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Heilige Röcke und Unterhosen

Mitte April pilgern streng gläubige Christen wieder nach Trier. Eine halbe Million Menschen werden zu der Wallfahrt erwartet. Sie alle wollen den "Heiligen Rock" sehen. Neben dem angeblichen Gewand von Jesus Christus gibt es ein weiteres Kleidungsstück zu sehen: eine Unterhose. Angeblich stammt diese von Karl Marx.

Von Melanie Weyand | 15.03.2012
    Mit seinen grauen längeren Haaren sieht Helmut Schwickerath ein bisschen so aus wie Karl Marx. Der 74-jährige Künstler baut in seinem Atelier gerade an einer Art Altar. Mit einem verschmitzten Lächeln zeigt Helmut Schwickerath eine orange gescheckte Baumwollunterhose.

    "Es ist eine sogenannte lange Unterhose, auch Unaussprechliche früher genannt. Und die war seit 96 verschollen und war dann in einem Altar in einer alten verfallenen Kapelle eingemauert. Und als wir sie dann gefunden haben, hat sich herausgestellt, dass in dieser Zeit durch diese unsachgemäße Lagerung wohl Motten Zutritt gefunden haben und haben jetzt auf der Rückseite des Beinkleides ein wirklich sehr großes Loch gefressen. Das muss jetzt gestopft werden."

    Das sei auch der entscheidende Unterschied zum Heiligen Rock, sagt Schwickerath. Die Unterhose solle auf jeden Fall nun immer parallel zu den Heilig-Rock-Wallfahrten gezeigt werden. Die Hose tauchte der Legende nach bei einem Schwager von Helena Demuth im Saarland auf.

    "Lenchen Demuth, das war die langjährige Haushälterin von Karl Marx. Ist bis zu seinem Tod in London bei ihm gewesen. Und die hat auf ihrer letzten Reise zu ihrer Heimat, die stammte aus Duddweiler, hat sie eine Hose von Karl Marx mitgenommen- zum Stopfen, wie man annimmt, die Reise war ja mühsam. Und von da haben wir sie letzten Endes auch erhalten von den Nachkommen dieser Helena Demuth."

    Helena Demuth spielt dann auch eine Rolle bei Präsentation der Unterhose von Karl Marx. Der Künstler baut einen dreiflügeligen spätmittelalterlichen Altar, ein sogenanntes Triptychon. Die Flügel zeigen die Haushälterin zur Linken, rechts die Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht. In der Mitte wird auf ultramarin blauem Hintergrund die orangene Unterhose von Karl Marx gezeigt.

    "Der Ausgangspunkt ist ein unsinniges Gegenstück zum Heiligen Rock, der dann aber trotzdem mit einem Sinn aufgeladen wird, der zum Teil sich der kirchlichen Symbolik bedient und auch der Zielsetzung bedient."

    Immerhin wird die Unterhose mit einem Altar gezeigt und man kann sie ab Mitte April in einem Schaufenster wenige Häuser vom Karl-Marx-Haus in Trier entfernt Tag und Nacht betrachten. Oder gar zu ihr hin pilgern. Auch wenn Schwickerath mit seiner Unterhose keinen bösartigen Angriff auf die Kirche beabsichtigt. Die Menschen in Trier halten von dem provokanten Gegenstück des Heiligen Rocks nichts.

    "Es ist einfach geschmacklos, also billig. Ne Unterhose dem Heiligen Rock gegenüberzustellen, das ist natürlich schon nen Stück weit Sakrileg. Ich find es schlicht und einfach pietätlos."

    Für diese Art der Kritik hat Künstler Helmuth Schickerath wenig Verständnis.

    "Für mich ärgerlich dadran ist, dass die Trierer Kirche nicht in der Lage ist, klipp und klar zu sagen: ist Quatsch das Ding. Es ist ein zusammengeklumpter Knäul von alten Wollfäden von dem man nicht weiß, wo se herkommen. Und da kann man noch so stark den Symbolcharakter betonen. Schlussendlich wird das Ding gezeigt. Die Leute kommen dahin. Dürfen den Schrein berühren. Das ist doch finster das ist doch Mittelalter."

    Die kritische Auseinandersetzung mit dem Heiligen-Rock und seiner Ausstellung wird in Trier wohl erst so richtig mit dem Start der Wallfahrt am 13. April beginnen. Einen Tag später wird dann die Unterhose von Karl-Marx präsentiert. Das Bistum Trier zeigte sich zu dem Thema übrigens gelassen. Es sei gut, dass sich anlässlich der Wallfahrt Menschen auch kritisch mit dem Glauben auseinandersetzten.