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Heilung durch Tiere

Nicht nur kleine Patienten, auch Erwachsene profitieren von der so genannten "Pet-Therapy". Zwar gibt es schon Kliniken, die ihre Patienten unter Einbeziehung tierischer Helfer behandeln. Am römischen Krankenhaus San Carlo di Nancy stehen allerdings ganz bestimmte Tiere für bestimmte Krankheiten zur Verfügung: Kaninchen für geistig behinderte Kinder, Schafe zur Behandlung starker Kopfschmerzen und Esel für motorische Probleme.

Von Thomas Migge |
    Der Besucher hört sie schon von weitem. Die Hühner und Schafe, die Hunde und Katzen. Ihr gackern und blöken, ihr bellen und miauen. Und das sei auch gut so, meint Davide Moscato:

    " Die Tiere kommen von überall her. Von Bauern aus verschiedenen Landesteilen. Dass sie so laut sind, hier auf dem Gelände eines Krankenhauses, das ist doch wunderbar. Unsere Patienten fühlen sich gleich in einer anderen Welt. Viele Tier haben bei uns schon mitgearbeitet."

    Davide ist Neuropsychiater am römischen Krankenhaus San Carlo di Nancy. Im großen Park des Krankenhauses hat er die Clinica delle coccole eingerichtet, die Klinik der Streicheleinheiten. Man betritt sie durch ein Holztor und alles erinnert an eine Minifarm.

    Hier leben acht Kaninchen, zwei Schafe, Max und Bill, eine Ziege, zwei Ponys, 50 Kanarienvögel, Hunde, Katzen und das Schwein Luigi. Davide Moscato hat in seinem Krankenhaus die weltweit erste Tierstation für Patienten eröffnet:

    " Kurios ist, dass Experten aus aller Welt angereist sind, um sich diese Minifarm anzuschauen. Es gibt ja schon in Europa und in den USA die so genannte Pet-Therapy, bei der zum Beispiel geistig behinderte oder zurückgebliebene Kinder mit Tieren zusammen gebracht werden. Wir hingegen sind noch einen Schritt weitergegangen: bei uns leben die Patienten mit den Tieren zusammen. Das ist schon etwas einmaliges."

    Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen als Neuropsychologe und der Erfahrungen von Kollegen aus den USA schaffte Moscato für seine Klinik nur ganz bestimmte Tiere an. Bevor sie bei ihm aufgenommen wurden, erkundigte er sich vor Ort, bei den Bauern und Tierzüchtern, nach den einzelnen Tieren, nach ihren Charaktereigenschaften und ihrem Verhalten, denn sie dürfen in keiner Weise aggressiv reagieren wenn sie mit den Patienten zusammenkommen, erklärt Krankenpfleger Mario Cavanese:

    " Wir können keine Therapieerfolge mit den falschen Tieren erreichen. Die Tiere müssen aufgeweckt und ausgeglichen sein. Zum Beispiel im Fall chronischer Kopfschmerzen oder solcher Kopfschmerzen, die nur zeitweise dafür aber extrem stark sind. Wir benutzen dafür Schafe, aber es müssen bestimmte Schafe sein. Wir ziehen Heidschnucken vor, die besonders ruhige Tiere sind."

    In Moscatos Tierklinik werden derzeit, um bei dem Beispiel zu bleiben, 12 Kopfschmerzpatienten behandelt. Sie sind zwischen 21 und 47 Jahre alt. Ihre Krankheit wird von Angst- und Depressionsschüben begleitet, die oft bei starken Kopfschmerzen auftreten. Davide Moscato und seine Mitarbeiter versuchen ihre Kopfschmerzpatienten mit Schafen zu behandeln. Die Patienten verbringen jeden Tag mehrere Stunden mit den Tieren: sie kämmen und streicheln sie und sind einfach mit ihnen zusammen. Interessant sind die Resultate dieser Schaf-Therapie, wie Moscato sie nennt: die Angst- und Depressionsschübe sind bei allen Patienten um rund 35 Prozent gesunken. Dazu die Kopfschmerzpatientin Claudia Rebaudengo:

    " Es war zunächst ein wenig komisch für mich, denn ich mag eigentlich keine Schafe und dann stinken die auch so. Aber dann kümmerte ich mich um eines der beiden Tiere und es wurde ganz zutraulich. Sobald es mich sah, kam es zu mir und es entstand eine Beziehung. Ich glaube, das tat und tut mir sehr gut. Und auch den anderen hier, die zwischen 12 und 60 Jahre alt sind."

    Davide Moscato kümmert sich auch um Kinder. Aufgrund des großen Medienrummels um die Tier-Klinik dürfen sie allerdings nicht mehr interviewt werden. Nur die Tiere stehen als Interviewpartner zur Verfügung, meint der Mediziner augenzwinkernd und führt uns zu seinen tierischen Mitarbeitern, die er colleghi nennt, Kollegen. Jede der Tierarten in seiner Clinica delle Coccole, erklärt Moscato, wird bei bestimmten Krankheiten eingesetzt.

    Kaninchen bei geistesgestörten Patienten, Ponys bei jenen, die an motorischen Störungen leiden. Katzen helfen gegen Angstzustände, Hunde gegen Depressionen und Kanarienvögel stimulieren die Aufmerksamkeit von geistig zurückgebliebenen Patienten. Moscato hofft durch seine Langzeitbeobachtung den genauen Hintergründen der positiven Wirkung bestimmter Tieren auf die Spur zu kommen. Dass Hunde, Katzen und Co. bei bestimmten Krankheiten helfen, bezeichnet er als ein echtes Wundes der Natur.