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Haihaut im Strömungskanal

Physik. - Die gezahnte Oberfläche der Haihaut gehört zu den Paradebeispielen der Bionik, der Übertragung von Errungenschaften der Natur in die Technik. Doch die bisherige Nachahmung hat einen wesentlichen Aspekt der Haihaut offenbar übersehen: Bewegt spart sie noch viel mehr Energie als einfach auf starre Oberflächen aufgeklebt.

Von Ralf Krauter | 10.02.2012
    Die Haut eines Haifisches fühlt sich an wie Sandpapier. Der Grund: Mikroskopische zahnförmige Plättchen bedecken den Körper der Tiere wie Pailletten. Diese Plättchen verringern den Strömungswiderstand und verhindern, dass Seepocken haften bleiben.

    "Die spezielle Struktur der Haifischhaut ist lange bekannt. Seit Jahren schon untersuchen Biologen und Ingenieure deshalb, inwieweit die Haut dazu beiträgt, dass Haie so exzellente Schwimmer sind."

    In einem Punkt jedoch, sagt der US-Biologe George Lauder, sprangen die bisherigen Experimente zu kurz. Der Einfachheit halber haben alle Kollegen nur starre Haihäute untersucht, aufgeklebt auf feste Strukturen, an denen Wasser vorbei strömte. Im wirklichen Leben aber krümmt und bewegt sich die Haihaut bei jedem Flossenschlag. Um dem Rechnung zu tragen, machte sich der Harvard-Professor mit einem Studenten daran, erstmals bewegte Haifischhaut im Strömungskanal zu analysieren.

    "Wir kauften auf dem Fischmarkt in Boston einige frische Haie. Zurück im Labor schnitten wir dünne Hautstücke aus der Seite der toten Tiere heraus. Je zwei dieser Hautstreifen haben wir dann mit der Innenseite zusammen geklebt. Das Ergebnis war eine flexible doppelseitige Haihaut, die wir an einem Roboterarm befestigten, der sie im Strömungskanal hin und her bewegte. Wir konnten die Haihaut also richtige Schwimmbewegungen machen lassen."

    Im Video des Versuchs bewegt sich das Hautstück wie eine Art Fahne in der Strömung hin und her. Seine Krümmung entspricht dabei ziemlich genau jener, die bei natürlichen Schwimmbewegungen eines Hais auftritt.

    "Wir haben herausgefunden, dass die Oberflächenstruktur der Haie das Schwimmtempo um durchschnittlich zwölf Prozent steigert. Unsere Experimente belegen also eindeutig: Haihaut kann die Schwimmleistung deutlich verbessern. Allerdings nur, sofern sie sich auf natürliche Art krümmen und bewegen kann."

    Versuche mit Schiffsrümpfen hatten bereits 2009 gezeigt, dass geriffelte Lackschichten nach Vorbild der Haihaut den Reibungswiderstand um über fünf Prozent verringern. Doch wenn sich die Haihaut flexibel in der Strömung bewegen kann, kommt offenbar noch ein zweiter positiver Effekt ins Spiel.

    "Wir glauben, dass Haihaut nicht nur den Strömungswiderstand verringert, sondern zusätzlich Schub erzeugt, indem sie den Sog durch Wirbel vergrößert."

    Auf diese Idee kamen die Harvard-Forscher, als sie mit Hilfe von Laserlicht sichtbar gemacht hatten, wie genau das Wasser die flexible Haihaut umströmt.

    "An der Vorderkante der bewegten Hautstücke bildet sich ein kleiner Wasserwirbel. Bei sandgestrahlter Haut bildet sich dieser Wirbel deutlich weiter entfernt als bei intaktem Gewebe. Die Mikrostrukturen auf der Oberfläche bewirken also, dass sich nah am Körper eine Region mit niedrigem Wasserdruck ausbildet."

    Vergleichbare Strömungsphänomene sind von Vogel– und Insektenflügeln bekannt. Schmetterlinge verdanken ähnlichen Wirbelwalzen in der Luft ihre hervorragenden Flugeigenschaften. Für George Lauder liegt deshalb auf der Hand, dass die Strudel nahe am Körper den Haifischen helfen, besonders effizient zu schwimmen. Ob seine Theorie stimmt, müssen weitere Versuche jetzt zeigen. Wenn ja, könnten die Ergebnisse aus dem Strömungskanal dazu beitragen, dass biomimetische Unterwasser-Roboter, die sich wie Fische fortbewegen, künftig einmal ähnlich schnell und energiesparend schwimmen wie Haie.