Der Herr der Schöpfung ist eine Dame und sieht wie Goethe aus. Mit einem Glöckchen klingelt der Schöpfer in Senftenberg den Prolog im Himmel ein, aus dem heraus die Musikgruppe Wallahalla mit angeschlagertem Rock-Pop die Parts der Erzengel liefert.
Von seinem Theatersitz aus begibt sich Faust auf die Bühne: Ein kleines, leeres Podest in der Mitte der Zuschauer, die im Mittelpunkt der Geschichte und der Welt stehen. In Senftenberg ist Faust zunächst ein langhaarig ergrauter, in die Jahre gekommener, erfolglos räsonierender Intellektueller, der den Pakt mit einem ebenfalls bereits älteren und deshalb eher gelassenen Mephisto weniger mit Leidenschaft als mit genervter Traurigkeit und brutaler Eindeutigkeit abschließt. Zwei Männer ergreifen hier ihre letzte Chance.
Dieser "Faust 1" läuft in wenig mehr als zwei pausenlosen Stunden in komprimierter Deutlichkeit und ohne zwanghafte Aktualisierungen ab. Ein Chor erhebt sich aus dem Publikum für die Volksszenen und –stimmen, und für "Auerbachs Keller" wird das Spielpodest zu einem von lustigen Gesellen als prollige Typen in Trainingsanzügen umringten Tisch, die Mephisto mit einem angerappten "Lied vom Floh" in Stimmung bringt. Regisseur Sewan Latchinian wartet nicht mit einer besonderen oder zwanghaft originellen Interpretation auf, sondern er erzählt mit klaren Theaterzeichen und sehr direktem Spiel einfach die Geschichte. So beschäftigt sich Gretchen, wenn ihre Ruh hin ist, recht körperlich mit dem Kruzifix im Bett, und Faust steigt aus einer Bodenluke zu Gretchen unter die Bettdecke zum vom Liebesspiel geprägten Gespräch über die Religion.
Auf seinem suchenden Weg vom verzweifelten Intellektuellen zum gescheiterten Unternehmer wird Faust von vier verschiedenen Darstellern gespielt. Auch Mephisto verjüngt oder verändert sich durch neue Besetzungen, bis am Schluß die beiden ersten Darsteller ihre Rollen getauscht haben, der erste Faust also den letzten Mephisto spielt. Dies ist nicht nur ein ensemblepolitischer Coup bei einem kleinen Ensemble, bei dem jeder mehrere Rollen spielen muss und für das zu Volks- und Statistenrollen Laiengruppen aller Altersstufen eingesetzt werden: nein, all dies besitzt künstlerische Überzeugungskraft und interpretatorische Stimmigkeit.
Nach einer längeren Pause bei gastronomischem Angebot in einem Festzelt und versehen mit Reiseproviant, geht das Publikum für "Faust 2" mit diesem auf eine Reise in die "große Welt". Mit Bussen macht sich das Publikum auf eine Stationenreise durch das kleine Senftenberg, - dieser Theaterabend dauert von 17 Uhr bis fast bis drei Uhr morgens. Zunächst schaut das Publikum Im gläsernen Innenhof einer modernen Sparkasse wie Aktionäre von langen Holzbänken Faust bei der Erfindung des Papiergeldes zu, und der Mummenschanz des ersten Aktes wird hier zum Karnevalsumzug mit Lametta und Kamelle. Der zweite Akt findet in der Fachhochschule Lausitz statt: in einem steil aufsteigenden Hörsaal schaut man der Schaffung von Homunculus zu und bekommt die klassische Walpurgisnacht und das Fabelreich der hellenischen Sagen in professoralen Vorträgen mit Overhead-Projektor-Bildern und Goethe-Interpretationen geboten.
Fausts Gang zu den Müttern und die Begegnung mit Paris und Helena ist dann ein derbes Puppenspiel. All das ergibt einen ungemein witzigen wie überzeugenden, vor allem aber für alle verständlichen stimmigen 2. Akt. Dramaturgisch und szenisch ist dies brillant. Anschließend wird die mit ihrem Koffertrolly aus Troja zurückkehrende Helena von Phorkyas alias Mephisto vor dem Tor des Senftenberger Schlosses erwartet und von diesem in den Innenhof zu Faust getrieben, wo das Paar auf schmaler Bretterbühne zueinander findet und dann wegen des Todes ihres Kindes scheitert.
In einer riesigen, vor sich hin rostenden Industriehalle finden schließlich Fausts Tod und der Countdown statt. Es ist ein Raum, der phantastische szenische Wirkungen bietet und tolle Effekte erlaubt. Der Türmer, zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt, sitzt mit seinem Kaffee unter einem Pinup-Poster in der Kabine eines Krans, Sorge, Mangel und Schuld sind überdimensionale Schatten hinter den Hallenfenstern, und nachdem am einen Ende der langen Halle das komische Altenpaar den als klischeehafte Kampfmaschinen daherdröhnenden drei gewaltigen Gesellen zum Opfer gefallen ist, geraten vor dem Höllenschlund am anderen Hallenende Teufel und Engel in einem großen Musicalfinale aneinander.
Nicht jede Szene dieser viele Stile und Formen einsetzenden, so phantasievollen wie vor allem auch organisatorisch überwältigend gelungenen Inszenierung überzeugt gleichermaßen. Zuweilen wirkt der aus dem Überlebenskampf eines kleinen Stadttheaters geborene Zwang zum Event denn doch zu übermächtig und versimpelt einige Passagen. Doch insgesamt begeistert dieses Faust-Spektakel nicht nur inszenatorisch, sondern vor allem auch schauspielerisch weitgehend.
Und: Es stellt auch ein gelungenes Beispiel dafür dar, wie sich ein kleines Theater seinem Publikum und seiner Region zu öffnen vermag. Am Schluß gab es erschöpften Jubel: Die nächsten drei der weiteren sechs Spektakeltermine sind bereits ausverkauft.
Von seinem Theatersitz aus begibt sich Faust auf die Bühne: Ein kleines, leeres Podest in der Mitte der Zuschauer, die im Mittelpunkt der Geschichte und der Welt stehen. In Senftenberg ist Faust zunächst ein langhaarig ergrauter, in die Jahre gekommener, erfolglos räsonierender Intellektueller, der den Pakt mit einem ebenfalls bereits älteren und deshalb eher gelassenen Mephisto weniger mit Leidenschaft als mit genervter Traurigkeit und brutaler Eindeutigkeit abschließt. Zwei Männer ergreifen hier ihre letzte Chance.
Dieser "Faust 1" läuft in wenig mehr als zwei pausenlosen Stunden in komprimierter Deutlichkeit und ohne zwanghafte Aktualisierungen ab. Ein Chor erhebt sich aus dem Publikum für die Volksszenen und –stimmen, und für "Auerbachs Keller" wird das Spielpodest zu einem von lustigen Gesellen als prollige Typen in Trainingsanzügen umringten Tisch, die Mephisto mit einem angerappten "Lied vom Floh" in Stimmung bringt. Regisseur Sewan Latchinian wartet nicht mit einer besonderen oder zwanghaft originellen Interpretation auf, sondern er erzählt mit klaren Theaterzeichen und sehr direktem Spiel einfach die Geschichte. So beschäftigt sich Gretchen, wenn ihre Ruh hin ist, recht körperlich mit dem Kruzifix im Bett, und Faust steigt aus einer Bodenluke zu Gretchen unter die Bettdecke zum vom Liebesspiel geprägten Gespräch über die Religion.
Auf seinem suchenden Weg vom verzweifelten Intellektuellen zum gescheiterten Unternehmer wird Faust von vier verschiedenen Darstellern gespielt. Auch Mephisto verjüngt oder verändert sich durch neue Besetzungen, bis am Schluß die beiden ersten Darsteller ihre Rollen getauscht haben, der erste Faust also den letzten Mephisto spielt. Dies ist nicht nur ein ensemblepolitischer Coup bei einem kleinen Ensemble, bei dem jeder mehrere Rollen spielen muss und für das zu Volks- und Statistenrollen Laiengruppen aller Altersstufen eingesetzt werden: nein, all dies besitzt künstlerische Überzeugungskraft und interpretatorische Stimmigkeit.
Nach einer längeren Pause bei gastronomischem Angebot in einem Festzelt und versehen mit Reiseproviant, geht das Publikum für "Faust 2" mit diesem auf eine Reise in die "große Welt". Mit Bussen macht sich das Publikum auf eine Stationenreise durch das kleine Senftenberg, - dieser Theaterabend dauert von 17 Uhr bis fast bis drei Uhr morgens. Zunächst schaut das Publikum Im gläsernen Innenhof einer modernen Sparkasse wie Aktionäre von langen Holzbänken Faust bei der Erfindung des Papiergeldes zu, und der Mummenschanz des ersten Aktes wird hier zum Karnevalsumzug mit Lametta und Kamelle. Der zweite Akt findet in der Fachhochschule Lausitz statt: in einem steil aufsteigenden Hörsaal schaut man der Schaffung von Homunculus zu und bekommt die klassische Walpurgisnacht und das Fabelreich der hellenischen Sagen in professoralen Vorträgen mit Overhead-Projektor-Bildern und Goethe-Interpretationen geboten.
Fausts Gang zu den Müttern und die Begegnung mit Paris und Helena ist dann ein derbes Puppenspiel. All das ergibt einen ungemein witzigen wie überzeugenden, vor allem aber für alle verständlichen stimmigen 2. Akt. Dramaturgisch und szenisch ist dies brillant. Anschließend wird die mit ihrem Koffertrolly aus Troja zurückkehrende Helena von Phorkyas alias Mephisto vor dem Tor des Senftenberger Schlosses erwartet und von diesem in den Innenhof zu Faust getrieben, wo das Paar auf schmaler Bretterbühne zueinander findet und dann wegen des Todes ihres Kindes scheitert.
In einer riesigen, vor sich hin rostenden Industriehalle finden schließlich Fausts Tod und der Countdown statt. Es ist ein Raum, der phantastische szenische Wirkungen bietet und tolle Effekte erlaubt. Der Türmer, zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt, sitzt mit seinem Kaffee unter einem Pinup-Poster in der Kabine eines Krans, Sorge, Mangel und Schuld sind überdimensionale Schatten hinter den Hallenfenstern, und nachdem am einen Ende der langen Halle das komische Altenpaar den als klischeehafte Kampfmaschinen daherdröhnenden drei gewaltigen Gesellen zum Opfer gefallen ist, geraten vor dem Höllenschlund am anderen Hallenende Teufel und Engel in einem großen Musicalfinale aneinander.
Nicht jede Szene dieser viele Stile und Formen einsetzenden, so phantasievollen wie vor allem auch organisatorisch überwältigend gelungenen Inszenierung überzeugt gleichermaßen. Zuweilen wirkt der aus dem Überlebenskampf eines kleinen Stadttheaters geborene Zwang zum Event denn doch zu übermächtig und versimpelt einige Passagen. Doch insgesamt begeistert dieses Faust-Spektakel nicht nur inszenatorisch, sondern vor allem auch schauspielerisch weitgehend.
Und: Es stellt auch ein gelungenes Beispiel dafür dar, wie sich ein kleines Theater seinem Publikum und seiner Region zu öffnen vermag. Am Schluß gab es erschöpften Jubel: Die nächsten drei der weiteren sechs Spektakeltermine sind bereits ausverkauft.