Der Stall gehört zum Versuchshof des Fachbereiches Ökologische Landwirtschaft der Universität Kassel. Durch kleine Luken kann hier das Hühnervolk jederzeit nach draußen in den Auslauf wechseln, um zu scharren, zu picken und staubzubaden.
Doch die Idylle der glücklichen Hühner trügt. Den Legehennen hier geht es zwar gut, aber ihre Brüder, die Hahnenküken, die in den großen Brütereien mit den Legehennen geschlüpft sind, haben noch nicht mal den ersten Lebenstag überstanden:
"Das sollte dem Konsumenten klar sein, was wir hier eigentlich vollbringen. Das ist ... (stockt, ringt nach Fassung) ... es ist eine Schande, dass wir uns dazu verleiten lassen, Babys das Leben zu nehmen ehe sie überhaupt gelebt haben. Die werden vergast oder in einen Mousser, wie man sagt - das sind schnell rotierende Messer - zerkleinert; weil sie eben nicht in der Lage sind, Eier zu legen - geschlachtet. Sie zur Mast zu gebrauchen, ist nicht rentabel, weil sie nicht das notwendige Gewicht auf die Waagschale bringen. Insofern wäre es durchaus ein Zuchtziel, ein sogenanntes Zwei-Nutzungs-Tier zu züchten, was sowohl Fleisch an den Knochen hat, aber auch relativ viele Eier legt, so dass sowohl Hennen als auch Hähne genutzt werden können."
25 Millionen Hahnenküken werden in Deutschlands Brütereien jedes Jahr vergast, zerstückelt und zu Tierfutter verarbeitet. 400 Millionen sind es in Europa.
Die Verbraucherschutzministerin Renate Künast hatte in ihrer Antrittsrede diesen Missstand zwar als Bestandteil einer "Agrarpolitik von gestern" angeprangert. Doch eine zukunftsorientierte Zucht von Zwei-Nutzungs-Geflügel leisten bislang nur Schweizer Wissenschaftlerinnen. Zu ihnen zählt Helen Hirt vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau in Frick:
"Heutige Hybrid-Linien legen etwa 320 Eier pro Jahr. Und wir hatten in unserem Versuch mit den Zweinutzungslinien zum Ziel gesetzt, dass die Legehennen 260 Eier legen sollten; und von unserer Kreuzung von einer Legelinie mit einem Rassehahn erreichten wir 240 Eier."
Das Ziel wurde also um 20 Eier verfehlt. Und genau diese 20 Eier pro Huhn entscheiden darüber, ob ein Öko-Hennenhalter mit seinen 500 bis 2.000 Tieren eine Familie ernähren kann oder nicht:
"Da zählt jedes Ei sehr viel. Also, die Berechnung auf diese 260 Eier, das ist das Minimum, das wir erreichen müssen. Sonst ist es wirklich nicht wirtschaftlich für den Bauern. Also, die Konsumenten sind vielleicht bereit, ein Drittel mehr zu bezahlen als für ein konventionelles Ei; und was darüber hinaus geht - da ist der Konsument einfach nicht mehr bereit zu bezahlen. Das ist einfach ein Erfahrungswert. Und 20 Eier zu wenig - das würde einen zu großen Mehrpreis geben. Das würde der Konsument wahrscheinlich nicht bezahlen."
Besser sieht es aus mit den Brüdern dieser Legehennen. Die Hahnenküken setzen bei der Mast soviel Fleisch an wie langsam wachsende Hähnchen in der ökologischen Tierhaltung. So muskelbepackt wie die überzüchteten Turbo- Hähnchen, die heutzutage am Grill rotieren, sind sie zwar nicht. Aber immerhin müssten sie als Küken nicht gleich am ersten Tag zerstückelt werden.
Genug Hoffnung also für die Zukunft - vorausgesetzt, die Forscher finden in weiteren Versuchen eine Zuchtlinie, deren Hennen etwas mehr Eier legen. Das züchterische Wissen für wirklich umfangreiche Versuche liegt aber in den Händen weniger Konzerne, die dafür gewonnen werden müssen, sagt Professor Fölsch:
"Es ist eben wichtig, dass diese Konzerne - unter anderem gehört die Firma Lohmann dazu, in Cuxhaven; oder eine Firma ISA, ein französisches Unternehmen; es gibt auch in Holland eine große Zuchtorganisation - dass die das Interesse verspüren, dass andere Tiere gefragt sind - ob das jetzt alte Landschläge sind oder aber moderne Zuchtlinien - dass wir Tiere haben, die für diese Haltungsarten geeignet sind."