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Grün-Rot diskutiert über Familienzuschlag in Baden-Württemberg

Baden-Württemberg streitet darüber, ob und vor allem ab wann homosexuelle Beamte, die in einer festen Partnerschaft leben, auch den Familienzuschlag bekommen dürfen. Bislang bekommen sie nichts. Das soll sich jetzt ändern, doch es geht auch um viel Geld aus der Landeskasse.

Von Michael Brandt |
    Thomas Linse ist Lehrer und er ist homosexuell. Seit 2001 lebt er in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit - wie er sagt- seinem Mann. Er sei, sagt er, ein politischer Mensch. Und das bedeutet für ihn insbesondere, sich für die Rechte der Minderheit, der er angehört, einzusetzen.

    "Es ist so, dass ich durch die Lebenspartnerschaft Pflichten übernommen habe, die sich nicht unterscheiden von Mann und Frau, die ne Ehe eingehen. Und von daher ist es gerecht und so haben es auch die Gerichte festgestellt, dass auch die Rechte gleich sein müssen."

    Konkret geht es ihm um den Familienzuschlag. Der steht ihm als in eingetragener Lebenspartnerschaft lebendem Beamten des Landes Baden-Württemberg eigentlich zu. Bislang aber erhält er ihn nicht. Dagegen hat er vor dem Verwaltungsgericht geklagt.

    Die rechtliche Situation ist so: Im Jahr 2003 hat die Europäische Union eine Richtlinie verabschiedet, nach der es keine Diskriminierung von Homosexuellen beim Arbeitsentgelt geben darf. Und im Jahr 2009 gab es ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Einige Bundesländer haben seitdem die Bezahlung der Beamten angepasst, andere – wie Baden-Württemberg - noch nicht. Möglich sind diese Unterschiede, weil ein letztinstanzliches Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über den Familienzuschlag noch aussteht. Die grün-rote Landesregierung in Stuttgart will dennoch ein Signal setzen und den Familienzuschlag bezahlen. Die Regelung soll in das neue Besoldungsgesetz eingearbeitet werden, an dem gerade gearbeitet wird. Andreas Stoch, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion:

    "Die Position der SPD Fraktion ist klar: Wir haben für die Zukunft eine Neuregelung geschaffen, die de Betroffenen nicht mehr das Gefühl gibt Menschen zweiter Klasse zu sein."

    Grundsätzlich sehen das auch die Grünen so. Doch wenn es um die Feinheiten geht, gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen den Koalitionspartnern. Es geht um die Frage der Rückwirkung. Denn die Antidiskriminierungsrichtlinie ist seit 2003 geltendes Recht, nur hat sie einfach niemand umgesetzt. Die Grünen wollen daher eine rückwirkende Erstattung ab diesem Zeitpunkt, sagt die Landtagsabgeordnete Brigitte Lösch:

    "Die grüne Fraktion hat sich einstimmig für eine Rückwirkung der landesrechtlichen Gleichstellung für eingetragene Lebenspartnerschaften bei Beamten im öffentlichen Dienstrecht ab 1. März 2003 ausgesprochen."

    Die SPD hingegen sagt, Rückwirkung nur bis 2009, ab dem Zeitpunkt als das Bundesverfassungsgericht eindeutig festgestellt hat, dass die Richtlinie auch hier gilt.

    "Aus unserer Sicht ist das so eine markante Stelle, wo höchstrichterlich klar gemacht wurde, dass diese Art von Diskriminierung nicht zu dulden ist. Aus unserer Sicht ist es zwar wünschenswert, aber nicht immer möglich, in der Vergangenheit vertretene politische Fehlentscheidungen zu korrigieren und geschehenes Unrecht wieder gut zu machen."

    Grob geschätzt würde die Nachzahlung ab 2009 einen Betrag von 2 bis 3000 Euro für jeden Betroffenen bedeuten, ab 2003 wären es jedoch deutlich mehr als 10 000 Euro.
    Die Position des kleineren Koalitionspartners SPD, erst ab 2009 zu zahlen, wird von einer wichtigen Organisation im Land gestützt, dem baden-württembergischen Beamtenbund. Dessen Chef Volker Stich erklärt einerseits, dass das Land der Rechtssprechung folgen muss, spricht sich aber andererseits gegen die - wie er sagt - freiwillige Rückzahlung - ab 2003 aus:

    "Ich kann nicht verstehen, dass hier in Teilen dieser Landesregierung überhaupt darüber nachgedacht wird, freiwillig - ohne Aufforderung vorher, ohne ein Verfahren vorher, ohne eine Klage vorher, hier betroffenen Personen rückwirkend etwas nachzuzahlen, worauf sie keinen Anspruch angemeldet haben."

    Ein Argument der SPD für 2009 sind die Kosten. Andreas Stoch beruft sich auf Berechnungen des Finanzministeriums:

    "Nach den dortigen Berechnungen wird das Finanzvolumen, je nachdem ob man eine Rückwirkung bis 2003 oder 2009 nimmt, eine Mehrbelastung von mehr als 6 Millionen Euro sein."

    Brigitte Lösch von den Grünen widerspricht. Ihre Fraktion geht von einem deutlich geringeren Betrag aus - selbst bei einer Rückwirkung ab 2003. Dafür sprächen die Zahlen des Landesamtes für Besoldung:

    "Wir haben im Augenblick 204 Beamte die in Lebenspartnerschaften leben, 2003 waren es genau 35. Wenn man das hochrechnet, kommt man auf 1,2 Millionen, die die Rückwirkung ab 2003 kostet."

    Volker Stich vom Beamtenbund befürchtet, dass ein solcher Betrag schwer zu vermitteln wäre:

    "Das Geld fehlt an anderer Stelle. Ich denke, das würde Unfrieden in die Beamtenschaft bringen und auch in die gesamte Gesellschaft. Insofern halte ich davon gar nichts und warne die Landesregierung, so weit zurückzugreifen."

    Thomas Linses Position zu dem Koalitionsstreit ist unterdessen eindeutig. Die Diskriminierungsrichtlinie gilt seit 2003, also muss das Geld auch ab 2003 gezahlt werden.

    "Wenn da jetzt gesagt wird, dass das Millionen kostet, was man da für die Gleichstellung ausgeben muss so muss man sagen, dass es eben Geld kostet, wenn Menschenrechte versäumt wurden, einzusetzen."

    Die Opposition wiederum spricht von Klientelpolitik der Grünen, die ohnehin nichts anderes täten, als das Geld der Steuerzahler mit vollen Händen aus dem Fenster zu werfen. Grün-rot will den Konflikt demnächst im Koalitionsausschuss lösen.