Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


Gustav Adolf Horn: Höhere Löhne könnten Binnennachfrage stabilisieren

Gustav Adolf Horn, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf, hält eine Stärkung der Binnenwirtschaft für das probateste Mittel, einen Konjunkturabschwung zu vermeiden. Ursache für die Krise seien nicht übersteigerte Lohnforderungen der letzten Jahre - im Gegenteil, so Horn.

Gustav Adolf Horn im Gespräch mit Christoph Heinemann | 28.10.2008
    Christoph Heinemann: Die EU-Kommission - Sie haben es eben in den Nachrichten gehört - hat das Rettungspaket der Bundesregierung für die Banken in Deutschland gebilligt. Zur Erinnerung: rund 500 Milliarden Euro. Mit den vorgesehenen Hilfen für die Banken in der Finanzkrise könne einer schweren Störung der deutschen Wirtschaft begegnet werden, ohne dass der Wettbewerb beschränkt werde, heißt es zur Begründung. Das Rettungspaket stehe in Einklang mit dem EU-Beihilferecht.
    Die Finanzkrise hat auch in der Wirtschaft einiges durcheinander geschüttelt. Forderten bisher die Gewerkschaften staatliche Konjunkturprogramme (von Kritikern als Strohfeuer beschrieben), wirbt nun die Industrie um die Hilfestellung der öffentlichen Hände. Jüngstes Beispiel der Verband der Automobilindustrie und die Regierung ermahnt inzwischen mit Blick aufs Thermometer die Energieversorger.
    Am Telefon ist Gustav Adolf Horn, der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf. Guten Tag!

    Gustav Adolf Horn: Guten Tag!

    Heinemann: Herr Horn, nehmen wir einen Aspekt heraus. Sollte der Autokauf jetzt subventioniert werden?

    Horn: Richtig ist ja, dass die Forderung nach einem Konjunkturprogramm erhoben wird, in erfreulicher Breite mittlerweile auch, denn es ist tatsächlich nötig. Ludwig Stiegler hat völlig Recht. Wenn Finanzmarktkrise und Konjunkturkrise aufeinandertreffen, verstärken sie sich wechselseitig, und deshalb muss man etwas tun.
    Ich würde aber vorschlagen, dass man ein gesamtwirtschaftlich orientiertes Konjunkturprogramm macht, das sich auf die gesamte Binnenwirtschaft erstreckt. Das würde auch sicherlich den Autokauf tatsächlich leichter machen. Wenn wir den Menschen genügend Geld geben, dann werden sie sicherlich auch tendenziell leichter Autos kaufen können. Aber ein gezieltes sektorales Programm halte ich für nicht so sinnvoll. Das wirft auch nur immer neue Begehrlichkeiten auf und nachher versickert das Geld in Kanälen, wo es nicht versickern sollte.

    Heinemann: Dennoch halten die Leute ihr Geld im Moment zusammen. Die Deutschen sparen rekordverdächtig. Wie kann man sie animieren, größere Ausgaben wie einen Autokauf zum Beispiel zu tätigen?

    Horn: Indem man zum Beispiel die Arbeitsplatzsicherheit erhöht. Selbstverständlich halten die Leute auch deshalb ihr Geld zusammen, weil sie Sorgen um die Zukunft haben. Wir nennen das ja ein Angstsparen, das am Beginn einer jeden Konjunkturkrise leider zu beobachten ist, so auch in dieser. Deshalb muss der Staat tatsächlich etwas tun, um die Binnennachfrage zu fördern, damit dieses Angstsparen auch wieder aufhört, dass die Menschen wieder Vertrauen in die Zukunft schöpfen. Dann sind sie auch bereit, Geld auszugeben.

    Heinemann: Andererseits sagt zum Beispiel die CSU, Steuersenkungen seien besser. Steuersenkung, das klingt nach Cash.

    Horn: Das klingt nach Cash, aber dieses Mittel hat eine sehr, sehr große Streuwirkung, denn Steuersenkungen kommen vor allen Dingen Menschen mit hohen Einkommen zugute, die auch vorher viel Steuern gezahlt haben. Menschen mit niedrigen Einkommen, die eventuell gar keine Steuern gezahlt haben, kommt es überhaupt nicht zugute. Menschen mit hohem Einkommen neigen aber zu besonders hoher Spartätigkeit. Sie brauchen das Geld ja nicht auszugeben. Das heißt, ein Großteil dieser Steuersenkung wird einfach versickern. Deshalb halte ich von diesem Instrument recht wenig.

    Heinemann: Deklinieren wir weiter. Es gibt noch den Vorschlag eines Vorziehens der steuerlichen Absetzbarkeit der Krankenversicherungskosten auf das kommende Jahr. Das klingt ein bisschen nach Ärmelschoner.

    Horn: Auch dieses Programm hat die gleichen Bedenken wie das Steuersenkungsprogramm, vielleicht mit einer etwas besseren Verteilungswirkung, weil ja auch Niedrigeinkommensbezieher tatsächlich Krankenkassenbeiträge leisten müssen. Aber auch hier ist der Versickerungseffekt relativ groß und es erfüllt auch deshalb nicht die Voraussetzungen eines Konjunkturprogramms, weil Konjunkturprogramme sollten zeitlich begrenzt sein, um Dinge tatsächlich sofort in Angriff zu nehmen, und nicht Dinge, die man strukturell sowieso längerfristig machen möchte.

    Heinemann: Können Sie ein Beispiel nennen, Herr Horn, für ein Konjunkturprogramm, das je gewirkt hätte?

    Horn: Zum Beispiel, wenn man jetzt für begrenzte Zeit die öffentliche Infrastruktur auf Vordermann bringt. Wenn die öffentliche Hand sagen würde, im kommenden Jahr fangen wir an mit einer Gebäudesanierung (von Schulen, Universitäten und sonstigen öffentlichen Gebäuden) und das machen wir begrenzt auf das nächste Jahr, ziehen Ausgaben, die wir vielleicht im übernächsten Jahr hätten machen wollen, vor, damit werden tatsächlich meist lokale Handwerksbetriebe beschäftigt, das stabilisiert die Beschäftigung, schafft Kaufkraft und stimuliert die Konjunktur.

    Heinemann: Und wer soll das bezahlen?

    Horn: Das muss die öffentliche Hand bezahlen und es ist auch nicht falsch, sondern genau richtig, für ein solches zeitlich begrenztes Konjunkturprogramm Kredite aufzunehmen, denn die Haushaltslage würde sich im Konjunkturabschwung sowieso unglaublich verschlechtern. Und wenn man nichts tut, dauert es einfach nur länger.

    Heinemann: Während allerdings höhere Schulden normalerweise Steuererhöhungen bedeuten?

    Horn: Nein. Nicht normalerweise, sondern höhere Schulden sollten dann wieder abgetragen werden, wenn der Konjunkturaufschwung einsetzt. Und wie gut das passieren kann, das haben wir ja gerade in den letzten Jahren erlebt. Noch 2005 sah die Haushaltslage katastrophal aus und binnen zwei Jahren ist der Staatshaushalt als ganzes tatsächlich konsolidiert worden.

    Heinemann: Wie passen in diesen Gesamtzusammenhang Lohnforderungen von acht Prozent?

    Horn: Sie passen in diesen Zusammenhang insofern hinein, als ja die Ursache dieser Krise nicht eine übersteigerte Lohnentwicklung im Inland ist. Im Gegenteil! Wir haben eine ganz schwache Binnennachfrage. Umgekehrt haben die Exportindustrien in den vergangenen Jahren unglaublich viel Geld verdient. Insofern ist es auch ein Ausdruck der Leistungsgerechtigkeit, dass die Arbeitnehmer in diesen Branchen etwas mehr bekommen, und das stabilisiert gleichzeitig die Binnennachfrage, was wir in der gegenwärtigen Situation dringendst brauchen.

    Heinemann: Aber was Sie zusammen gefordert haben, also hohe Lohnforderung, Arbeitsplatzsicherung, dann ein Staat, der sich weiter verschulden sollte, das engt doch Handlungsspielräume für die Zukunft sowohl für die Unternehmen als auch für den Staat stark ein?

    Horn: Nein, nicht notwendigerweise. Wenn tatsächlich die Binnennachfrage sich stabilisiert, dann hilft das ja auch der Industrie, ihren Absatz und damit ihre Gewinne wieder zu erhöhen. Und der Staat muss allerdings im Konjunkturaufschwung sich zurücknehmen. Das hat er im letzten Konjunkturaufschwung ja auch getan und so auch den Haushalt konsolidiert. Schädlich wäre es, wenn er tatsächlich die Konjunkturprogramme auf unbegrenzte Zeit fahren würde. Dann würde die Verschuldung immer weiter steigen. Das ist aber nicht das, was wir empfehlen.

    Heinemann: Gustav Adolf Horn, der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Horn: Gerne geschehen. Auf Wiederhören!