Richards Ruhm bot Georg Friedrich Händel Stoff genug, dem Monarchen eine ganze Oper zu widmen: "Riccardo primo". Um eine Neueinspielung dieses recht selten zu hörenden Werkes geht es heute: Dafür gesorgt hat das Baseler Kammerorchester unter Paul Godwin. Falk Häfner begrüßt sie dazu am Mikrofon:
" Ouvertüre "
Es war kurz nach seiner Einbürgerung, dass sich "il caro sassone", (der liebe Sachse, wie die Engländer Georg Friedrich Händel liebevoll nannten) mit dem Mythos des englischen Königs Richard I beschäftigte. Uraufgeführt wurde seine Oper am Londoner Kings Theatre im Jahre 1727. Anlass war die Thronbesteigung Georg II. Dass Händel sich ausgerechnet dieser Thematik widmete, hatte weniger mit der Huldigung des neuen Monarchen zu tun als viel mehr mit pragmatischen Gründen: Die Disposition des Librettos bot Gelegenheit, alle drei Hauptpartien zu relativ gleichen Teilen mit dankbaren Arien zu versehen. Und das war auch bitter nötig: Waren doch beiden Primadonnen an Händels Theater - Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni - auf der Bühne (!) ausfällig gegeneinander geworden. Das zeitigte nicht nur einen veritablen Theaterskandal, sondern zog handfeste Auseinandersetzungen unter den Vertretern der anwesenden Fanblöcke der rivalisierenden Damen nach sich.
Nun also, eine Oper mit nahezu gleicher Anzahl von Arien und ausgewogenem Affektgehalt - eine Disposition, die die Künstler befrieden sollte.
Geschildert wird in "Riccardo Primo" eine vergleichsweise kurze Sequenz aus Richards Leben: Der Ritter befindet sich auf Kreuzzug nach Jerusalem. Schlechtes Wetter reißt seine Flotte bei der Fahrt übers Mittelmeer auseinander, und so fällt Riccardos Braut Constanza dem König von Zypern in die Hände. Dieser hat nichts Besseres zu tun, als sich in das Edelfräulein zu verlieben. Damit er die neue Flamme nicht wieder an den inzwischen gestrandeten Riccardo abtreten muss, zwingt er kurzerhand seine eigene Tochter, Pulcheria, sich als Constanza zu verkleiden und Richard zu ehelichen. Doch da hat der Zypriote die Rechnung ohne den Wirt, respektive den Liebhaber Pulcherias, gemacht: Denn Oronte deckt den Schwindel auf, Riccardo befreit Constanza und alles wird gut.
Dass der Wahrheit in dieser Oper nur ansatzweise Genüge getan wird, zeigt sich in den historischen Details: In Wahrheit eroberte Richard I mit seinem 15.000-Mann starken Heer Zypern, inhaftierte dessen König, erhöhte die Steuern und verkaufte die Mittelmehrinsel an den Templer-Orden.
Nur zehn Mal ist die Oper "Riccardo primo" nach ihrer UA in London gespielt worden. Telemann fertigte später eine deutsch-italienische Fassung an, die in Hamburg und Braunschweig zu sehen war. Doch recht bald wurde es still um das Werk. Erst 1964 wurde die Oper erstmals wieder gespielt. Die vorliegende Einspielung basiert erstmals auf der neuen kritischen Edition der Hallischen Händel-Ausgabe. Diese unterscheidet deutlich zwischen den verschiedenen existierenden Fassungen. Dadurch wurde es Paul Godwin möglich, seine Einspielung klarer und farbiger zu gestalten. Bei Constanzas tragischer Arie "Morte vieni" z.B. setzt Goodwin eine Bassquerflöte ein. Diese ist einen Ton tiefer gestimmt als der Rest des Ensembles und sorgt für einen fahlen, hohlen Klang.
" - "Morte, vieni" Aire der Constanza; 3.Akt/2.Szene "
Nuria Rial ist in dieser Aufnahme die Constanza. Die Katalanin hat ab 1998 vier Jahre lang bei Kurt Widmer in Basel studiert und tritt seither vor allem mit Originalklangensembles wie dem Freiburger Barockorchester, der Akademie für Alte Musik Berlin oder Il Giardino Armnonico auf. Auch mit dem Baseler Kammerorchester verbindet sie eine enge Zusammenarbeit.
Das Timbre von Nuria Real Timbre besticht durch seine Geschmeidigkeit. Glasklar und rein klingt ihre lyrische Stimme, schlank geführt, leicht und mit nur wenig Vibrato versehen. Sie mischt sich vollendet mit der des amerikanischen Countertenors Lawrence Zazzo in einer der schönsten Szenen dieser Oper: Wenn sich Constanza und Riccardo am Ende des 2.Aktes zum ersten Mal sehen und sich ewige Liebe schwören.
" "T'amo si" Duett Riccardo / Constanza; 2.Akt/9.Szene "
Ein gänzlich anderer Charakter als Constanza ist Pulcheria, die Tochter des zypriotischen Tyrannen. - Weitaus dramatischer ist diese Figur angelegt. Pulcheria ist ganz Tochter ihres Vaters: Hitzig, aufbrausend, ungezügelt. Händel hat einige dramatische Auftritte für sie vorgesehen, in denen sie ihre Koloraturkunst unter Beweis stellen kann: und die meistert die englische Sopranistin Geraldine McGreevy mit Verve! Zwar verfügt auch sie über eine vergleichsweise leichte Stimme, doch hat sie weitaus mehr dramatischen Biss, ohne aber in Schärfe umzuschlagen.
" "Ai guardi tuoi!" Arie der Pulcheria, 2.Akt/6.Szene "
Musik von Georg Friedrich Händel aus seiner selten zu hörenden Oper "Riccardo primo”. Neben der bereits etwas älteren Aufnahme durch Les Talens Lyrique unter Christophe Roussett kann diese Aufnahme mit Paul Goodwin und seinem Ensemble durchaus bestehen. Goodwin legt gemeinsam mit seinen Musikern größten Wert auf Farbigkeit und rhythmische Präsenz. Die Continuo-Gruppe, die bei den Rezitativen zum Einsatz kommt, hat Goodwin erweitert: nicht nur ein Cembalo, sondern zwei Cembali gehören dazu , ebenso zwei Lauten und ein Cello.
Die Instrumente kommen in unterschiedlichen Kombinationen zum Einsatz und unterstreichen die unterschiedlichen Charaktere der agierenden Personen. Die tragenden Partien der Oper sind mit dem Countertenor Lawrence Zazzo und den Sopranistinnen Nuria Rial und Geraldine McGreevy ausgewogen und stimmschön besetzt.
Ein Wermutstropfen: Im Booklet findet sich zwar ein Kommentar von Paul Goodwin zur Oper, das Libretto sucht man darin allerdings vergeblich. Das ist als PDF-Datei auf der 1. CD beigefügt. Wer beim Hören also mitlesen möchte, muss sich die Seiten ausdrucken: Das ist zwar sicherlich kostensparend für das CD-Label, die Deutsche harmonia Mundi im Vertrieb von Sony / BMG. Benutzerfreundlich aber, benutzerfreundlich ist das nicht!
Georg Friedrich Händel: Riccardo primo - re d'inghilterra, HWV 23
Nuria Rial, Sopran - Constanza
Geraldine McGreevy, Sopran - Pulcheria
Lawrence Zazzo, Countertenor - Riccardo Primo
Kammerorchester Basel; Leitung: Paul Goodwin
(Deutsche harmonia mundi 88 69 717 42 12 / LC 00761)
" Ouvertüre "
Es war kurz nach seiner Einbürgerung, dass sich "il caro sassone", (der liebe Sachse, wie die Engländer Georg Friedrich Händel liebevoll nannten) mit dem Mythos des englischen Königs Richard I beschäftigte. Uraufgeführt wurde seine Oper am Londoner Kings Theatre im Jahre 1727. Anlass war die Thronbesteigung Georg II. Dass Händel sich ausgerechnet dieser Thematik widmete, hatte weniger mit der Huldigung des neuen Monarchen zu tun als viel mehr mit pragmatischen Gründen: Die Disposition des Librettos bot Gelegenheit, alle drei Hauptpartien zu relativ gleichen Teilen mit dankbaren Arien zu versehen. Und das war auch bitter nötig: Waren doch beiden Primadonnen an Händels Theater - Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni - auf der Bühne (!) ausfällig gegeneinander geworden. Das zeitigte nicht nur einen veritablen Theaterskandal, sondern zog handfeste Auseinandersetzungen unter den Vertretern der anwesenden Fanblöcke der rivalisierenden Damen nach sich.
Nun also, eine Oper mit nahezu gleicher Anzahl von Arien und ausgewogenem Affektgehalt - eine Disposition, die die Künstler befrieden sollte.
Geschildert wird in "Riccardo Primo" eine vergleichsweise kurze Sequenz aus Richards Leben: Der Ritter befindet sich auf Kreuzzug nach Jerusalem. Schlechtes Wetter reißt seine Flotte bei der Fahrt übers Mittelmeer auseinander, und so fällt Riccardos Braut Constanza dem König von Zypern in die Hände. Dieser hat nichts Besseres zu tun, als sich in das Edelfräulein zu verlieben. Damit er die neue Flamme nicht wieder an den inzwischen gestrandeten Riccardo abtreten muss, zwingt er kurzerhand seine eigene Tochter, Pulcheria, sich als Constanza zu verkleiden und Richard zu ehelichen. Doch da hat der Zypriote die Rechnung ohne den Wirt, respektive den Liebhaber Pulcherias, gemacht: Denn Oronte deckt den Schwindel auf, Riccardo befreit Constanza und alles wird gut.
Dass der Wahrheit in dieser Oper nur ansatzweise Genüge getan wird, zeigt sich in den historischen Details: In Wahrheit eroberte Richard I mit seinem 15.000-Mann starken Heer Zypern, inhaftierte dessen König, erhöhte die Steuern und verkaufte die Mittelmehrinsel an den Templer-Orden.
Nur zehn Mal ist die Oper "Riccardo primo" nach ihrer UA in London gespielt worden. Telemann fertigte später eine deutsch-italienische Fassung an, die in Hamburg und Braunschweig zu sehen war. Doch recht bald wurde es still um das Werk. Erst 1964 wurde die Oper erstmals wieder gespielt. Die vorliegende Einspielung basiert erstmals auf der neuen kritischen Edition der Hallischen Händel-Ausgabe. Diese unterscheidet deutlich zwischen den verschiedenen existierenden Fassungen. Dadurch wurde es Paul Godwin möglich, seine Einspielung klarer und farbiger zu gestalten. Bei Constanzas tragischer Arie "Morte vieni" z.B. setzt Goodwin eine Bassquerflöte ein. Diese ist einen Ton tiefer gestimmt als der Rest des Ensembles und sorgt für einen fahlen, hohlen Klang.
" - "Morte, vieni" Aire der Constanza; 3.Akt/2.Szene "
Nuria Rial ist in dieser Aufnahme die Constanza. Die Katalanin hat ab 1998 vier Jahre lang bei Kurt Widmer in Basel studiert und tritt seither vor allem mit Originalklangensembles wie dem Freiburger Barockorchester, der Akademie für Alte Musik Berlin oder Il Giardino Armnonico auf. Auch mit dem Baseler Kammerorchester verbindet sie eine enge Zusammenarbeit.
Das Timbre von Nuria Real Timbre besticht durch seine Geschmeidigkeit. Glasklar und rein klingt ihre lyrische Stimme, schlank geführt, leicht und mit nur wenig Vibrato versehen. Sie mischt sich vollendet mit der des amerikanischen Countertenors Lawrence Zazzo in einer der schönsten Szenen dieser Oper: Wenn sich Constanza und Riccardo am Ende des 2.Aktes zum ersten Mal sehen und sich ewige Liebe schwören.
" "T'amo si" Duett Riccardo / Constanza; 2.Akt/9.Szene "
Ein gänzlich anderer Charakter als Constanza ist Pulcheria, die Tochter des zypriotischen Tyrannen. - Weitaus dramatischer ist diese Figur angelegt. Pulcheria ist ganz Tochter ihres Vaters: Hitzig, aufbrausend, ungezügelt. Händel hat einige dramatische Auftritte für sie vorgesehen, in denen sie ihre Koloraturkunst unter Beweis stellen kann: und die meistert die englische Sopranistin Geraldine McGreevy mit Verve! Zwar verfügt auch sie über eine vergleichsweise leichte Stimme, doch hat sie weitaus mehr dramatischen Biss, ohne aber in Schärfe umzuschlagen.
" "Ai guardi tuoi!" Arie der Pulcheria, 2.Akt/6.Szene "
Musik von Georg Friedrich Händel aus seiner selten zu hörenden Oper "Riccardo primo”. Neben der bereits etwas älteren Aufnahme durch Les Talens Lyrique unter Christophe Roussett kann diese Aufnahme mit Paul Goodwin und seinem Ensemble durchaus bestehen. Goodwin legt gemeinsam mit seinen Musikern größten Wert auf Farbigkeit und rhythmische Präsenz. Die Continuo-Gruppe, die bei den Rezitativen zum Einsatz kommt, hat Goodwin erweitert: nicht nur ein Cembalo, sondern zwei Cembali gehören dazu , ebenso zwei Lauten und ein Cello.
Die Instrumente kommen in unterschiedlichen Kombinationen zum Einsatz und unterstreichen die unterschiedlichen Charaktere der agierenden Personen. Die tragenden Partien der Oper sind mit dem Countertenor Lawrence Zazzo und den Sopranistinnen Nuria Rial und Geraldine McGreevy ausgewogen und stimmschön besetzt.
Ein Wermutstropfen: Im Booklet findet sich zwar ein Kommentar von Paul Goodwin zur Oper, das Libretto sucht man darin allerdings vergeblich. Das ist als PDF-Datei auf der 1. CD beigefügt. Wer beim Hören also mitlesen möchte, muss sich die Seiten ausdrucken: Das ist zwar sicherlich kostensparend für das CD-Label, die Deutsche harmonia Mundi im Vertrieb von Sony / BMG. Benutzerfreundlich aber, benutzerfreundlich ist das nicht!
Georg Friedrich Händel: Riccardo primo - re d'inghilterra, HWV 23
Nuria Rial, Sopran - Constanza
Geraldine McGreevy, Sopran - Pulcheria
Lawrence Zazzo, Countertenor - Riccardo Primo
Kammerorchester Basel; Leitung: Paul Goodwin
(Deutsche harmonia mundi 88 69 717 42 12 / LC 00761)