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Gut gerüstet für das Jahresgespräch

Helga Krausser-Raether rät dem Arbeitnehmer, im Jahresgespräch offensiv mit Schwierigkeiten umzugehen. Ein solches Mitarbeitergespräch diene vor allen Dingen dazu, Konflikte anzusprechen und aus dem Weg zu räumen.

Helga Krausser-Raether im Gespräch mit Regina Brinkmann |
    Regina Brinkmann: Dem einen oder anderen könnte an diesem ersten Arbeitstag im neuen Jahr vielleicht etwas mulmig zumute sein. Der Termin für das Jahresgespräch mit dem Chef steht vielleicht sogar heute oder auch in den nächsten Tagen an. Und da geht es schon darum, eine gute Figur zu machen, auch wenn vielleicht im letzten Arbeitsjahr nicht alles rund gelaufen ist und schon weitere Projekte in der Warteschleife hängen. Frage an die Karriereberaterin Helga Krausser-Raether: Wie sieht eine gute Vorbereitung auf ein Jahresgespräch aus?

    Helga Krausser-Raether: Eine gute Vorbereitung besteht vor allen Dingen darin, dass der Mitarbeiter für sich das Jahr einfach auch mal Revue passieren lässt, das heißt guckt, welche Aufgaben hatte er zu bearbeiten, welche Zuständigkeiten, welche Verantwortlichkeiten waren mit dieser Aufgabe verbunden, an welchen Stellen hat er für sich beziehungsweise sie für sich die Wahrnehmung gehabt, dass es Schwierigkeiten gibt oder auch die Aufgabe mit Schwachstellen behaftet ist, dass die Rahmenbedingungen nicht ganz optimal waren, das sollte er auf jeden Fall noch mal aufschreiben, auch versuchen strukturiert aufzuschreiben, nach Aufgabe, nach Projekt. Dann sollte er für sich – das halte ich für eine ganz wichtige Aufgabe – auf jeden Fall reflektieren, was er verändern oder was verändert werden müsste, damit die Arbeit beziehungsweise auch die eigene Leistung besser werden kann, falls es zum Beispiel an einzelnen Punkten Themen gegeben hat oder Schwierigkeiten gegeben hat. Das sollte er wirklich schriftlich für sich einfach noch mal fixieren und dann in dieses Gespräch gehen, möglicherweise auch schon mit einem Lösungsansatz für die einzelnen Themen, die einfach nicht optimal gelaufen sind.

    Brinkmann: Das heißt, Sie raten auch dazu, offensiv mit Schwierigkeiten umzugehen, die man womöglich im zurückliegenden Arbeitsjahr hatte?

    Krausser-Raether: Eindeutig ja, auch wenn ich natürlich weiß, dass es nicht immer ganz einfach ist, mit den eigenen Schwierigkeiten umzugehen, aber ein Mitarbeitergespräch dient ja vor allen Dingen dazu, genau diese möglicherweise Konflikte oder auch Missverständnisse, eigene Schwierigkeiten auszuräumen und dort auch zu verbessern.

    Brinkmann: Welche Punkte sollten denn auf keinen Fall angesprochen werden?

    Krausser-Raether: Auf keinen Fall sollten angesprochen werden, würde ich sagen, persönliche Schwierigkeiten, die man mit Kollegen hat zum Beispiel. Natürlich ist die eigene Arbeit häufig genug auch von der Arbeitsleistung der anderen Mitarbeiter im Unternehmen abhängig, dennoch würde ich nie solche ganz persönlichen Dinge, die vielleicht einfach jetzt mit einem Konflikt zwischen dieser Person und mir zusammenhängen, in ein solches Gespräch bringen.

    Brinkmann: Sollte man Gehaltsfragen ansprechen?

    Krausser-Raether: Das Mitarbeitergespräch dient in der Regel ja durchaus auch dem Thema Gehaltsverhandlungen. Die eigene Leistung – zumindest ist es in sehr vielen Unternehmen so, dass solche Mitarbeitergespräche durchaus auch vor der Gehaltsdurchsprache dann geführt werden.

    Brinkmann: Also eine Art Ausgangsbasis dann auch für spätere Verhandlungen sein können?

    Krausser-Raether: Genau.

    Brinkmann: Was raten Sie denn Arbeitnehmern, die zu ihrem Chef keinen so guten Draht haben, wie können sie ein solches Gespräch konstruktiv gestalten?

    Krausser-Raether: Ganz wichtig ist, dass die Kritik, die ich möglicherweise auch habe, ich nicht als einen Vorwurf formuliere, sondern versuche, einfach für mich meine Sichtweise, meine ganz persönliche Sichtweise des bisherigen Jahres oder auch von Themen, die einfach auch in der Zusammenarbeit zum Beispiel nicht optimal gelaufen sind, noch mal darzulegen, aber immer sachbezogen und nicht so als Vorwurf formuliert.

    Brinkmann: Wie sollte man damit umgehen, wenn der Chef die eigene Arbeit deutlich negativer bewertet als man selbst?

    Krausser-Raether: Man sollte aus meiner Wahrnehmung heraus auf jeden Fall noch mal hinterfragen, was er damit meint und welche Kritikpunkte er konkret hat, an welchen Punkten in einem Arbeitsprozess er das konkret festmacht. Macht er es an einem Ergebnis fest, macht er es an dem Informationsfluss fest? Das sollte man so lange nachfragen, bis man wirklich gemeinsam Punkte gefunden hat, an denen es letztendlich knackt.

    Brinkmann: Sollten die Ergebnisse des Gesprächs, also die Bewertungen und Ziele schriftliche anschließend fixiert werden?

    Krausser-Raether: Auf jeden Fall. In den meisten großen Unternehmen ist das ohnehin der Fall, da das Jahresgespräch ein Bestandteil letztendlich auch in der Personalentwicklung ist, in der Führungsverantwortung, die die jeweiligen Vorgesetzten haben. Dort ist das ein institutionalisierter Prozess mit strukturierten Fragebögen, und beide Gesprächspartner – Vorgesetzte wie auch der Mitarbeiter – müssen das ohnehin gegenzeichnen, das gemeinsame Gesprächsergebnis und die Themen, die dort auch festgehalten wurden. In Unternehmen, wo das nicht institutionalisiert ist, würde ich dennoch versuchen, da noch mal zumindest ein kurzes Ergebnisprotokoll zu machen, wenn der Vorgesetzte das von sich aus nicht vorschlägt, dann selbst für sich eine Art Ergebnisprotokoll zu machen und dies dem Vorgesetzten dann noch mal vorzulegen.

    Brinkmann: Wie gehe ich denn vor, wenn ich in einem Unternehmen arbeite, was solche Jahresgespräche gar nicht anbietet? Sollte ich das von mir aus dann einfordern?

    Krausser-Raether: Ein eindeutiges Ja muss ich ehrlicherweise sagen, auch wenn das natürlich sehr viel Energie und auch eine innere, auch einen gewissen Mut des Mitarbeiters erfordert, denn der hört ja möglicherweise nicht unbedingt nur positive Dinge, aber ich würde das immer empfehlen.

    Brinkmann: Die Buchautorin und Karriereberaterin Helga Krausser-Raether über Jahresgespräche mit dem Chef und wie man sich darauf gut vorbereitet.