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Handelsstreit um Strafzölle
BGA-Präsident befürchtet, dass "Trump es durchziehen wird"

Zwar sei der US-Präsident Donald Trump in der Lage Strafzölle einzuführen, doch habe er dazu absolut nicht das Recht, sagte Holger Bingmann, der Vorsitzende des deutschen Außenhandelsverbandes (BGA), im Dlf. Die EU müsse über die Welthandelsorganisation klären lassen, ob diese Maßnahme überhaupt rechtens sei.

Holger Bingmann im Gespräch mit Philipp May | 07.03.2018
    US-Präsident Donald Trump hat mit Strafzöllen auf europäische Autos gedroht.
    Trump droht mit Strafzöllen auf europäische Autos (dpa/ Kyodo / MAXPPP)
    Philipp May: Bereits vor dieser Sendung habe ich mit Holger Bingmann, Vorsitzender des deutschen Außenhandelsverbandes (BGA), gesprochen. Er warnt vor europäischen Vergeltungsmaßnahmen gegenüber den USA. Daher meine erste Frage an ihn: Sollen wir uns alles von Trump gefallen lassen?
    Holger Bingmann: Wir sollten uns es nicht gefallen lassen. Wir sollten von Anfang an eine klare Antwort haben. Aber rein juristisch ist er leider in der Lage, falls er wirklich zu diesem letzten Schritt geht, Schutzzölle für Stahl und Aluminium zu erheben. Ja, dazu ist er leider in der Lage.
    May: Aber die EU sagt doch, er ist da eigentlich nicht im Recht und könnte ja deswegen auch die WTO, die Welthandelsorganisation anrufen.
    Bingmann: Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt, dass wir unbedingt über die WTO gehen sollten, die ja auch Amerika seit Jahrzehnten unterstützt und korrekterweise nutzt, ja auch zu ihrem eigenen Vorteil, und klären, ob das hier rechtens ist. Denn es wird ein Argument angebracht zum Schutz der nationalen Sicherheit, und das ist sicherlich mehr als unverständlich. Denn die Hälfte der Stahlkonsumtion in Amerika wird aus lokal produziertem, ein großer Anteil bei NATO-Partnern und allen anderen Verbündeten. Inwiefern da von einer Stahlproduktion eine nationale Sicherheit gefährdet sein soll, ist mehr als meiner Meinung nach an den Haaren herbeigezogen.
    !May:!! Dann ist er juristisch doch nicht im Recht, Ihrer Meinung nach?
    Bingmann: Er ist unserer Meinung nach absolut nicht im Recht. Aber er ist in der Lage, zu dieser Maßnahme zu greifen. Was ich wichtiger finde ist, dass er alleine nicht in der Lage wäre, überhaupt die Mitgliedschaft und auch die Regularien des WTO infrage zu stellen. Das dürfte er nur unter Unterstützung des Repräsentantenhauses. Und da ihm gerade Gott sei Dank die Gefolgschaft Stück für Stück abhandenkommt und ja auch aus seiner eigenen Partei im Rahmen des Repräsentantenhauses vehementer Widerstand auftritt, wäre er dazu nicht in der Lage.
    "Immer einen draufsatteln ist doch Käse"
    May: Sie haben gerade gesagt, die EU muss eine adäquate Antwort finden. Heute hat sie eine Antwort gegeben und hat gesagt: Wenn er das wirklich durchzieht, sollte die USA wirklich Strafzölle auf Stahl und Aluminium erheben, dann würden auch von der EU einzelne Branchen beziehungsweise Firmen wie Bourbon Whisky, Blue Jeans, Harley-Davidson, Erdnussbutter - Orangensaft war es, glaube ich, auch -, ebenfalls mit Strafzöllen belegt. Ist das okay?
    Bingmann: Das ist das, wovor ich eigentlich am meisten Angst habe. Was wir doch vermeiden sollten ist, hier eine Spirale in Gang zu setzen, ich mache das, Du machst das, dann reagiere ich darauf. Wir kennen das doch aus dem privaten Bereich, wenn man vielleicht mal Streit hat. Immer einen draufsatteln ist doch Käse, anstatt sich mal hinzusetzen und noch mal tief durchzuatmen und die Situation mal in Ruhe zu beleuchten. Meine große Angst ist, wenn er jetzt damit anfängt, dass die Europäische Union entsprechend antwortet, er dann wieder einen Emotionalen draufsetzt. Das müssen wir vermeiden, denn das bringt eine fundamentale Unruhe in den Welthandel.
    "Es muss klipp und klar aufgezeigt werden, es wird Reaktionen hervorrufen"
    May: Also hat die EU heute einen Fehler gemacht.
    Bingmann: Nein, nein. Sie haben keinen Fehler gemacht. Sie haben ganz klipp und klar deutlich gemacht, dass wir zu Gegenreaktionen in der Lage sind und dass wir sie auch machen werden. Dazu stehen wir. Dazu stehen wir auch als Handelsverband. Das muss sein. Es muss klipp und klar aufgezeigt werden, es wird Reaktionen hervorrufen. Aber man muss doch bis zum letzten Punkt im Gespräch bleiben. Wenn wir heute schon gesagt hätten, na ja, dann mach‘ mal, dann hätten wir ja auch wesentliche Zeit bis nächste Woche Mittwoch verloren, in der wir hoffentlich alle mit ihm auf allen Ebenen noch mal ins Gespräch kommen.
    May: Sie glauben, dass Trump nur blufft, mit anderen Worten, weil wenn er das wirklich durchzieht, dann kommen ja diese Gegenreaktionen?
    Bingmann: Ich befürchte, er blufft nicht, denn wir haben in den letzten Monaten, eineinviertel Jahren mit ihm erleben müssen, dass er nicht alles umgesetzt hat, was er angedroht hat, aber doch mit einer Hartnäckigkeit Dinge durchzieht, die ihm am Herzen liegen. Hier wurde ihm von seinem Berater Wilbur Ross – im Übrigen jemand, der im Stahlsegment in Amerika sehr viel Geld verdient hat – eine Maßnahme ans Herz gelegt, von der ich schon befürchte, dass er sie durchsetzen will. Ob die Europäer danach mit entsprechenden Zöllen antworten, ist ja noch nicht entschieden. Wir haben nur klargemacht, dass wir zu diesem Medium, nicht wir, sondern die Minister, greifen können.
    May: Das heißt, die Europäer sollen bluffen, Ihrer Meinung nach, androhen, aber dann nicht handeln?
    Bingmann: Es wäre sicherlich das Schönste, wenn keiner handelt, und ich hoffe, dass Trump auch versteht, wenn er bei Zöllen wir Harley-Davidson oder Erdnussbutter besteuern können, was für ein Blödsinn hier in Gang kommt, was für eine Unruhe in den Welthandel hineinkommt – meiner Meinung nach völlig unsinnig.
    "Strafzölle auf Autos würde Deutschland immens treffen"
    May: Aber am Ende sitzt Trump dann doch am längeren Hebel, wenn er wirklich seine Drohung, die nächste Drohung der schon von Ihnen angesprochenen Spirale wahr macht und Strafzölle auf Autos verhängt? Das würde ja Deutschland wirklich immens treffen.
    Bingmann: Das würde Deutschland immens treffen, sehen Sie, denn es trifft uns auch insbesondere bei den vielen Autos, und das sind zirka 800.000, die deutsche Hersteller in Amerika herstellen. Auch diese sind ganz vehemente Unruhen, die zu befürchten sind, wenn diese Spirale weitergeht. Das heißt, ich plädiere dafür, dass jeder hier ein klares Zeichen gesetzt hat, ich kann das, ich mache das, wenn Du nicht zur Besinnung kommst. Und meine Hoffnung ist noch immer, dass alle zur Besinnung kommen.
    May: Worauf gründen Sie die Hoffnung?
    Bingmann: Ich sage ganz ehrlich, es ist eine Hoffnung. Meine Befürchtung ist, dass Trump es durchziehen wird.
    "Durch seine sehr wandelsame Haltung verspielt Trump Glaubhaftigkeit"
    May: Richten Sie sich als Groß- und Außenhandelsverband schon auf einen Handelskrieg ein? Was machen Sie dann?
    Bingmann: Nein. Ich würde erst mal versuchen, das Wort Krieg hier in diesem Fall zu vermeiden, denn wir reden von Handel. Was ich merke ist, dass der amerikanische Präsident durch seine sehr wandelsame Haltung einfach Glaubhaftigkeit verspielt, denn wir haben erlebt, dass er erst draufgehauen hat, dann gab es eine Steuerreform, die für Amerikaner, aber auch für einige europäische Unternehmen durchaus etwas Positives ist. Dann gab es ein World Economic Forum in Davos mit erstaunlich positivem Zugehen auf Großunternehmen und jetzt gibt es auf einmal eine Rolle rückwärts oder einen Dolchstoß mit Schutzzöllen. Wie kann ein deutscher oder ein europäischer Unternehmer in diesem Land investieren, oder mit diesem Land noch Geschäfte machen? Ich als Unternehmer habe da meine Schwierigkeiten.
    May: Das heißt, Sie raten allen Ihren Mitgliedsorganisationen, nicht mehr in den USA zu investieren?
    Bingmann: Jedes Unternehmen, was hier Planungen hat, wird sich überlegen, ob man auf dieser Basis weiter investieren kann. Auf der anderen Seite, so wie vorhin dargestellt: Die Steuerreform hat vielen deutschen Unternehmen sogar in den 2017er-Ergebnissen erstaunlich positive Effekte gebracht. Das heißt, ich will absolut nicht den Handel mit Amerika verteufeln. Nur er muss ein bisschen planbarer werden und er muss für deutsche und europäische Unternehmen eine klare Perspektive haben.
    May: … sagt der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbandes (BGA), Holger Bingmann. Herr Bingmann, vielen Dank für das Gespräch.
    Bingmann: Sehr gerne. Einen schönen Abend noch, Herr May.
    May: Und das Interview haben wir wie schon gesagt vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.