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Handschlag zwischen Baptisten und Tauisten

Medizin. - In den Gehirnen von Alzheimer-Patienten finden Mediziner zwei Veränderungen: flächige Eiweißablagerungen aus Beta-Amyloid und winzige Eiweißknäuel aus dem so genannten Tau-Protein. Warum beide immer gemeinsam beobachtet werden, war den Forschern bislang ein Rätsel. Eine Schule schreibt den Beta-Amyloid-Ablagerungen die Schuld am Alzheimer zu, ihre Vertreter nennen sich Baptisten, mit dem griechischem Buchstaben Beta geschrieben. Andere, die so genannten Tauisten hielten die Tau-Protein-Bündel für die krankmachende Struktur. Jetzt müssen beide Gruppen sich die Hände reichen, denn aktuelle Ergebnisse zeigen: Amyloid-Ablagerungen und die Tau-Bündel hängen eng zusammen.

    Gleich mehrere Publikationen in "Science" und "Nature Neuroscience" widmen sich diese Woche dem Thema. Eine Forschergruppe um den Wissenschaftler Roger Nitsch von Universität Zürich hat Mäusen ein Gen gegeben, das bei ihnen zu den gleichen Hirnveränderungen führt wie bei Alzheimerpatienten. So gelang es ihnen erstmals, in einem Mäusehirn jene zwei krankhaften Strukturen hervorzurufen, die bei Menschen zu Gedächtnisverlust oder Lernstörungen führt. Das sind zum einen die Ablagerungen des giftigen Amyloid-Proteins und zum anderen so genannte Neurofibrillenbündel, die Tau-Tangles. Während man die Amyloid-Ablagerungen an den Schaltstellen findet, die für eine Verständigung der Nervenzellen untereinander verantwortlich sind, sitzen die Neurofibrillenbündel in den Nervenzellen.

    Die Diskussion, ob und welche dieser beiden Strukturen die Ursache der Alzheimer-Krankheit ist, ist fast ein Jahrhundert alt. Mit seinen Experimenten kam Nitsch der Lösung ein Stück näher. "Wir haben Beta-Amyloid synthetisch hergestellt, in das Gehirn einer Maus injiziert und innerhalb von weniger als drei Wochen gefunden, dass sich extrem viele neurofibrilläre Tangles gebildet haben, und zwar in einer Hirnregion, die von der Injektionsstelle entfernt war. Diese Untersuchungen zeigen erstmals, dass Amyloid an der Bildung dieser Neurofibrillen-Tangles ursächlich beteiligt sein kann," so der Zürcher Forscher. Zunächst scheint das Amyloid die Schaltzellen der Kommunikation zu zerstören, dann die Leitungen zwischen den Zellen. Sind diese Bahnen erst einmal defekt, muss das Tau-Protein zurück in die Zelle. Dort häuft es sich so stark an, dass die Zelle ihre Funktion verliert.

    Diesen Zellverfall, der auch bei Alzheimer-Patienten auftritt, wollen die Wissenschaftler künftig verhindern. Eine Impfung gegen die Amyloid-Ablagerungen, die bei Patienten an der Psychiatrischen Klinik der Uni Zürich bereits getestet wird, könnte gleichzeitig auch die neurofibrillären Tangles bekämpfen und so ein wirksames Mittel gegen Alzheimer darstellen.

    [Quelle: Sabine Goldhahn]