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Haggenmiller: Bei Gewalt und Psychoterror hört es absolut auf

Fehlverhalten im Betrieb sollten Azubis mit dem Chef, dem Betriebsrat oder auch im Ernstfall direkt mit der Gewerkschaft besprechen, sagt Florian Haggenmiller vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Zu den häufig auftretenden Problemen gehören Überstunden oder ausbildungsfremde Tätigkeiten, ergänzt er.

Florian Haggenmiller im Gespräch mit Sandra Pfister |
    Sandra Pfister: Wenn Auszubildende von ihrem Vorgesetzten und von Kollegen mit Frischhaltefolie an einen Pfosten gefesselt und anschließend mit Filzstiften beschmiert werden, dann ist das mehr als ein schlechter Scherz. Das ist Schikane. Das ist in einem Zentrallager von Aldi in Baden-Württemberg passiert, deshalb hat der Discounter Aldi Süd jetzt gerade einen Skandal an der Backe. Schikanen dieser Art, sind das eigentlich Einzelfälle? Darüber reden wir mit dem Bundesjugendsekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des DGB, Florian Hagenmiller. Guten Tag, Herr Haggenmiller!

    Florian Haggenmiller: Ja, schönen guten Tag!

    Pfister: Herr Haggenmiller, sind das Einzelfälle oder hören Sie von mehr Vorfällen dieser Art?

    Haggenmiller: Also wir sind natürlich entsetzt, als wir das mitbekommen haben und verurteilen natürlich zutiefst so eine Behandlung von jungen Menschen und von Auszubildenden. Ich kann natürlich und Gott sei Dank auch sagen, dass eine ungerechte Behandlung in der Ausbildung nicht die Regel ist. Das sind Gott sei Dank Einzelfälle, aber wir haben zum Beispiel in 2011 in unserem Ausbildungsreport abgefragt, inwieweit junge Menschen in der Ausbildung ungerecht behandelt werden, und immerhin 5,3 Prozent der über 8000 Befragten haben gesagt, dass sie häufig ungerecht in der Ausbildung behandelt werden.

    Pfister: Jetzt ist die Frage, was ungerechte Behandlung letztlich bedeutet. Also, wir kennen das ja, oder die meisten von uns kennen es, in manchem Ausbildungsbetrieb herrscht einmal ein härterer Tonfall, da müssen Azubis ein bisschen was aushalten, weil es ja auch ein hierarchisches Gefälle gibt. Wo ist die Grenze, ab der Sie sagen, da muss Schluss sein?

    Hagenmiller: Na ja, also bei Gewalt, Ausüben von Druck, Ausgrenzung, Psychoterror, da hört es bei uns absolut auf. Und wir gucken schon natürlich schon auch drauf, inwieweit Überstunden und ausbildungsfremde Tätigkeiten zur Regel gehören.

    Pfister: Und was können Azubis tun, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen? Also sie sind ja in einer sehr unterlegenen Position, in der Regel.

    Haggenmiller: Absolut. Also wir bieten als Gewerkschaften einen sehr guten Service an, nämlich unseren "Dr. Azubi", da können junge Auszubildende ihre Frage direkt über unser Internetportal www.dr-azubi.de stellen und bekommen binnen 48 Stunden eine Antwort auf ihre Fragen, inwieweit sie Unterstützung bekommen und von wem. Das bieten wir an, das ist eine Anfangsberatung. Ich würde jedem Auszubildenden empfehlen, zuerst mal das zu thematisieren beim Chef, wenn das Ganze nicht ankommt, also beim Vorgesetzten. Wenn das Ganze aber nicht hilft, und auch mit einer Fristsetzung nicht verändert wird, dann rate ich absolut, zum einen den Weg zum Betriebsrat oder die Jugendauszubildendenvertretung oder, wenn nicht vorhanden, natürlich auf alle Fälle der Weg zur Gewerkschaft, ganz klar.

    Pfister: Sie haben es gerade schon erwähnt, Sie verfassen jährlich den Ausbildungsreport. Es werden ja viele Ausbildungsverträge abgebrochen. Man sagt, bei jedem Fünften sei das der Fall. Sehen Sie da einen Zusammenhang zum Betriebsklima? Da äußern sich die Azubis ja sicher dazu?

    Haggenmiller: Absolut. Also überall dort, wo eine schlechte Ausbildungsqualität vorherrscht, ist die Abbruchrate natürlich groß. Wir haben zum Beispiel auch immer wieder damit zu tun, dass es bei der Ausbildungsqualität von jungen Köchen ein riesengroßes Problem gibt, dass die ziemlich viel Stress ausgesetzt werden. Und wenn dann natürlich feststeht, dass 40 Prozent der Köche ihren Ausbildungsvertrag vorzeitig auflösen, hat das natürlich damit zu tun.

    Pfister: Und mit dem Stress in der Küche ohnehin. Es kann ja auch ein netter Vorgesetzter sein, der aber trotzdem seinen Stress weitergibt.

    Haggenmiller: Ja, das kann gut sein, aber da zeigt sich natürlich dann, wer ein guter Vorgesetzter ist und auch mit den Menschen vernünftig umgehen kann, und vor allem haben sie, die Auszubildenden, einen Ausbildungsvertrag und keinen Arbeitsvertrag. Sie sind im Endeffekt da, um eine Bildung zu empfangen und nicht Arbeit abzuleisten.

    Pfister: Welche Hausaufgaben müssen die Betriebe da selbst machen, und welche kann man aber auch den Azubis noch auferlegen?

    Haggenmiller: Na, die Betriebe, die sollten natürlich unbedingt auf ihre Ausbildungsqualität gucken. Wir messen das an unterschiedlichen Stellschrauben wie zum Beispiel die Überstunden. Inwieweit bekommt man auch einen Ausgleich für Überstunden. Inwieweit wird gegen klare Gesetze verstoßen, zum Beispiel gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz. Wir schauen uns an, inwieweit ein Ausbilder dann auch dem Auszubildenden zur Verfügung steht, wenn er Fragen hat, als auch, inwieweit ausbildungsfremde Tätigkeiten eine Rolle spielen.

    Wichtig ist, dass man sich an den vorgeschriebenen Ausbildungsrahmenplan hält, das ist das Nonplusultra. Also das können die Betriebe im Endeffekt überwachen, das sollte der Auszubildende aber auch wissen, dass es bestimmte Rahmen gibt, auch gesetzliche Regelungen gibt, die einzuhalten sind. Und natürlich, den Auszubildenden empfehlen wir auch einen Blick zum Beispiel in die Rechte von A bis Z der Gewerkschaftsjugend. Da steht nämlich ziemlich genau drin, welche Pflichten habe ich, aber welche Rechte sind zum Beispiel auch Gegenstand im Ausbildungsvertrag.

    Pfister: Das war Florian Haggenmiller, der Bundesjugendsekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Danke, Herr Hagenmiller!

    Haggenmiller: Gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.