Jedesmal wenn einer von uns im Hinterhalt oder durch eine Mine verwundet wurde, kam mir die gleiche quälende Frage, mir einem Sohn der portugiesischen Jugend: wer ermordet uns hier eigentlich.
Als einer der ersten Autoren seines Landes hat Antonio Lobo Antunes 1979 fünf Jahre nach der Nelkenrevolution mit seinem Roman "Der Judaskuss" das Schweigen über Portugals schmutzigen Kolonialkrieg in Angola gebrochen, in einem Buch, in das er – wie später in so viele seiner Romane - die eigenen traumatischen Erfahrungen aus diesem Krieg einbrachte, an dem er 27 Monate lang bis 1972 als Militärarzt teilnehmen musste. Antunes selbst allerdings sagt von sich, er habe nie über diesen Krieg geschrieben, ein Krieg sei zu grausam, zu ungeheuer, um ihn je in Worte fassen zu können.
"Das Kinn, der Mund und die Nase, das linke Ohr, Teile von Knorpeln und Knochen und Blut gruben sich in das Zinkdach wie in Ringe eingelassene Steine. Klebrige Flüssigkeiten sprudelten aus dem aufgerissenen Loch an der Kehle. "
Mit einer Art szenisch aufgelösten Lesung mit dem Schauspieler Werner Wölbern und unter der Leitung der Regisseurin Tina Lanik setzten gestern die Salzburger Festspiele einen Akzent in ihrer Hommage an Antonio Lobo Antunes, der neben John M. Coetzee und Elfriede Jelinek in diesem Jahr in Salzburg als Dichter zu Gast ist Lobo Antunes allerdings, der aus einer Art Selbstschutz heraus sein jeweils vollendetes Werk vergisst, um überhaupt ein neues Buch beginnen zu können, er erinnert sich, wie er sagt, kaum noch an den vor 26 Jahren entstandenen Judaskuss.
"Ich fühle mich heute weit vom Judaskuss entfernt, damals begann ich meine Bücher immer mit einem sehr detaillierten dramaturgischen Plan, wie und was ich schreiben wollte. Ich hatte noch nicht kapiert, dass ein Buch ein gleichsam lebender Organismus ist. Wenn ich heute ein Buch beginne, habe ich praktisch nichts in Händen, ich bin arm wie die Toten und das Buch schreibt sich dann selbst. Ich möchte das Leben in seiner Gänze zwischen den Buchdeckeln einfangen, mich interessieren nicht wirklich Geschichten und in den besten Augenblicken fühle ich mich wie eine Hand die schreibt, was eine irgendeine Stimme ihr diktiert. Aber für mich sind das keine Bücher über Angola, den Krieg, Afrika oder Lissabon. "
Und dennoch kehrt fast bis heute der Krieg und das Land Angola in den Romanen von Antonio Lobo Antunes als Motiv zurück, noch einmal und wie Antunes hofft zum letzten Mal in seinem drittletzten Roman, der im September unter dem Titel "Guten Abend ihr Dinge hier unten" nun auf deutsch erscheint und den die Salzburger Festspiele bereits jetzt in einer Lesung des Autors vorstellten. Es ist ein Roman der in der Gestalt eines Diamententhrillers die Geschichte Angolas vom Ende der portugiesischen Kolonialherrschaft bis heute erzählt und der zeigt, zu welcher musikalischen Vollkommenheit die vielstimmige und zugleich fragmentierte Erzählkunst des ewigen Nobelpreisanwärters Antunes inzwischen gelangt ist. Doch die Begegnung mit seinem wuchtigen Werk, das in seiner menschlichen und ästhetischen Unerbittlichkeit wohl einzigartig in der Weltliteratur dasteht, diese Begegnung wird erst komplettiert durch die Möglichkeit dem Autor in Salzburg persönlich zu begegnen, der sich mit einer großen Demut in den Dienst seines literarischen Schaffens gestellt hat, für den es allerdings auch keine Alternative gibt:
" Eigentlich weiß man nicht, warum man schreibt, man weiß nur, dass man schreiben muss und dass das Leben sinnlos wird, wenn man es nicht tut. Auch jetzt hier, sagt Antonio Lobo Antunes, auch jetzt hier, sobald ich einen Augenblick frei bin, gehe ich ins Hotelzimmer um…"
Und dann macht er eine fast ein wenig hilflos wirkende Handbewegung des Schreibens.
"Aber es gibt eben auch ein großes Glücksgefühl in diesem Schreiben, sagt er und lächelt dabei dieses Lächeln, das sicherlich von Herzen kommt und doch so gequält erscheint, zumindest hat man ein Gefühl, vielleicht auch Tränen, wenn die Hand glücklich ist. "
Als einer der ersten Autoren seines Landes hat Antonio Lobo Antunes 1979 fünf Jahre nach der Nelkenrevolution mit seinem Roman "Der Judaskuss" das Schweigen über Portugals schmutzigen Kolonialkrieg in Angola gebrochen, in einem Buch, in das er – wie später in so viele seiner Romane - die eigenen traumatischen Erfahrungen aus diesem Krieg einbrachte, an dem er 27 Monate lang bis 1972 als Militärarzt teilnehmen musste. Antunes selbst allerdings sagt von sich, er habe nie über diesen Krieg geschrieben, ein Krieg sei zu grausam, zu ungeheuer, um ihn je in Worte fassen zu können.
"Das Kinn, der Mund und die Nase, das linke Ohr, Teile von Knorpeln und Knochen und Blut gruben sich in das Zinkdach wie in Ringe eingelassene Steine. Klebrige Flüssigkeiten sprudelten aus dem aufgerissenen Loch an der Kehle. "
Mit einer Art szenisch aufgelösten Lesung mit dem Schauspieler Werner Wölbern und unter der Leitung der Regisseurin Tina Lanik setzten gestern die Salzburger Festspiele einen Akzent in ihrer Hommage an Antonio Lobo Antunes, der neben John M. Coetzee und Elfriede Jelinek in diesem Jahr in Salzburg als Dichter zu Gast ist Lobo Antunes allerdings, der aus einer Art Selbstschutz heraus sein jeweils vollendetes Werk vergisst, um überhaupt ein neues Buch beginnen zu können, er erinnert sich, wie er sagt, kaum noch an den vor 26 Jahren entstandenen Judaskuss.
"Ich fühle mich heute weit vom Judaskuss entfernt, damals begann ich meine Bücher immer mit einem sehr detaillierten dramaturgischen Plan, wie und was ich schreiben wollte. Ich hatte noch nicht kapiert, dass ein Buch ein gleichsam lebender Organismus ist. Wenn ich heute ein Buch beginne, habe ich praktisch nichts in Händen, ich bin arm wie die Toten und das Buch schreibt sich dann selbst. Ich möchte das Leben in seiner Gänze zwischen den Buchdeckeln einfangen, mich interessieren nicht wirklich Geschichten und in den besten Augenblicken fühle ich mich wie eine Hand die schreibt, was eine irgendeine Stimme ihr diktiert. Aber für mich sind das keine Bücher über Angola, den Krieg, Afrika oder Lissabon. "
Und dennoch kehrt fast bis heute der Krieg und das Land Angola in den Romanen von Antonio Lobo Antunes als Motiv zurück, noch einmal und wie Antunes hofft zum letzten Mal in seinem drittletzten Roman, der im September unter dem Titel "Guten Abend ihr Dinge hier unten" nun auf deutsch erscheint und den die Salzburger Festspiele bereits jetzt in einer Lesung des Autors vorstellten. Es ist ein Roman der in der Gestalt eines Diamententhrillers die Geschichte Angolas vom Ende der portugiesischen Kolonialherrschaft bis heute erzählt und der zeigt, zu welcher musikalischen Vollkommenheit die vielstimmige und zugleich fragmentierte Erzählkunst des ewigen Nobelpreisanwärters Antunes inzwischen gelangt ist. Doch die Begegnung mit seinem wuchtigen Werk, das in seiner menschlichen und ästhetischen Unerbittlichkeit wohl einzigartig in der Weltliteratur dasteht, diese Begegnung wird erst komplettiert durch die Möglichkeit dem Autor in Salzburg persönlich zu begegnen, der sich mit einer großen Demut in den Dienst seines literarischen Schaffens gestellt hat, für den es allerdings auch keine Alternative gibt:
" Eigentlich weiß man nicht, warum man schreibt, man weiß nur, dass man schreiben muss und dass das Leben sinnlos wird, wenn man es nicht tut. Auch jetzt hier, sagt Antonio Lobo Antunes, auch jetzt hier, sobald ich einen Augenblick frei bin, gehe ich ins Hotelzimmer um…"
Und dann macht er eine fast ein wenig hilflos wirkende Handbewegung des Schreibens.
"Aber es gibt eben auch ein großes Glücksgefühl in diesem Schreiben, sagt er und lächelt dabei dieses Lächeln, das sicherlich von Herzen kommt und doch so gequält erscheint, zumindest hat man ein Gefühl, vielleicht auch Tränen, wenn die Hand glücklich ist. "