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Haften nach Gecko-Art

Technik. - Geckos gelten als wahre Klebekünstler, die mühelos kopfunter an Decken entlang laufen können, auch glattes Glas ist für sie kein Hindernis. Als mehr und mehr Details der Gecko-Haftung entdeckt wurden - feinste Hafthärchen im Nanometer-Maßstab - kam die Hoffnung auf, nach diesem Muster eine Art Gecko-Kleber synthetisieren zu können.

Von Mathias Schulenburg |
    Ein Produkt, sagt Eduard Arzt, Abteilungsleiter am Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart, wo man sich eingehend mit Geckos befasst, könne man noch nicht verweisen. Dennoch sehe er Gründe, dem Tier zu danken:

    Ja, das Erste, was wir schon gelernt haben und was uns auch erstaunt hat, was auch nicht sofort einsichtig ist, dass man eben durch die Unterteilung eines Kontakts in viele feine Kontakte eine bessere Haftung, einen besseren Klebeeffekt bekommt. Das haben die Tiere uns gezeigt, und wir haben dann versucht, das zu erklären. Wir haben jetzt eine mathematische Theorie, die uns zeigt, wie wir damit einen technischen Kontakt optimieren können. Und das finden wir aus der Sicht der Materialforschung spannend, die Anregung hätten wir sonst gar nicht gehabt, wenn die Natur uns das nicht gezeigt hätte.

    Die feinen Kontakthärchen am Fuß des Tieres sprießen nicht einfach so aus dessen Sohle, sie sind vielmehr Teil einer hierarchischen Struktur ähnlich der eines Baumes, der mit einem Stamm beginnt, der in dicke Zweige übergeht, die dünne Zweige tragen, die in Zweiglein münden ... und so fort. Beim Gecko, sagt Stanislav Gorb, Biologe in Arzts Abteilung, besteht die erste Hierarchieebene in der Geschmeidigkeit des knöchellosen Gecko-Fußes, die ihn anschmiegsam macht.

    Die zweite Hierarchieebene sind so genannte Lamellen, auf der unteren Seite des Fußes, das sind biegsame Platten. Die können die nächste Ebene der Rauheit der Oberfläche gut decken. Und dann kommen die Härchen, so genannte Setae, die sind ungefähr hundert Mikrometer lang und verzweigen sich in kleinere Härchen von ungefähr zehn bis 20 Mikrometer Länge. Sie enden in so genannten sehr dünne Terminalplatten oder Spatel von ungefähr zehn Nanometer Dicke. Natürlich kann mit solchen Nanofolien ein sehr enger Kontakt mit jeder Oberfläche, jeder Unterlage hergestellt werden.

    Den Stuttgarter Forschern ist es gelungen, ein einzelnes der letzten, feinsten Härchen - ein "Terminalelement" - mit einem Ionenstrahl abzutrennen und an der Spitze eines Rasterkraftmikroskops zu befestigen. So können sie die winzigen Kräfte an einem einzelnen Endhärchen messen, von denen es aber so viele gibt, das sie einen pfundschweren Gecko an der Decke halten können. Als die eigentliche Haftursache haben die Forscher van-der-Waals-Kräfte ausgemacht, eine relativ schwache chemische Bindungsart, die nur über sehr kurze Distanzen wirkt:

    Weshalb wir diese Kraft im normalen Alltag nicht merken, ist, weil alle Oberflächen rau sind, und dadurch kommen die Oberflächenatome nicht genügend eng in Kontakt. Und der Trick des Geckos, der Fliege oder auch der Spinne unter anderen besteht eben darin, dass sie so feine Oberflächenstrukturen haben, die sich so ideal anpassen an Oberflächen, dass sie soviel Kontaktfläche erzeugen, dass diese fundamentale wichtige Kraft dann eben doch stark wird.

    Wenn der Gecko das Geheimnis seiner Haftung vollständig preisgegeben hat, werde man womöglich Klebetechniken realisieren können, die sich bei Bedarf einfach wieder lösen, was für die Produktionstechnik hochbedeutsam werden könnte. Der Gecko selbst löst sich nach dem Muster des Tesafilms von seiner Unterlage, er zieht seinen Fuß ab. Forscher an der Universität Manchester wollen Labormuster von selbstreinigenden Klebestreifen mit feinsten Haarstrukturen entwickelt haben, die - wenn sie in Handflächengröße realisiert werden könnten - einen Menschen an der Decke tragen würden. Noch aber bereitet die Stabilität der Plastikhärchen aus dem Labor Probleme. Außerdem ist ihre Herstellung so aufwändig, dass an eine industrielle Fertigung bis auf weiteres nicht zu denken ist.