Heike Buchter, Korrespondentin der "Zeit", hat lange in New York gelebt und beobachtet, dass Besucher dort gerne das vermeintliche Finanzzentrum an der Wall Street aufsuchen. Dabei fielen dort längst nicht mehr die wichtigen Entscheidungen, glaubt Buchter - um wirkliche Macht zu sehen, müssten New York-Besucher an die 52. Straße in Manhattan fahren, wo ein unauffälliges Bürogebäude den schlichten Schriftzug BlackRock trägt. Buchter schreibt, was sich dahinter verbirgt:
"Black Rock ist ein Vermögensverwalter. Aber das ist so, als wenn man sagen würde, Versailles sei ein Sommerhaus oder die Pyramiden ein Haufen Grabsteine ... Goldman Sachs, die Deutsche Bank, die Allianz - sie alle verblassen dagegen. [...] Niemand beherrscht so viel Kapital. Black Rock verwaltet 4,6 Billionen Dollar in seinen Fonds. Das übersteigt das deutsche Bruttoinlandsprodukt um fast eine Billion Dollar. 80 Millionen Deutsche müssen ein Jahr lang arbeiten, um diese Summe zu erwirtschaften. Und das ist längst nicht alles. Über die Analyse- und Handelsplattformen des Unternehmens [...] laufen inzwischen über 5 Prozent aller Finanzwerte weltweit."
Verdienen und schweigen
Diesem gigantischen und verschwiegenen Unternehmen hat sich Buchter in mühsamer Recherchearbeit angenähert - und erzählt die Erfolgsgeschichte hinter einer schlichten Idee. BlackRock-Gründer Lawrence Fink wurde im eher langweiligen US-Hypothekengeschäft groß, aber ihm kam 1988 der Einfall, Finanzprodukte für Anleger auf deren Risiken abzuklopfen. Das Geschäft lief rasch gut, aber es explodierte regelrecht während der letzten Weltfinanzkrise - schließlich war niemand so vertraut mit komplizierten und auf einmal potenziell verlustreichen Hypotheken-Paketen wie Fink. Sogar der damalige US-Finanzminister Timothy Geithner bat diesen dringend, taumelnde Bankgiganten für ihn zu durchleuchten. Kein Problem für Fink und dessen Leute, schließlich verfügen sie über eine elektronische Geheimwaffe namens Aladdin:
"Wie der Geist aus der Flasche im Märchen hat Aladdin Black Rocks sagenhaften Erfolg möglich gemacht. Aladdin ist, was Black Rock im Innersten zusammenhält. [...] Hunderte Menschen haben über zwei Jahrzehnte an den Programmen gearbeitet, die Aladdin ausmachen. Inzwischen besteht Aladdin aus einem Heer von Tausenden Analysten und rund 6.000 Rechnern, die Hunderte Millionen Kalkulationen pro Woche ausführen. Eine Anlage, die die Weltraumbehörde NASA neidisch machen kann. Die Kapazität braucht Aladdin, um täglich, stündlich, minütlich und teilweise sogar sekündlich auszurechnen, welchen Wert die Aktien, Bonds, Devisen oder Kreditpapiere haben, die in den milliardenschweren Anlageportfolios liegen. Wer seine weltweiten Positionen und Risiken auf Knopfdruck abrufen kann, gewinnt einen entscheidenden Vorsprung im immer schneller werdenden Wall-Street-Milliardengezocke. Er kann rechtzeitig kaufen oder verkaufen."
Weg vom "Heuschrecken"-Image
Bald bot BlackRock an, nicht mehr nur Anlagen zu beurteilen, sondern auch das Geld von Anlegern zu managen - und profitierte davon, dass Investmentbanker und Händler durch ihre Zockerei vor der Krise massiv an Glaubwürdigkeit eingebüßt hatten. So breitete sich das Unternehmen weltweit aus. Als einzige ausländische Anlagefirma hält Black Rock an allen Dax-Werten umfangreiche Beteiligungen. Seine Manager vermeiden aber das aggressive Auftreten der in Deutschland so ungeliebten "Heuschrecken", wie Buchter analysiert:
"Das Problem der neuen Germany Inc. ist nicht, dass sich BlackRock oder die ausländischen Großaktionäre in die Unternehmen einkaufen, um dann den Vorstand herumzukommandieren. Im Verhältnis zu den deutschen Unternehmen ist BlackRock wie ein New Yorker Immobilienmogul, der sich müht, seine Besitzungen in Übersee so profitabel und reibungslos wie möglich zu betreiben. So lange der Verwalter sich als zuverlässig erweist, besteht kein Grund sich einzumischen. Doch irgendwann passt das Haus nicht mehr in das Portfolio oder das Haus braucht eine aufwendige und langwierige Sanierung, dann verkauft der Eigentümer es einfach. Im schlimmsten Fall an ein Abbruchunternehmen, eine Heuschrecke."
Über Umwege könnte BlackRocks Engagement also nach Buchters Einschätzung doch zu Heuschrecken führen. Und das ist nicht das einzige Problem der gewaltigen Macht dieser Firma. Wie groß sind die Interessenkonflikte einer Firma, die Bewertungen von Vermögenswerten vornimmt - deren Entlohnung für diese Tätigkeit aber von eben diesen Bewertungen abhängt? Einer Firma, die Einblick erhält in die Verkäufe von Notenbanken rund um den Globus, zugleich aber selber weltweit investiert und anlegt? Und die sich dagegen sträubt, ähnlich streng kontrolliert zu werden wie Banken, obwohl sie mittlerweile wohl "systemrelevanter" als jede Bank ist. Buchter sieht all diese Probleme größer werden, nicht kleiner:
"In der Ära der Mega-Manager wird BlackRocks Einfluss nur noch weiter steigen. China und andere Schwellenländer schließen sich dem angelsächsischen Finanzsystem an. Wenn Fink und seine Nachfolger es geschickt anstellen, werden weitere Billionen in ihre Kassen fließen."
Dass das Finanzsystem stabiler wird durch neue undurchsichtige Geld-Giganten wie BlackRock, glaubt Buchter also nicht. Wer die bislang gründlichste Analyse dieser neuen Herausforderungen lesen will, kommt an ihrem Buch nicht vorbei.
Heike Buchter: "Black Rock. Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld"
Campus Verlag, Frankfurt/New York, 2015
Campus Verlag, Frankfurt/New York, 2015