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Halde für CO2

Die Weltmeere nehmen einen Teil des CO2 auf, den die Menschheit in die Atmosphäre bläst, und mildern so die Klimaerwärmung. Doch wird das in auch in Zukunft noch so sein oder ist die Aufnahmekapazität des Ozeans eines Tages erschöpft? Um diese Frage geht es seit 2005 in dem EU-Forschungsprojekt CARBOOCEAN. In Bremen ziehen die rund 100 an dem Projekt beteiligten Experten derzeit eine Zwischenbilanz.

Von Frank Grotelüschen | 05.12.2007
    CO2 lässt sich bestens in Wasser lösen. Das merkt man immer dann, wenn man sich eine Flasche Sprudelwasser eingießt. Ähnlich vermag auch der Ozean Kohlendioxid zu lösen - und zwar in gewaltigen Mengen, sagt Christoph Heinze von der Universität Bergen in Norwegen. Er koordiniert das CARBOOCEAN-Projekt.

    "Wir wissen ja, dass CO2 den Hauptteil an dem Treibhauseffekt in der Atmosphäre hat. Im Augenblick kann der Ozean ungefähr ein Viertel des jährlichen CO2-Ausstoßes aufnehmen."

    Würden die Weltmeere kein CO2 lösen, fielen Treibhauseffekt und Klimaerwärmung noch stärker aus. Doch wie genau geht dieses Auflösen vor sich? Nun - gelöst wird das Gas an der Wasseroberfläche. Dann gelangt es mit den Meeresströmungen in Gebiete wie die Labradorsee. Dort sinkt das kalte und damit schwere Wasser in die Tiefe sinkt und reißt das Kohlendioxid mit nach unten - ein Art Förderband für Treibhausgas. Heinze:

    "Das macht der Ozean durch die Ozeanzirkulation. Und das dauert lange."

    Pustet nun der Mensch immer mehr CO2 in die Atmosphäre, könnte der Ozean mit seiner langsamen Zirkulation nicht mehr nachkommen, befürchten die Forscher. Deshalb haben sie in den letzten Jahren systematisch untersucht, wo genau im Ozean welche CO2-Konzentration herrschen. Das Resultat:

    "Es zeigt sich, dass die Aufnahmerate Schwankungen unterliegt - abhängig von Klimaänderungen und der Höhe des CO2-Gehalts in der Atmosphäre selbst."

    Rainer Steinfeldt von der Universität Bremen sagt:

    "Ein Beispiel ist die Tiefenwasserbildung im Nordatlantik. Insbesondere in der Labradorsee sinkt Wasser von der Oberfläche bis in 2000 Meter Tiefe ab. Das war aber nur in den 90er Jahren so. Das hat im Moment stark nachgelassen. Und demzufolge sehe ich auch einen Rückgang der CO2-Aufnahme von diesem Labradorseewasser. Das bedeutet im Endeffekt, dass in der Atmosphäre mehr CO2 übrig bleibt."

    Im Winter kühlt sich das Wasser im Moment weniger stark ab. Die Folge: Die Ozeanzirkulation wird schwächer, weniger Wasser sinkt in die Tiefe - und damit auch weniger Kohlendioxid. Womöglich ein globaler Trend, meint Rainer Steinfeldt.

    "Anteilsmäßig wird das weniger. Aber trotzdem wird der Ozean weiterhin CO2 aufnehmen. Aber es sind dann eben nicht mehr 25 Prozent, sondern dieser Anteil wird langsam sinken. Je mehr CO2 schon im Ozean drin ist, desto mehr sinkt die Fähigkeit des Ozeans, noch weiteres CO2 aufzunehmen."

    Was droht, ist ein unheilvoller Rückkoppelungseffekt: Wenn die globale Temperatur steigt, werden auch die Weltmeere wärmer. Damit aber sinkt immer weniger kaltes Oberflächenwasser in die Tiefe und kann immer weniger CO2 mit sich reißen.

    Und es gibt noch einen weiteren Aspekt: CO2 in Wasser gelöst, das ergibt Kohlensäure. Je mehr CO2 der Ozean also löst, desto saurer wird er. Eine Gefahr für die maritime Fauna und Flora, meint Christoph Heinze:

    "Das wurde lange übersehen. Das bereitet den Meeresbiologen sehr viele Sorgen, weil man noch nicht weiß, wie die einzelnen Lebewesen drauf reagieren. Man weiß von einigen, dass es da wirklich problematisch wird, vor allem bei den Korallen."

    Ähnlich wie Zitronensäure die Kaffeemaschine entkalkt, droht ein saurer Ozean die Kalkschalen von Meerestieren aufzulösen. Und tatsächlich: Die Tiefen des Nordatlantiks werden allmählich saurer. Das haben die Forscher schon gemessen. Heinze:

    "Das zusätzliche CO2, das in den Ozean eingebracht wurde seit Beginn der Industrialisierung, greift schon bis in mehrere tausend Meter Tiefe durch und löst da schon das durch Lebewesen abgelagerte Kalkmaterial langsam auf."

    Als erste dürfte es die Tiefwasserkorallen treffen. Ihre Kalkschalen nämlich sind besonders empfindlich.