Donnerstag, 25. April 2024

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Haltung der Union zum Irak-Krieg

Heuer: Hierzulande befindet sich Angela Merkel auf riskantem Kurs. Die CDU-Vorsitzende unterstützt die US-Regierung im Irak-Krieg und verliert darüber Zustimmung in den eigenen Reihen. Nach jüngsten Meinungsumfragen teilen nur 20 Prozent der Unionsanhänger die Position Merkels, 60 Prozent finden dagegen die Anti-Kriegspolitik der rot-grünen Regierung richtig. Inzwischen warnen auch immer mehr namhafte Unionspolitiker Merkel davor, den Kontakt zur Basis zu verlieren. Nicht so Roland Koch, der hessische Ministerpräsident. Guten Morgen, Herr Koch.

31.03.2003
    Koch: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Harsche Kritik gibt es heute früh von Karl Lamers, dem CDU-Außenpolitiker. Er hat gesagt, er verstehe Merkel nicht, dass sie sich so vorbehaltlos an die Amerikaner hängt. Verstehen Sie Herrn Lamers, Herr Koch?

    Koch: Auch in der CDU kann es unterschiedliche Meinungen in einer so schwierigen Frage geben. Selbstverständlich. Wie könnten wir glauben, dass bei einer solchen Auseinandersetzung in unserer Bevölkerung auf einmal all diejenigen, die in der CDU Verantwortung tragen, einer Meinung sind. Allerdings gilt auch für Herrn Lamers: Eine Partei muss am Ende in der Lage sein, eine Meinung zu bilden und zu vertreten. Das hat Angela Merkel mit dem Präsidium, mit dem Bundesvorstand der CDU sehr sorgfältig und umfangreich getan. Hier ist niemand überrascht worden. Dort haben wir eine gemeinsame Auffassung festgelegt, die Angela Merkel jetzt vertritt und ich meine, wenn man Verantwortung trägt, wie auch Herr Lamers das in der Bundestagsfraktion tut, dann sollte man auch die Gelassenheit und die Kraft haben, diese gemeinsame Meinung, die die Fraktionsvorsitzende und Parteivorsitzende vertritt, öffentlich mitzuvertreten oder zu schweigen. Es hilft dem Bürger nicht, wenn wir uns in einen vielstimmigen Chor am Ende begeben.

    Heuer: Aber die gemeinsame Auffassung der Parteispitze ist nicht unbedingt die gemeinsame Auffassung der Parteibasis, und deshalb haben andere Christdemokraten wie beispielsweise Peter Müller aus dem Saarland und Wolfgang Böhmer aus Sachsen Anhalt davor gewarnt, dass die CDU-Spitze den Kontakt eben zu dieser Basis verlieren könnte. Haben die beiden denn völlig unrecht, denn die Kritik nimmt ja zu?

    Koch: Politik ist nicht das Nacharbeiten von Meinungsumfragen. Das gilt insbesondere für Parteiführungen, und ich glaube deshalb, dass Angela Merkel recht hat, wenn sie sich zunächst die Frage gestellt hat und sie mit uns diskutiert hat. Das ist ja keine Entscheidung von ihr, sondern es ist eine Entscheidung, die in den Parteigremien der CDU gefallen ist. Gott sei Dank hat sich die öffentliche Meinung sehr, sehr kritisch mit der Frage militärische Auseinandersetzung und Krieg beschäftigt. Wir wollten in diesem Land nichts anderes. Dass aber eine politische Führung auch die Frage stellen muss: In welcher Weise wird ein Land behandelt, mit dem wir über Jahrzehnte befreundet sind und dass sich auf den Weg gemacht hat, nicht eigene Interessen zu sichern, sondern einen der sicherlich gefährlichsten und menschenverachtendsten Diktatoren der Welt mit seinem Regime zu beseitigen.

    Heuer: Sie haben gesagt, Herr Koch, Angela Merkels Position sei historisch richtig. Die Frage ist doch aber auch: Ist sie auch politisch klug, denn es gibt nicht nur eine Mehrheit der Deutschen, die gegen den Krieg ist, sondern es gibt auch Kommentatoren, die prophezeien, dass je länger und je zäher dieser Krieg mit vielleicht nicht einmal überzeugendem Ausgang geführt wird um so mehr Schaden Angela Merkel als Parteivorsitzende erleiden wird?

    Koch: Wenn sich politische Klugheit darin messen würde, Frau Heuer, ob man in der jeweiligen aktuellen Situation einer Meinung ist, auf der Welle der Zustimmung schwimmt oder nicht, dann wäre die Frage richtig. Ich glaube aber, dass Angela Merkel zu Recht analysiert - und ich persönlich sehe das genauso -, dass man in dieser Frage, wenn man Verantwortung in der Politik übernommen hat, nicht immer nur ankommt, sondern man muss persönlich davon überzeugt sein. Wenn eine bestimmte Position richtig ist, dann muss man sie auch vertreten, wenn sie einer aktuellen Mehrheitsstimmung widerspricht. Die CDU ist in ihrer Geschichte durchaus häufig in Situationen gewesen, in denen sie das - gerade wenn es um außenpolitische Fragen ging - getan hat, und ich glaube, das darf man in diesen Tagen auch nicht ganz unterschlagen. Die Frage der NATO-Nachrüstung vor 20 Jahren ist etwa mit den gleichen Überschriften gegen CDU-Politiker geführt worden, wie das heute der Fall ist. Nur: ohne die Fähigkeit einer Partei dies in Deutschland durchzusetzen, wäre am Ende eine Entwicklung und wie die deutsche Wiedervereinigung und der Fall der Mauer nicht denkbar gewesen. Das heißt, Meinungsumfragen an einem Tag und historische Dimensionen von Entscheidungen sind gelegentlich ein Unterschied, und ich glaube, dass es historisch richtig ist zu signalisieren, dass nicht ganz Deutschland vergessen hat, was wir in den letzten 50 Jahren mit Amerika zusammen getan haben, sondern dass bei aller Kritik im Detail, dass bei aller Diskussion darüber, dass wir es lieber gesehen hätten, wenn der Weltsicherheitsrat in dieser Frage eine gemeinsame Entscheidung getroffen hätte, dass aber dennoch am Ende übrig bleibt, dass hier ein Regime bekämpft wird, dass den Weltfrieden in massiver Weise bekämpft hat und auch uns in der Bundesrepublik Deutschland bedroht.

    Heuer: Herr Koch, Sie haben aber auch gesagt, dass sie nicht jedes Wort von Angela Merkel unterstützten. Welches Wort unterstützen Sie denn nicht?

    Koch: Ich habe in dem Zusammenhang keinen Anlass, eine Differenzierung zu Angela Merkel einzuführen.

    Heuer: Friedrich Merz hat gesagt, die Position der Parteispitze sei genau richtig, weil in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Woran liegt es denn dann, dass viele einfach nicht genau verstehen, was Merkel meint und will?

    Koch: Ich glaube, dass es keine Frage des genauen Verstehens ist. Nicht jeder, der alles versteht, muss allem zustimmen.

    Heuer: Man hat aber den Eindruck, dass es bei der Bevölkerung sehr diffus ankommt, welche Position die CDU-Spitze zum Irak-Krieg einnimmt.

    Koch: Das liegt aber ganz sicherlich nicht an Angela Merkel. Das ist eine Frage, die an andere, die einen Namen haben, zur Diskussion zu stellen ist. Die CDU ist im Augenblick dabei - und darüber müssen wir innerparteilich diskutieren und da habe ich Ihnen heute auch eine klare Antwort auf Ihre erste Frage heute Morgen gegeben -, dass das was wir in den Gremien beschlossen haben, die Meinung der CDU ist und nicht etwa die alleinstehende Meinung unserer Parteivorsitzenden. Sie hat, nachdem sie die Meinungsbildung so herbeigeführt hat, einen Anspruch darauf, dass wir es gemeinsam vertreten. Ich will aber auch hinzufügen, dass das kein formaler Anspruch ist, sondern nach der ganz, ganz überwiegenden Meinung der Mitglieder des Präsidiums und des Bundesvorstandes der CDU ist es die in der Sache richtige Auffassung, die im Augenblick in Deutschland, in der eine Stimmung entsteht, in der man den Eindruck hat, dass die Vereinigten Staaten diejenigen sind, die die Welt in Unfrieden stürzt und vergessen machen, was wir in den Jahrzehnten, in den letzten Jahren und teilweise auch in den letzten Monaten an terroristischer Bedrohung sehr gezielt durchaus auch aus dem Irak erlebt haben, um dann in einer solchen Situation dann doch die Position aufrecht zu erhalten, die wir glauben, dass sie in einer mittelfristigen Perspektive historisch - bleiben wir bei dem Begriff - richtig ist.

    Heuer: Ich frag noch einmal danach, welche Position das genau ist, aber mit einem Beispiel: Was hat es denn konkret bedeutet, als Merkel sagte, sie unterstütze das US-Ultimatum mit allen Konsequenzen? Bedeutet das, dass die CDU die faktische Entmachtung der UN zu diesem Zeitpunkt in Ordnung gefunden hat?

    Koch: Diese Diskussion über die Frage des Weltsicherheitsrats ist aus meiner Sicht zutiefst heuchlerisch. Wir, die Bundesrepublik Deutschland, die rot-grüne Regierung allen voran haben vor einigen Jahren alles getan, um eine Abstimmung des Weltsicherheitsrats zu vermeiden, bevor man militärisch Jugoslawien angegriffen hat, weil man genau wusste, dass ein Veto Russlands einen solchen Beschluss des Weltsicherheitsrats verhindert hätte und man dann die Menschenrechtsverletzungen in Jugoslawien nicht hätte militärisch bekämpfen können. Insofern muss jeder wissen, der hier heute argumentiert, es gehe nur um den Weltsicherheitsrat, dass er seine eigene, sehr, sehr kurzfristige Vergangenheit vergessen machen will. Uns wäre es lieber gewesen - aber da hätte die Bundesrepublik Deutschland einen gewaltigen Beitrag zu leisten können -, dass der Weltsicherheitsrat so geschlossen wie er die Resolution verabschiedet hat, auch die Durchsetzung der Resolution betrieben hätte. Wer heute die Berichte der Waffeninspektoren sieht und liest, der weiß ja, dass eben in dem Augenblick, in dem die Weltgemeinschaft verfallen ist, die Bereitschaft von Saddam Hussein, an einer Entwaffnung mitzuwirken, wieder eben auch in Frage gestellt und Tag für Tag schwieriger geworden ist. Gerade in der letzten Woche konnte jeder, der das lesen will, es lesen, und deshalb bleibt am Ende: Es ist auch eine Frage der Weltgemeinschaft, ob sie sich einer solchen Bedrohung wie der Irak sie darstellt auf Dauer gefallen lässt und gefallen lassen darf, es verantworten kann, so etwas hinzunehmen oder nicht. Die Frage wird in Deutschland im Augenblick nicht mehr sehr häufig gestellt. Die CDU stellt sie nach wie vor, und ich halte das auch für richtig.

    Heuer: Roland Koch war das, der hessische Ministerpräsident. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Koch.

    Link: Interview als RealAudio