posts über Angststörungen, Depressionen und Selbstmord, teils mit grausamen Bildern.
    "Einige dieser Inhalte sind schockierend", sagte Mollys Vater Ian Russell der BBC, "weil sie zu Selbstverletzungen ermuntern und diese in Verbindung mit Selbstmord bringen".
    Ian Russell hat keinen Zweifel, dass Instagram zum Tod seiner Tochter beigetragen hat.
    Zu wenig Prävention?
    Instagram und der Mutterkonzern Facebook äußerten Bedauern über den Todesfall und versprachen, ihre Kontrollen zu überprüfen. Doch Facebook-Manager Steve Hatch nennt das Problem komplex:
    "Oft posten Menschen in wirklich schwieriger Lage solche Bilder, um Hilfe zu suchen. Das kann dann wirklich nützlich sein. Deshalb sind solche Fotos auf der Plattform erlaubt, und wir bemühen uns dann sofort um Unterstützung. Wir erlauben aber nichts, was sensationalisiert oder verherrlicht."
    Für Ian Russell ist das wenig glaubwürdig:
    "Die Wahrheit ist doch, dass das Internet mit dem Leid anderer Menschen Geld verdient. Das sollte nicht sein, dass ist schrecklich und unmoralisch. Das Internet tut nicht genug zur Verbeugung. Nicht genug, um das Leben junger Menschen zu retten."
    Forderung nach Kontrollen, Gesetzen, Verboten
    Auch das Vertrauen großer Unternehmen in die Internet-Riesen hat gelitten. Denn die mussten erfahren, dass neben den Selbstmord-Posts Werbung renommierter Firmen eingespielt wurde, von "Marks & Spencer" etwa und von der Post. Dazu Phil Smith vom Verband der britischen Werbetreibenden:
    "Markenunternehmen wollen ihre Werbung nicht in diesem Umfeld sehen. Deshalb brauchen wir ein unabhängiges, möglichst internationales Kontrollgremium, von der Branche finanziert. Es soll die Selbstkontrolle beenden und der Öffentlichkeit, den Werbetreibenden und der Politik das Vertrauen geben, dass Inhalte ordentlich und unabhängig moderiert werden."
    Die britische Regierung setzt zwar auf schärfere Kontrollmaßnahmen gemeinsam mit den Social-Media-Unternehmen, sagte Gesundheitsminister Hancock der BBC: "Doch wenn wir der Meinung sind, sie sollten bestimmte Dinge tun, sie sich aber weigern, dann können und müssen wir Gesetze erlassen."
    Möglich wäre am Ende sogar ein Verbot von Internetdiensten, auch wenn man soweit nicht kommen wolle, so der Minister.
    Wenn Sie sich in einer schwierigen Situation befinden, dann sprechen Sie darüber. Zum Beispiel mit der Telefonseelsorge. Erreichbar unter 0800/111 0 111. Sie ist deutschlandweit und täglich 24 Stunden erreichbar - auch anonym via Mail und Chat: telefonseelsorge.de.

    Kinder und Jugendliche können sich auch hier anonym und kostenlos bei der "Nummer gegen Kummer" melden: 116 111 (montags - samstags von 14 - 20 Uhr). Mehr Infos hier: nummergegenkummer.de