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Dortmund gegen Bayern
Hitzige Schiedsrichter-Debatte nach Bundesliga-Topspiel

3:2 gewinnt der FC Bayern München gegen Borussia Dortmund. Ein Spiel auf hohem Niveau, mit zahlreichen Torchancen und Weltklasse-Aktionen auf beiden Seiten. Aber: Auch einen Tag nach dem furiosen Spiel wird nur über eine Szene diskutiert.

Von Raphael Späth | 05.12.2021
Signal Iduna Park Dortmund, 4.12.2021, 1. Fussball Bundesliga Saison 2021/22, 14. Spieltag, Borussia Dortmund (BVB) vs F
Signal Iduna Park Dortmund, 4.12.2021, 1. Fussball Bundesliga Saison 2021/22, 14. Spieltag, Borussia Dortmund BVB vs FC Bayern München FCB - v.li.: Jude Bellingham BVB, Erling Haaland BVB, Mahmoud Dahoud BVB sind entsetzt über Schiedsrichter Felix Zwayer DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND/OR QUASI-VIDEO *** Signal Iduna Park Dortmund, 4 12 2021, 1 Football Bundesliga Season 2021 22, Matchday 14, Borussia Dortmund BVB vs FC Bayern Munich FCB v li Jude Bellingham BVB , Erling Haaland BVB , Mahmoud Dahoud BVB are appalled by referee Felix Zwayer DFL REGULATES PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND OR QUASI VIDEO (imago images/Kolvenbach)
"Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen und wo aufhören soll", sagt ein auch nach Abpfiff immer noch verärgerter Dortmund-Trainer Marco Rose im ZDF. Das lag vor allem an dem umstrittenen Elfmeterpfiff. Schiedsrichter Felix Zwayer lässt erst weiterspielen, entscheidet nach einem Videobeweis auf Elfmeter für den FC Bayern München.

Zwayer: "Brauchte eine weitere Perspektive"

"In der Situation Handspiel Hummels hatte ich selbst eine Wahrnehmung, eine faktische Wahrnehmung. Der Ball wird mit dem Arm abgewehrt, die Frage ist: Wie ist die Handhaltung? Dafür brauchte ich eine weitere Perspektive, die konnte mir der Videoassistent bieten", erklärt Zwayer nach dem Spiel bei Sky.
Dortmunds Mittelfeldspieler Emre Can ergänzte einen Dialog mit dem Schiri auf dem Feld: "Das ist einfach schade, weil ich gehört habe, dass der Elfmeter gegen uns für die Bayern 50:50 war."
Was die Dortmunder Gemüter besonders erhitzt: Im Gegensatz zur Hummels-Situation bemüht Zwayer wenige Minuten zuvor bei einer Szene im Münchner Strafraum den Videobeweis nicht.

Reus: "Dass er sich das nicht anschaut...Schade"

"Oh mein Gott", auch beim Betrachten der Fernsehbilder bei „Sky“ bleibt Dortmunds Kapitän Marco Reus dabei, dass es ein Foul von Lucas Hernandez gegen ihn war. "Ich habe ihn dann gefragt: Meine Elfmeterszene ist auch 50:50 und warum schaust du dir das nicht an? Und er sagt: Ja, es war nur Oberkörper. Aber ohne den Oberkörper laufe ich durch. Also, dass er sich das nicht nochmal anschaut… Schade."
"In der anderen Szene hatte ich eine vollständige Wahrnehmung und der Videoassistent hat nach der Überprüfung der Bilder keinen anderen Fakt, den er mir liefern kann", erklärt Schiedsrichter Felix Zwayer sich nach der Partie. "Hätte er gesagt: Moment, wir haben noch einen Schlag mit dem Arm oder ein deutliches Beinstellen, dann hätte er mich rausgerufen und gesagt: Trotz deiner Bewertung im Oberkörperbereich eines nicht-strafbaren Zweikampfes, zeige ich dir noch einen anderen Fakt und den solltest du überprüfen."

Nagelsmann findet Aufregung nachvollziehbar

Das passierte aber nicht und der BVB fühlt sich um den Lohn im Spitzenspiel gegen die nun mit vier Punkten führenden Bayern betrogen. Durchaus nachvollziehbar sei die Aufregung, findet sogar Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. "Ich verstehe natürlich, dass die zwei Situationen – der mögliche Elfmeter gegen uns und der dann gegebene gegen Mats für uns – Diskussionen auslösen können. Wenn ich jetzt nicht der Sieger wäre, würde ich auch darüber diskutieren, das kann ich absolut nachvollziehen."
"Die Entscheidungen sind heute wirklich zu Lasten des BVB ausgefallen und leider dann auch spielentscheidend", sagt Ex-Schiedsrichter Manuel Gräfe im ZDF. Wie viele Experten betont auch er, dass Zwayer gestern Abend großzügig gepfiffen und viel laufen gelassen– in den entscheidenden Situationen dann aber die falschen Entscheidungen getroffen habe. "Und das ist das, was in der Balance nicht stimmt und da kann ich den Ärger der Dortmunder absolut verstehen. Und das gehört zu so einem Spitzenspiel auch dazu, dass so ein Spitzenschiedsrichter das auch im Gespür hat und das richtig abarbeitet."

Zwayer in Hoyzer-Skandal verwickelt

Gräfe hatte erst im Sommer in einem "Zeit"-Interview Zwayers Integrität als Profi-Schiedsrichter angezweifelt. Zwayer war im Jahr 2005 in den Spielmanipulationsskandal rund um Schiedsrichter Robert Hoyzer verwickelt. Der damalige Linienrichter Zwayer wurde in Zuge dessen mit einer sechsmonatigen Sperre belegt – was vom Deutschen Fußball-Bund aber lange Zeit verschwiegen wurde.
Mit einem denkwürdigen Interview von Dortmunds Mittelfeldspieler Jude Bellingham, der im norwegischen Sender „Viaplay“ auf die Vorwürfe anspielt, bekommt die Debatte um die vermeintliche Fehlentscheidung eine neue Qualität: "Man kann sich viele Entscheidungen in diesem Spiel anschauen. Aber gut, man lässt einen Schiedsrichter, der in der Vergangenheit schon Spiele manipuliert hat, das größte Spiel in Deutschland. Was willst du da erwarten?"

Kahn weist Bellingham-Vorwurf zurück

"Das geht natürlich schon zu weit", weist Bayerns Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn am Sonntag bei "Sky" diesen Vorwurf Bellinghams entschieden zurück. "Also ich kann mich nicht erinnern, dass ein Spieler schon mal in der Art etwas von sich gegeben hat. ich weiß nicht, wo er das her hat oder wie er auf die Idee kommt, so eine Aussage zu machen."
Der DFB-Kontrollausschuss ermittelt inzwischen gegen Bellingham, ein ehemaliger Schiedsrichter erstattete sogar Strafanzeige wegen Verleumdung. Sein Verein steht dagegen voll hinter dem jungen Briten, betont Sportdirektor Michael Zorc im Interview mit dem Sportinformationsdienst. Bellingham habe lediglich alte Fakten benannt, er sehe strafrechtlich nichts Problematisches.

Sport-Anwalt hält Strafe für Bellingham für ausgeschlossen

Eine Bestrafung Bellinghams hält Sport-Anwalt Christoph Schickhardt aber für ausgeschlossen. Der "Kicker" zitiert Schickhardt, der selbst die Verfahren damals intensiv begleitet hat so: "Seine Aussage ist unanständig, aber nicht zu beanstanden, sie ist ganz klar vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Sie ist legal, aber nicht legitim. Wer so etwas wie Zwayer angestellt hat, muss damit leben."
Konsequenzen hat das Spiel für Dortmund aber in jedem Fall. Der nach dem Elfmeter vor Wut schäumende Trainer Marco Rose sah die Gelb-Rote Karte und darf in Bochum nicht an der Seitenlinie stehen.