Archiv


Großes Geld für kleine Leute

Am Anfang galt die Idee als völlig verrückt. Afrikanischen Frauen einen Kleinkredit geben, damit sie eine Nähmaschine kaufen? Damit sie Feldfrüchte mit einem neuen Fahrrad zum Markt bringen können? Kleinkredite an die Armen sind zu riskant, meinten viele. Ihr seht Euer Geld nie wieder. Am Ende waren selbst Kirchenvertreter vom weltweiten Erfolg ihrer Idee überrascht. Inzwischen boomt das Geschäft mit Klein- und Kleinstkrediten. Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2005 zum Jahr des Mikrokredits erklärt.

Von Jutta Schwengsbier |
    Einer der Pioniere der Mikrofinanzierung ist die ökumenische Entwicklungsgesellschaft Oikokredit.1975 vom Weltkirchenrat gegründet, sollten Rücklagen der kirchlichen Organisationen, etwa für Rentenzahlungen oder andere langfristige Verpflichtungen, mit ethischem Anspruch, aber dennoch profitabel angelegt werden. Das betont Gerd van Maanen, Mitglied im Aufsichtsrat von Oikokredit, besonders:

    Wir brauchen doch ein Instrument für unsere Rücklagen, der etwas naher an der Bergpredigt steht als an Wall Street. Ich habe auch nicht daran geglaubt, Darlehen zu geben an Menschen in Afrika. Nach 15 Jahren bin ich zurückgekehrt in den Vorstand von Oikokredit, habe mich sehr gewundert, wie überlebensfähig diese Organisation dann geworden ist.

    Meist sind es Frauen, denen Oikokredit mit Kleinkrediten eine Existenzgründung ermöglicht. Nicht nur aus politischen Gründen, sondern weil Frauen einfach die besseren Kreditnehmerinnen sind, sagt Daniel Vogt, Vorsitzender eines Oikokredit Förderkreises in Berlin:

    Frauen sind die besten Kreditnehmer. Unsere und auch die anderer Organisationen Erfahrung ist, dass Frauen eine deutlich höhere Rückzahlungsquote haben. Dass sie viel, viel engagierter sind, eine Chance, die ihnen gegeben wird, die sie vielleicht auch sonst nie hätten, wahrzunehmen. Und dass Frauen auch bereit sind, eben auch gerade für die Kinder viel mehr Engagement und Einsatz zu zeigen, während offensichtlich die Bindung der Männer vielleicht auch die Familie, an Projekte deutlich geringer ist und man im Zweifel auch bei Schwierigkeiten eher aufgibt und wegläuft. Man hat ja vielleicht noch einmal eine andere Chance. Aber offensichtlich als Frau, gerade in afrikanischen Ländern, es ist die eine Chance und die wird wahrgenommen.

    Mikrokredite sind aber nicht nur ein Instrument für Entwicklungsländer. Wenn in einigen Ländern 5 oder 50 Euro für eine Existenzgründung reichen, sind es in anderen 10000 oder 50000 Euro. Was ein Mikrokredit ist, lässt sich also nicht so genau definieren. Oikokredit ist inzwischen auch in Osteuropa aktiv. Und als in Deutschland noch kein normaler Banker an die Idee eines fairen Handels glauben wollte, auch da hat Oikokredit mit Krediten ausgeholfen. Daniel Vogt:

    Der Alternative Handel, der ja auch relativ jung ist von seiner Idee, hatte in den 80er Jahren ein großes Akzeptanz- oder Finanzierungsproblem. Denn wer ist bereit, für eine Tasse Kaffee das Doppelte zu bezahlen? Das erschien vielen eher absurd. Und dementsprechend fanden solche Organisationen auch keine Finanziers.

    Da ist Oikocredit sehr punktuell auf Grund des Zusammenhangs mit Entwicklungsarbeit eingesprungen und hat gesagt: dann finanzieren wir eben diese alternativen Handelsorganisationen. Wir glauben daran. Also in Deutschland etwa Transfair und Gepa, in den Niederlanden Max Habeler und andere, die ja jetzt auch akzetiert sind, die jetzt auch andere Geldgeber bekommen. Aber da waren wir vielleicht so ein bisschen Geburtshelfer auch des alternativen Handels zu einer sehr frühen Zeit.


    Inzwischen ist die Mirkofinanzierung einer der am schnellsten wachsenden Bereiche des Kreditgeschäfts. So hat Oikokredit den Weg bereitet für Investitionen in die Armen und damit gegen die Armut, sagt Gerd van Maanen nicht ohne Stolz:

    Mikrokredit, 50 oder 100 Dollar, das kann man doch nicht seriös nehmen. Das hat sich geändert. Und warum hat sich das geändert. Weil in den letzten 5 Jahren Mikrokredit von 25 Millionen aufgestiegen ist nach 50 Millionen Menschen, die davon bedient werden. Kunden - und die haben Familien. Insgesamt sind das dann 200 Millionen Menschen. Ich glaube, es gibt kaum Industrien, die so ein Wachstum zeigen.

    Oikokredit zahlt seinen Anlegern nicht mehr als zwei Prozent Zinsen pro Jahr, dafür hat die niederländische Regierung die Kapitalerträge von der Steuer befreit. So können die Kredite zu günstigen Konditionen weitergegeben werden. Inzwischen ist Oikokredit einer der weltweit größten privaten Geldgeber für so genannte ”nicht bankfähige" Arme.


    Doch Mikrokredite haben nichts mit Wohltätigkeit zu tun. Wenn es richtig gemacht werde, seien sie ein sehr gutes Geschäft, sagt Helen Alexander. Sie ist Geschäftsführerin der Procredit Holding, einer auf Mikrofinanzierung spezialisierten Bankengruppe:

    Ja wir sind immer überrascht wenn Leute reden von Risiko im Mikrofinanz. Unsere Kunden haben keine andere Quelle von Kredit. Wenn die an uns nicht zurückbezahlen, die kriegen keinen Kredit irgendwoanders. Und wenn die fair behandelt wird, zahlen die auch zurück.

    Die so genannten Procredit-Banken verlangen für ihre Kleinkredite durchschnittlich 20 Prozent Zinsen pro Jahr. Der Zahlungsausfall liegt bei unter einem Prozent. Damit müssen die Mikrofinanzbanken deutlich weniger Verluste abschreiben als die meisten anderen Geschäftsbanken. Businesspläne, Risiko-Rating - die sonst üblichen Entscheidungskriterien bei der Kreditvergabe - seien völlig ungeeignet, um ihre Kunden zu beurteilen, so Helen Alexander:

    Kern von unserem Geschäft ist die Kreditanalyse, das heißt wir sind sehr personalintensiv: "wie viel Obst verkauft man im Monat?", "was ist ein tägliches Einkommen?" Die haben nie eine Ahnung oftmals, wie viel die verdienen am Tag. Und das machen wir. Und die allermeisten von unseren Mitarbeitern in lokalen Banken haben keine Bankerfahrung, denn wir finden, dass der Moment, dass man ein paar Jahre in einer Bank gearbeitet hat, ist man völlig verdorben.

    Es geht vor allem darum, Menschen Kredit zu geben, die sonst nur zu Kredithaien gehen können. Gerd Van Maanen:

    Ich habe mit einem Loanshark in Davao darüber gesprochen. Ich glaube, was er gefragt hat, 30 Prozent pro Tag. Und da habe ich gesagt, warum 30, warum nicht 20? Und da hat er gesagt, warum sollte ich das tun? Sie ist bereit, 30 zu zahlen. Da habe ich gesagt: Warum dann nicht 40? Haha, da hört sie auf zu arbeiten. Da gibt es kein Wachstum, da gibt es kein besseres Morgen, kein besseres Übermorgen, dann wird für den Loanshark gearbeitet.

    Wenn Loansharks, wenn Kredithaie in Asien oder Afrika 30 bis 50 Prozent Zinsen am Tag verlangen können, dann sind hier auch Mikrofinanzbanken rentabel, so Helen Alexander:

    Aber was wir machen, ist: wir haben 19 Mikrofinanzbanken um die Welt herum, das heißt in Lateinamerika, Osteuropa als auch in Afrika. Und ich würde auf jeden Fall das Wort Banken betonen. Wir reden sehr wenig in unserer Welt über Armut oder Armutsbekämpfung. Wir reden viel mehr über Konzepte wie Kunden, Zielgruppe.

    Wir haben jetzt weit über 400000 Kunden um die Welt herum. Und wir vergeben über 50000 Kredite im Monat, die allermeisten davon sind für weniger als 1000 Euro. Und wir wachsen um ungefähr 40 Millionen Euro im Monat momentan, also wir wachsen sehr, sehr schnell, was auch ein Nachteil ist.


    Neben Krediten bieten die Procredit-Banken auch Girokonten, Anlage- und Zahlungsverkehrsmöglichkeiten an. Der Bedarf ist enorm, gerade weil viele der so genannten "Nicht - Bankfähigen" nie zuvor Zugang zu diesen Finanzdienstleistungen hatten. Helen Alexander:

    Wir benutzen unsere lokalen Einlagen, um Kredit zu geben an unsere Kunden. Und wir haben auch langfristiges Geld von Banken wie der KfW oder von der Weltbank, aber langsam auch von kommerziellen lokalen oder internationalen Banken. In Osteuropa ist die Commerzbank auch dabei. Es ist trotzdem momentan immer noch schwierig von Commercial-Banken langfristiges Geld zu leihen. Auch für uns. Trotz unseres Erfolges. Trotz unserer Rentabilität.

    Doch inzwischen haben auch andere Banken das Geschäftspotential der Mikrofinanzierung erkannt und wollen das weitere Wachstum durch zusätzliches Kapital absichern. Die Deutsche Bank etwa will im Verbund mit einem Konsortium einen 50 Millionen Dollar Mikrofinanzfond auflegen, - zur Refinanzierung von Mikrokrediten. Dazu Michael Hölz von der Deutschen Bank:

    Wie funktioniert das? Wir sammeln Geld ein, bilden einen Mikrofinanzfond. Der wird mit einer nationalen Bank vor Ort auch dupliziert. Also soviel Geld, wie wir als eine Anleihe geben, so viel muss die nationale Bank vor Ort auch noch einmal transportieren. Und dieses Geld wird dann über Mikrofinanzinstitutionen, dann im Land verteilt bei den Klein- und Kleinstunternehmen.

    Bei vier bis sechs Prozent Verzinsung und einer Risikoabsicherung von 60 Prozent durch öffentliche Geldgeber könne der geplante Mikrofinanzfond durchaus mit anderen Anlageformen konkurrieren, so Michael Hölz.

    Während in Lateinamerika, Afrika oder Osteuropa also immer mehr Menschen mit Kleinkrediten versorgt werden, steckt die Idee der Mikrofinanzierung in Deutschland immer noch in den Kinderschuhen. Staatliche Fördermittel, etwa der staatlichen KfW-Bankengruppe, wären sogar vorhanden. Doch viele kommen an sie nicht heran. Denn weitergeben müssten sie die Hausbanken. Doch die Privatbanken haben kein Interesse am Geschäft mit Kleinkrediten, erläutert Falk Zientz, Vorstand des Deutschen Mikrofinanzinstituts:

    Nach dem KfW-Gründungsmonitor gingen wir davon aus, dass etwa 100000 Kleinstgründungen pro Jahr nicht finanziert oder unterfinanziert sind. Das liegt daran, dass Kleinstkredite für Banken nicht rentabel sind. Die Zinsmarge reicht nicht aus, um die Kosten, vielleicht 1000 vielleicht 2000 Euro pro Stück, zu finanzieren.

    Die KfW-Bankengruppe hat das Problem selbst schon erkannt und sucht nach einer Lösung. Margaritha Tchouvakina ist als Abteilungsdirektorin der KfW zuständig für die Produktentwicklung im Mikrokreditbereich:

    Was ist der richtige Weg für Mikrofinanzierung? Höhere Zinsen oder mehr Beratung und dadurch geringere Ausfälle und geringeres Risiko? Das ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Zum Beispiel bei den meisten Mikrofinanzierungssituationen liegen die Zinsen für die Kleinkredite so im Bereich 14, 15 Prozent und aufwärts, je nachdem in welchem Land und um was für einen Darlehensbetrag es sich handelt.

    Solche Zinsen in Deutschland wären unvorstellbar. Das heißt, die Prozesskosten, die bei den Banken entstehen, auf Zinsen umzulagern, halte ich für Deutschland nicht für den gangbaren Weg.


    Bei der Mikrofinanzierung müssen in Deutschland neue Konzepte entwickelt werden. Erste Modellprojekte sollen die Erfahrungen mehrerer europäischer Partner bündeln. Thomas Dankwart hat für die Investitionsbank Berlin, die IBB, nach neuen Mechanismen der Kleinkreditvergabe gesucht:

    Also wir haben in der Zeit von 1999 bis 2002 für ein EU-Modellprojekt, das unter der Bezeichnung equal-credit lief, als Gesamtprojektleiter mit insgesamt acht europäischen Partnern Modelle für Kleinstkreditvergaben entwickelt und getestet. Als ein wesentlicher Erfolgsfaktor wurde die Begleitung, also das Mentoring und das Coaching von Existenzgründern und jungen Unternehmern gesehen, gerade im Mikrokreditbereich.

    Ins Geschäft mit "funky" Buchhaltung

    Sie nennen sich die Kaziken. Hatten gemeinsam Events organisiert. Graffiti gesprüht. Später dann die Berliner Breakdance-Meisterschaften veranstaltet. Ein richtiges Geschäftskonzept hatten sie eigentlich nicht, als sie zur Investitionsbank Berlin gingen. Nur einen Traum. Sie waren Freunde, und sie wollten gemeinsam arbeiten. Was genau, war eigentlich fast egal. Hauptsache es macht Spaß. Für diese Idee haben sie insgesamt 60000 Euro Kredit bekommen, erzählt Jakob Seidel mit einem Lachen:

    Wir haben da einmal einen T-Shirt-Bereich, wo wir T-Shirts mit ganz stylischen Designs versehen, die von unseren Leuten entwickelt werden, die früher aus dem Graffiti-Bereich kamen - da halt eine ganz große Verbindung zu künstlerischen Tätigkeiten haben. Dann haben wir den Leschifanten, ein Fabelwesen aus unserer Welt, Kazikistan, das ist ein Kuscheltier und eine Wärmflasche, eine Kreuzung aus den beiden. Und der ist mit Bio-Weizen gefüllt. Den kann man in die Mikrowelle legen und der hält dann eine dreiviertel Stunde warm. Das sind so unsere beiden Zugpferde.

    Die Kaziken sind die Vorzeigeunternehmer aus dem Modellprojekt der IBB geworden. Sechs bis zehn junge Leute, die für ihren Traum auch mal richtig ranklotzen:

    Also es gab dann das funky Thema "Buchhaltung" oder "Liquiditätsplanung". Das sind ja ganz nette Dinge, die man dann als Gründer auf einmal mit etwas mehr Ernsthaftigkeit betrachten muss oder zum ersten Mal eigentlich betrachtet.

    Da war es dann schon unangenehm, wenn man dann sieht, in einem halben Jahr haben wir ein Liquiditätsloch von 13000 Euro zu erwarten, wie werden wir das füllen? Da mussten Aufträge rangeschafft werden. Wir haben eine zeitlang über den Bereich Super-Design im Haus Grafikaufträge angeboten. Darüber haben wir dann auch viele Gelder generiert.


    So schnell wie sie gedacht haben, ist es dann zwar alles nicht gegangen, so Jakob Seidel. Doch ihr Unternehmen entwickle sich gut.

    Was haben wir umgesetzt? In Zahlen? Also ich kann es ja mal in Leschis ausdrücken. Wir haben angefangen mit 300 Leschis im ersten Jahr, die wir dann selber so unter der Hand auf Weihnachtsmärkten und allen möglichen verkauft haben. Ein Leschi kostet 15 Euro. Und im zweiten Jahr haben wir 8000 Leschis verkauft. Und im letzten Jahr 2004, waren es ca. 15.000. Das ganze hat sich deshalb so stark vermehrt, weil wir vor anderthalb Jahren das erste Mal auf einer Messe waren, auf der "Tendenz Lifestyle Messe" in Frankfurt.

    Die Modellunternehmer mit der "funky" Buchhaltung haben noch viel vor. Sie wollen der größte Arbeitgeber in Berlin-Kreuzberg werden. Eines haben die Kaziken aber jetzt schon erreicht: dass Kreditgeber wie die IBB genauer über ihre Vergabepraxis nachdenken.

    Mikrofinanzierung fordert neue Konzepte. Entscheidend für Erfolg oder Misserfolg eines Projektes sind nicht standardisierte betriebswirtschaftliche Modelle. Entscheidend sind die Menschen, die einen Neustart wagen wollen. Falk Zientz, vom Deutschen Mikrofinanzinstitut:

    Der Charakter von einem Personalkredit wird an dem Beispiel der Kaziks deutlich. Die Grundidee, dass ein paar junge Leute zusammen Kunst und Events machen, das kann jeder erzählen, das kann man auch auf Papier lang und ausführlich schreiben.

    Dass die jungen Leute das wirklich hingekriegt haben, das einzuschätzen. Das bedarf einer gewissen Vorbereitung. Das bedarf einiger Gespräche und vielleicht auch erster Versuche, wo der Mikrofinanzierer eine erste Wahrnehmung bekommt, kann man das denen zutrauen. Und das kann eine Bank nicht leisten bei so einem Kreditvolumen.


    Gründerzentren und das Deutsche Mikrofinanzinstitut wollen deshalb gemeinsam neue Mechanismen der Kreditvergabe aufbauen: Zum Beispiel Beratung, Begleitung und Kreditkontrolle in einer Hand. Ausgewählte Existenzgründungszentren sollen zusätzlich die Kreditvergabe und -überwachung übernehmen. Norbert Kunz ist Vorstand eines Trägervereins mehrerer Existenzgründungszentren:

    Ja also die erste Erfahrung war, dass die Kreditverfolgung ein zentrales Element ist, dass wir uns genauso verhalten mussten, wie sich klassischerweise Banken verhalten. Das heißt, wenn eine Tilgungsrate ausgefallen ist und eine Zinsrate ausgefallen ist, sofort darüber zu informieren und sofort die jungen Gründer auch zu mahnen. Und seit wir dieses Verfahren auch stringent verfolgen, ganz enge Kreditverfolgung betreiben, ganz enges Kreditmonitoring betreiben, liegen unsere Ausfallquoten unterhalb von zehn Prozent.

    Finanziert wird die neue Initiative bislang über den Mikrofinanzfonds der GLS-Gemeinschaftsbank. Für Christine Scheel, die Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestages und gleichzeitig Schirmherrin des GLS-Mikrofinanzfonds, könnten die ersten Versuche der Kleinkreditvergabe wegweisend werden für ein neues System der Mikrofinanzierung in Deutschland:

    Es sind Modellprojekte, wenn man so will. Und man wird natürlich auch Erfahrungen sammeln. Und man muss auch Vorurteilen entgegentreten, die da heißen: na ja 60 bis 70 Prozent, die Geld brauchen, die bekommen das irgendwoher. Und die, die kein Geld bekommen: da gibt es schon gute Gründe dafür. So einfach kann man es sich nicht machen, finde ich. Denn es gibt doch durchaus berechtigte Fälle, wo man sagen kann: Man hat kein Verständnis dafür, dass keine Kredite vergeben werden.

    Doch die neuen Konzepte sind nicht unumstritten. Kritisiert wird vor allem, dass sie nicht langfristig tragfähig sind. Dass sie subventioniert werden müssen. Einer dieser Kritiker ist der Wirtschaftsprofessor Manfred Nitsch. Er hat sich seit Jahren mit Mikrofinanzierung beschäftigt:

    Die Fraktion und die Leute, die sagen: Wir müssen unterhalb des Marktzinses eigentlich operieren, gehen meist von einer integrierten Förderung aus, so dass der Kredit da eingebaut ist in eine Gesamtförderung. Ok, fein, aber nennen Sie das nicht Mikrokredit oder Mikrofinanzen, sondern eigentlich ein Gesamtförderkonzept, das relativ teuer ist, immer nur für relativ wenige gilt und auch nicht sich selber trägt.

    Wenn Sie dagegen auf die andere Seite des Marktzinses gehen mit höheren Zinsen bei den Krediten, dann sind Sie in dem Bereich, in dem es eine Minimallösung gibt. Das ist eine Bank und weiter nichts.


    Dem entgegnen die Befürworter, dass mit geförderten Mikrokrediten auch neue Arbeitsplätze entstehen. Also seien die Subventionen gerechtfertigt. Falk Zientz vom Deutschen Mikrofinanzinstitut:

    Für Arbeitsplätze, die aus ABM entstehen, werden in etwa eine halbe Million Steuergelder aufgewendet. Wenn Industrieansiedlungen finanziert werden, gibt es Subventionen in der ähnlichen Größenordnung oft. Durch Mikrofinanzierungen kann eine Kleinstgründung mit etwa 5000 oder auch 10000 Euro stattfinden. Dadurch entstehen weitere Arbeitsplätze, so dass Mikrofinanzierung für den Steuerzahler so ziemlich die günstigste Version zur Schaffung von Arbeit sind.

    Der Streit über den richtigen Weg der Mikrofinanzierung ist noch nicht beendet. Klar ist nur, dass auch in Deutschland Mikrokredite für Kleinunternehmer und Existenzgründer gebraucht werden. Einige Banken haben das bereits erkannt und wollen diesen Markt für sich erschließen. Thomas Dankwart von der IBB:

    Die Volksbank hat in einem Pilotprojekt - was in dieser Form, glaube ich, sogar einzigartig in Deutschland ist - Kreditvergabe bis 30000 Euro an Existenzgründer mit einer Restkreditversicherung gekoppelt, um ein Ausfallrisiko auch für den Betroffenen abzudecken. Weil es ja nicht nur darum geht, dass die Bank ihre ganz persönlichen Risiken da minimieren will. Sondern es geht ja auch darum, dass man den einen oder anderen mal vor seinem persönlichen Unglück bewahren muss.

    Auch die Investitionsbank Berlin hat nach ihren Erfahrungen mit dem EU-Modellprojekt die Produktpalette erweitert um spezielle Angebote für Kleinunternehmer. Thomas Dankwart:

    Also kurz vor der Markteinführung steht ein neues Programm, der so genannte KMU-Fonds, der sich jetzt an Unternehmen wendet, die schon da sind. Also das ist ausgesprochen ein Programm, dass sich an Unternehmen richtet, die eigentlich vor einer nächsten Wachstumsphase stehen. Das geht los vom ersten Euro bis zu einer Million in der Regel.

    Die Kleinkredite der IBB sollen zu Marktzinsen je nach Risikoklasse vergeben werden. Also nach ganz traditionellen Bankkriterien. Welche Konzepte auch immer sich in Zukunft bewähren werden. Unbestritten bleibt, dass die Mikrofinanzierung ein wirksames Mittel sein kann, um Armut oder Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dies bewusst zu machen, das ist die Absicht des UN-Jahres für Mikrokredite.