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Grüne wollen nicht, dass Spanien-Hilfe "in die falschen Kanäle geht"

Mit dem Geld der Steuerzahler dürften nicht die Gläubiger von Spaniens Banken "ausgezahlt" werden, fordert der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick. Dies würde die Staatsschulden viel zu weit aufblähen.

Gerhard Schick im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 17.07.2012
    Tobias Armbrüster: Dutzende von Bundestagsabgeordneten werden sich heute und morgen auf den Weg machen, um rechtzeitig zur Sondersitzung des Bundestages am Donnerstag wieder aus dem Sommerurlaub zurück in Berlin zu sein. Die Abgeordneten werden dann über die Hilfszahlungen an bedürftige spanische Banken entscheiden. Konkret geht es um 100 Milliarden Euro, das Geld kommt aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF. Die Hilfe soll direkt an mehrere spanische Banken fließen, das haben die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem letzten Gipfeltreffen in Brüssel beschlossen. Angela Merkel wurde dafür anschließend heftig kritisiert. In Deutschland ist nun eine Debatte darüber entbrannt, wer einspringt, wenn die spanischen Banken diese Hilfszahlungen nicht mehr zurückzahlen können.

    Am Telefon bin ich jetzt mit Gerhard Schick verbunden, er ist der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen, Herr Schick.

    Gerhard Schick: Guten Morgen!

    Armbrüster: Herr Schick, werden die Grünen der Bundeskanzlerin am Donnerstag wieder zu einer satten Mehrheit im Bundestag verhelfen?

    Schick: Das haben wir noch nicht entschieden. Wir werden am Donnerstag dazu eine Fraktionssitzung haben vor der Parlamentsentscheidung, und wir haben auch noch eine Reihe von offenen Fragen.

    Armbrüster: Was sind denn das für Fragen?

    Schick: Zum Beispiel ist bisher nicht klar, inwieweit eigentlich die verschiedenen Kapitalgeber spanischer Banken herangezogen werden. Bei so Bankenrettungen kommt es ja immer genau darauf an, wie man sie macht und zu welchen Konditionen, und das entscheidet dann darüber, ob es für den Steuerzahler sehr teuer wird. In diesem Fall ist es zunächst, wie auch dargestellt wurde gerade in dem Beitrag, der spanische Steuerzahler, aber wir sollten uns da nichts vormachen. In dem Maße, wie über den EFSF die anderen europäischen Staaten hier Garantien geben, gehen sie natürlich ein Stück weit auch ins Risiko, wenn Spanien das nicht tragen kann, weil da große Fehler gemacht werden.

    Armbrüster: Aber noch einmal konkret: Sie wollen gerne, dass sich Investoren konkret an dieser Rettung spanischer Banken beteiligen und nicht nur der EFSF?

    Schick: Unser Ziel ist, dass die Bankenrettung so günstig wie möglich für den Steuerzahler wird, und das wird sie nur, wenn man die Investoren so weit wie möglich heranzieht. Das kann gehen und sollte in manchen Fällen gehen bis zu einer Abwicklung der Banken, denn es kann ja nicht das Interesse sein, dass man Steuerzahlergeld nimmt, um damit Gläubiger und andere Investoren, die eigentlich die Verluste tragen müssten, damit auszuzahlen. Diesen Transfer könnte sich der Steuerzahler auch gar nicht leisten, denn die Bankschulden, die es insgesamt gibt, sind einfach viel zu groß dafür, das wäre sehr gefährlich und würde die Staatsschulden viel zu weit aufblähen im Euro-Raum.

    Armbrüster: Aber wie wollen Sie diese Frage denn bis Donnerstag klären mit der Bundeskanzlerin?

    Schick: Es gibt zum einen natürlich konkrete Punkte, wo man fragen muss, was in dem Memorandum of Understanding drin ist. Zum zweiten müssen wir dann bewerten, ob wir die Regelungen für ausreichend finden. Viele Punkte, die jetzt in dem Memorandum aufgeschrieben sind, geben verschiedene Möglichkeiten zur Kenntnis, die man machen könnte, und dann stellt sich natürlich die Frage, wer kontrolliert das eigentlich, gibt es eine effektive Kontrolle, oder geben wir hier eine Art Blankoscheck, bei dem man erst später weiß, was eigentlich rausgekommen ist.

    Es gibt einen zweiten wichtigen Punkt, der mich sehr sorgt. Es wird ein Prozess definiert, der erst im Juni 2013 zu Ende geht, für die Bankenstabilisierung in Spanien. Das wird dazu führen, dass es weitere Monate der Unsicherheit gibt über das Schicksal der einzelnen Banken, und in diesen Monaten werden die Banken sich sehr zurückhalten mit der Kreditvergabe. Das heißt, es ist zu befürchten, dass diese Art der Bankenrettung, die hier vorgenommen wird, der spanischen Wirtschaft noch über Monate hinaus schaden wird. Dabei ist sie jetzt schon in einer sehr, sehr schwierigen Lage.

    Armbrüster: Und nur, um das noch mal festzuhalten, Herr Schick: Es könnte sein, dass die Grünen am Donnerstag mehr oder weniger geschlossen gegen diese Bankenhilfe stimmen?

    Schick: Bisher haben wir dazu keine Entscheidung gefällt, das wird am Donnerstag der Fall sein, das ist also offen.

    Armbrüster: Also diese Option halten Sie sich offen?

    Schick: Ja. Es ist zwar so, dass uns klar ist, Spanien braucht in der gegenwärtigen Situation Hilfe. Die Zinsen sind so stark angestiegen für Spanien, sie sind ja wieder etwa bei sieben Prozent, dass Spanien die Kosten seiner Bankenrettung allein kaum wird tragen können. Und trotzdem muss man sich mit den ganz konkreten Konditionen dieser Bankenrettung beschäftigen. Meine Erfahrung aus der Bankenrettung in Deutschland ist, dass man sehr genau aufpassen muss, dass das Geld hier nicht in die falschen Hände und die falschen Kanäle geht, wenn der Steuerzahler einspringt. Und die Erfahrung aus Irland ist, dass, wenn Fehler bei der Bankenrettung gemacht werden, das einen Staat in massive Schwierigkeiten bringen kann, so dass er dann europäische Hilfe in großem Umfang braucht. Und deswegen ist es wichtig, hier jetzt genau auf die einzelnen Bedingungen zu achten.

    Armbrüster: Und, Herr Schick, wir haben es gerade von der Kollegin Doris Simon gehört: es könnte sein, dass, genau um diesen Fall zu vermeiden, künftig der ESM die Haftung für Hilfszahlungen an Banken übernehmen würde, also nicht mehr der Staat, sondern der permanente Rettungsschirm. Würden die Grünen bei so einer Regelung mitmachen?

    Schick: Es ist richtig, dass der Teufelskreis durchbrochen werden muss zwischen den Banken und dem Staatenrisiko, und da kann eine direkte Kapitalisierung der Banken durch den ESM tatsächlich ein Baustein sein. Aber eigentlich: Was wir brauchen, ist eine europäische Rechtsgrundlage für die Restrukturierung von Banken und einen europäischen Restrukturierungsfonds, bei dem die Banken mit einer Umlage dafür aufkommen. So ist das in den USA geregelt, dass über eine Bankenumlage ein Fonds aufgebaut wird, bei dem die Bankenrettung stattfindet. So ist in den USA in diesem Jahr schon die Rettung, Stabilisierung oder Abwicklung von 31 Regionalbanken gelungen, ohne dass der Steuerzahler einspringen muss, und das muss ja genau das Ziel sein und da haben die europäischen Staaten bisher noch nicht die entscheidenden Voraussetzungen geschaffen. Das ist jetzt das wichtigste, was sichergestellt werden muss.

    Armbrüster: Ja, Herr Schick, so könnte eine schöne, rosige europäische Bankenzukunft aussehen. Aber Sie und Ihre Politikerkollegen in ganz Europa müssen sich nun erst mal mit dem Status quo herumschlagen und der Frage, wie man in den kommenden Monaten die Banken retten kann. Deshalb noch mal die Frage: Haftung beim ESM, ist das eine Sache, bei der die Grünen mitmachen würden?

    Schick: Da wird man sich genau wie in dem jetzigen Fall die entscheidenden Bedingungen anschauen müssen. Aber grundsätzlich ist das nicht eine Frage, wie ich gerade gesagt habe, die nur für die Zukunft gilt, sondern es ist doch genau die Frage: Haben wir ein Restrukturierungsrecht in Europa, was es erlaubt, Banken kostengünstig abzuwickeln? Oder machen wir weiter eine Bankenrettung in Europa, die viel zu teuer ist und den Steuerzahler zu stark belastet? Das sind genau die Vorschläge der EU-Kommission, die jetzt in der Schublade liegen und die über zwei Jahre verzögert wurden. Wenn wir diese Rechtsgrundlage schon hätten, könnte die Bankenrettung billiger sein, und deswegen muss das auch zügig jetzt vorangetrieben werden.

    Armbrüster: Herr Schick, Angela Merkel sagt, die Bundestagswahl 2013 wird zu einer Abstimmung über Europa. Sehen die Grünen das genauso?

    Schick: Ich denke, dass das so sein wird, und wir Grünen werden als klar pro-europäische Kraft in diesen Wahlkampf gehen, aber auch darauf achten, dass eben es eine wirkliche Solidarität gibt. Schauen Sie: In Spanien ist es ja auch so, dass es viel privates Vermögen gibt, und die Frage ist, wer trägt eigentlich die Lasten dieser Krise. Unser Vorschlag ist, dass über eine Vermögensabgabe die Lasten der Krise, zum Beispiel auch der Bankenrettung getragen wird, damit nicht die Menschen mit den kleinen Einkommen nachher dafür haften müssen, dass hier Vermögen in der Finanzkrise geschützt werden. Es ist einfach wichtig, dass man in Europa dafür sorgt, dass es auch fair zugeht.

    Armbrüster: Gerhard Schick war das, der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Deutschen Bundestag. Besten Dank, Herr Schick, für das Gespräch.

    Schick: Ja, vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Gerhard Schick, Mitglied im Parteirat von Bündnis 90/Die Grünen
    Gerhard Schick (picture alliance / dpa)