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Hängen und Würgen

Belmonte, ein junger Spanier, will seine Braut Konstanze befreien, die von Piraten in den Harem von Bassa Selim entführt wurde; um eine "doppelte Entführung" geht es also in dieser "Entführung aus dem Serail". Diesen Evergreen der Opernbühnen von Wolfgang Amadeus Mozart hat nun an der Berliner Staatsoper Michael Thalheimer inszeniert - eigentlich bekannt für seine radikalen Verknappungen von Sprechtheater-Klassikern.

Von Georg-Friedrich Kühn |
    "Entführung" light. Mit viel Rampenstehen und ein paar Gageinlagen. Die schwarze Serail-Bunker-Bühne ist geteilt in zwei Etagen. Oben für Bassa, unten fürs Fußvolk. Die Figuren, zumal die Europäer bewegen sich mehr rückwärts als vorwärts. Und sehr langsam, mit geknicktem Kopf.

    Nur Blonde, hier als schwarzhaariges Barbie-Püppchen im himbeerroten Petticoat, darf ein bisschen aus der Art schlagen, samt ihrem Pedrillo als Rotschopf-Amadeus in kurzen Hosen. Mit Osmin fetzen sie sich in einer Mischung aus Deutsch, Englisch und Türkisch.

    Regisseur Michael Thalheimer begreift die Mozart-Oper als Schauspiel mit Musik. Die Europäer, Konstanze, Belmonte und auch Blonde und Pedrillo zeigt er als heimtückisch und verlogen, die sich auch untereinander nicht trauen. Bei ihrer Verabredung zur Flucht verdrucksen sie sich auf weitest möglichen Abstand.

    Lediglich der Orientale Bassa Selim, als derjenige im Stück, der nicht singt, sei einer, der mit sich im Reinen ist; bei Konstanzes "Martern aller Arten"-Arie, die sie auf einem Stuhl wie festgebunden singt, windet er sich am Boden. Das kann man so sehen, wenn man kaum Sensibilität für diese Musik entwickelt.

    Und das muss man auch über Thalheimers serialisierte Personenführung sagen. Mit dem Chor weiß er überhaupt nichts anzufangen. Den lässt er wie Oratorien-Statisterie zweimal als menschliche Mauer sich aufstellen. Fertig.

    Auch musikalisch hinterlässt diese auf gut zwei pausenlose Stunden eingedampfte "Entführung" eher gemischte Gefühle. Die als Star-Konstanze umworbene Christine Schäfer findet zu keinem leichten Mozart-Ton, forciert, singt unsauber. Dem Osmin von Maurizio Muraro fehlt es an Tiefe.

    Überzeugen kann lediglich Pavol Breslik als hell, weich timbrierter Belmonte. Seinen ersten Auftritt absolviert er mitten aus einer der vorderen Reihen im Parkett und muss sich dann hoch auf die Bühne zwängen. Exzellent die Staatskapelle unter Philippe Jordan.

    Buh-Salven gab es am Ende für Thalheimer und sein Team mit Bühnenbildner Olaf Altmann und Kostümbildnerin Katrin Lea Tag. Für die Sänger, allerdings eher undifferenziert, gab's Bravos. Ein Positives haben Produktionen wie diese: Sie sind schnell einstudiert und Gastsänger einzuwechseln macht kaum Mühe.