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Hamburg
Orgel der Elbphilharmonie ist fertig

Die Elbphilharmonie in Hamburg strebt nach etlichen Querelen und Verzögerungen im Zeitplan nun ihrer Vollendung entgegen: Am 11. Januar 2017 wird ein prominent besetztes Konzert das rund 865 Millionen Euro teure Konzerthaus eröffnen. Schon jetzt gab es eine erste Klangprobe. Denn die Konzertorgel der Elbphilharmonie ist fertig.

Von Dagmar Penzlin | 20.09.2016
    Blick auf die Elbphilharmonie in der Hafencity in Hamburg - sie wurde mehr als zehn Mal so teuer als geplant
    Erstes Instrument im Konzertsaal: Die Hamburger Elbphilharmonie hat eine Orgel (dpa / picture-alliance / Maja Hitij)
    Wie aus dem Nichts perlen die ersten Töne in den Saal, bevor der Orgelklang anschwillt und die Elbphilharmonie flutet. Der erste akustische Eindruck fasziniert: Die Musik klingt klar, edel, präsent und gleichzeitig transparent. Eigentlich verwundert dieser hervorragende Raumklang nicht, denn der japanische Top-Akustiker Yasuhisa Toyota hat die klanglichen Möglichkeiten des neuen Hamburger Konzertortes ausgetüftelt.
    Orgel in der ElbphilharmonieMediennummer:83916727Beschreibung:Die Titularorganistin Iveta Apkalna spielt am 16.09.2016 am Orgelspieltisch auf der Bühne im Großen Saal der Elbphilharmonie in Hamburg.
    "In puncto Akustik des Saales ist jetzt baulich nichts mehr zu machen." (dpa / picture alliance / Georg Wendt)
    Ähnlich wie in der Berliner Philharmonie ist der große rund 2.100 Plätze umfassende Saal der Elbphilharmonie nach dem Weinberg-Prinzip gebaut, nur viel steiler: Die Bühne in der Mitte umgeben aufsteigende Publikumsränge. Alles, ob Windungen und Schwingungen der Ränge oder die Wände an sich, sind von einer weißen Haut aus kunstvoll ein- und ausgebuchtetem, teilweise auch gelochtem Gipskarton überzogen. Alles dient unübersehbar dem optimalen Klang.
    "Die Orgel kann alles!”
    Die lettische Organistin Iveta Apkalna lässt das mögliche Klang-Spektrum der 69 Register ahnen. Bevor sie als Hausorganistin der neuen Elbphilharmonie-Orgel der Öffentlichkeit eine erste Kostprobe gab, hatte die erfahrene Musikerin zu Protokoll gegeben: "Die Orgel kann alles!"
    "Ich hab damit gemeint, dass man hier tatsächlich alle Stile von Orgelmusik spielen kann. Und vor allem, was ich sehr toll finde: Die Orgel inspiriert! So hoffe ich, dass die Orgel wird viele Komponisten inspirieren, für die Orgel zu komponieren. "
    Iveta Apkalna wird in den Eröffnungskonzerten der Hamburger Elbphilharmonie im Januar zusammen mit Orchester an der Orgel zu erleben sein. Noch hatte die lettische Musikerin keine Gelegenheit, sich ausführlich - also allein und mit viel Zeit - der neuen Orgel zu widmen. Doch schon jetzt begeistert sich Apkalna für das Zusammenspiel von Instrument und Akustik der Elbphilharmonie.
    Der fixe Orgelspieltisch, aufgenommen am 16.09.2016 im Großen Saal der Elbphilharmonie in Hamburg.
    'Gute Akustik’ bedeutet 'große Akustik’ (dpa / picture alliance / Georg Wendt)
    "Mein Eindruck ist wirklich sehr gut, weil ich bin nicht der Meinung, dass ‚gute Akustik’ bedeutet ‚große Akustik’. Das heißt, wenn wir mehr oder weniger komplizierte Partituren an der Orgel spielen, spielen wir mehrere Linien. Wir haben rechte Hand, linke Hand, rechten Fuß, linken Fuß – wir haben mehrere Schichten in der Musik. Ich möchte alles ganz deutlich ‚sprechen’. Das ist ganz oft sehr schwierig in großen Kirchräumen oder in einem Raum mit einer ‚größeren’ Akustik. Zum Glück: Hier ist alles absolut optimal."
    Die lettische Organistin Iveta Apkalna sitzt am zweiten, mobilen Spieltisch der Elbphilharmonie-Orgel auf der Bühne und blickt beim Musizieren hinauf zum 14 Meter hohen und 14 Meter breiten Instrument, zu den teilweise bis zu zehn Meter hohen Orgelpfeifen, die ganz dicht hinter den Sitzreihen installiert sind – über mehrere Ränge verteilt. Sie blickt hoch auch zum eigentlichen mechanischen Spieltisch, den ein Vorhang aus Orgelpfeifen verbergen kann.
    Klangkraftwerk für zwei Millionen Euro
    Ursprünglich hatten die Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron keine Orgel eingeplant. In einem nachträglichen Wettbewerb konnten sich Orgelbauer um den Auftrag bewerben. Die Bonner Werkstatt Johannes Klais Orgelbau machte das Rennen. Sie setzte das Konzept des Orgelsachverständigen Manfred Schwartz um. Ein zentraler Punkt: Das Fernwerk ist im trichterförmigen Deckenreflektor verstaut. Und das sorge für ein besonderes Klangerlebnis. So Schwartz.
    "Es gibt Konzertsäle, wo das woanders ist irgendwo, aber dass es wirklich in einem Reflektor direkt über der Bühne, wo auch die Musiker sind, das dürfte einmalig sein. Und es hat den Effekt: Sie brauchen nur ein oder zwei Register ziehen und Sie wissen nicht mehr woher der Klang kommt. Sie baden im Klang!"
    Zwei Millionen Euro hat das Instrument gekostet. Ein Klangkraftwerk, das laut Schwartz wirklich "orchesterfähig" sein wird.
    Das Konzertgebäude der Elbphilharmonie ist in Hamburg an der Elbe zu sehen.
    Die Hamburger Elbphilharmonie sollte eigentlich schon 2010 eröffnet werden. Nun wird es - vermutlich - 2017. (dpa/ picture-alliance/ Markus Scholz)
    "Es gibt viele moderne Orgeln, die in den letzten zehn oder 20 Jahren in Deutschland gebaut worden sind. Die versagen in dem Moment, wo das Orchester und das Blech loslegt. Und dann hört man nur noch hohe Töne und was Tiefes und dazwischen nichts mehr. Und das war meine Intention hier eben nicht. Deswegen dieser Rückgriff. Es fiel schon das Stichwort ‚Deutsche Romantik’, das bedeutet: viele Grundstimmen, viele Farben."
    Die Orgel der Elbphilharmonie ist nun fertig – nur noch letzte Stimmarbeiten stehen vor der Eröffnung an. Und auch der große Saal wirkt schon sehr fertig. Aus dem verstellbaren Deckenreflektor hängen nur noch einige Lasthaken. Die hellgrau bezogenen Sessel fürs Publikum haben Wohlfühl-Polster, Beinfreiheit ist gegeben. Aktuell geht es jetzt darum, den Saal für den Konzertalltag auszuprobieren, sagt Generalintendant Christoph Lieben-Seutter.
    "In puncto Akustik des Saales ist jetzt baulich nichts mehr zu machen. Da geht es jetzt nurmehr um die Feinjustierung in den Konzerten. Wie positionieren wir am besten den Chor, wie hoch fahren wir die Podeste, sind die Kontrabässe besser links oder besser hinten oder besser rechts. Das hängt auch zum Teil von den Vorlieben der Orchester und der Dirigenten ab."
    Orgelpfeifen zum Anfassen
    Die Elbphilharmonie wird am Ende rund 865 Millionen Euro kosten, die öffentliche Hand beteiligt sich mit 789 Millionen Euro. Eine stattliche Investition in die Musikstadt Hamburg. Und die Losung lautet: Die Elbphilharmonie solle ein "Haus für alle" sein. Dazu passt jetzt sehr gut, dass die Orgel eine zum Anfassen geworden ist. Und das im wahrsten Wortsinne: Dank einer Spezial-Oberfläche ist es dem Publikum erlaubt, die Orgelpfeifen – die so dicht an den Sitzreihen stehen – zu berühren.