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Helfen durch Handel

Happy Hour in Hamburg-Blankenese: Marie-Luise Marjan alias Mutter Beimer aus der Lindenstraße wirbt im Edeka-Feinkost-Markt für fair gehandelte Produkte. Am Eingang wird allen Kunden eine Einkaufstüte mit dem Transfair-Logo in die Hand gedrückt. Für jeden Transfair-Artikel, den sie kaufen, bekommen sie von Mutter Beimer an der Kasse das gleiche Produkt noch einmal gratis hinzu.

Georg Bukes |
    Sie wissen um was es geht? Transfair ist eine Organisation, die mit den Bauern in der Dritten Welt zusammenarbeitet und dafür sorgt, dass die Bauern auch ihr Geld für ihre Produkte bekommen. Denn oft werden sie ja auf gut Deutsch gesagt beschissen.

    Elf fair gehandelte Produkte führt der Supermarkt in seinem Sortiment: Mehrere Kaffee- und Teesorten, Honig, Kakao und Orangensaft. Sie sind etwas teurer als vergleichbare Markenprodukte und zu erkennen am schwarz-blau-gelben Transfair-Siegel. Seit der vergangenen Woche sieht es weltweit gleich aus: eine Figur mit erhobenem Arm, die den Einsatz für mehr Gerechtigkeit symbolisiert.

    Vor genau zehn Jahren, im März 1993, begann die Rewe-Handelsgruppe als erste große Supermarktkette in ihren rund 5000 Filialen fair gehandelten Kaffee zu verkaufen. Inzwischen erreichen Transfair-Produkte in Deutschland einen Jahres-Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro und werden in 22.000 Geschäften und Supermärkten angeboten.

    Trotz dieser Erfolge ist der Marktanteil bisher relativ gering. Zwar kennen nach einer Emnid-Umfrage knapp 40 Prozent der Bundesbürger inzwischen das Siegel für den fairen Handel. Doch Transfair muss die Verbraucher immer wieder überzeugen, dass es sich lohnt, für fair gehandelte Produkte mehr Geld auszugeben, um die Lebensbedingungen von benachteiligten Produzenten in der sogenannten Dritten Welt zu verbessern. Letztlich soll der faire Handel dazu beitragen, die Strukturen der Weltwirtschaft gerechter zu gestalten, so Hans-Christoph Bill vom Dachverband der Deutschen Weltläden in Mainz:

    Ich finde, dass das Thema fairer Handel gerade wieder sehr aktuell wird. Gerade wenn ich mir anschaue, wie die globalisierungskritische Bewegung es schafft, Welthandelsfragen und überhaupt weltpolitische Fragen wieder in das Bewusstsein zu holen, dann ist der faire Handel eine der wenigen Möglichkeiten, wo so etwas konkret werden kann.

    Die Wurzeln des fairen Handels reichen zurück bis in die siebziger Jahre. Politische und kirchliche Solidaritäts-Gruppen begannen damals in ganz Deutschland fair gehandelte Produkte in sogenannten Dritte-Welt-Läden zu verkaufen. Anfang der 90er Jahre wollten zahlreiche entwicklungspolitische Institutionen wie Brot für die Welt, die Friedrich-Ebert-Stiftung, UNICEF, Misereor oder Terres des Hommes den fairen Handel aus der Nische der Kirchengemeinden und Weihnachtsbasare herausholen und gründeten Transfair.

    Transfair, das sind sieben Mitarbeiter in einer Büroetage im Süden der Kölner Innenstadt: Geschäftsführung, Marketing, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Die Organisation kann ihre Arbeit mit so wenigen Mitarbeitern nur bewältigen, weil sie nicht selbst mit Produkten handelt, sondern nur das Siegel vergibt, mit dem Industrie und Handel ihre Produkte vermarkten. Transfair finanziert sich vor allem aus den Abgaben für das Siegel. 10 Cent Lizenzgebühren muss ein Hersteller beispielsweise pro Pfund Kaffe bezahlen, um das Fairtrade-Siegel führen zu dürfen. Doch am Anfang hatte Transfair-Geschäftsführer Dieter Overath es schwer, die Firmen zu überzeugen:

    Es war nicht der natürliche Wunsch des Handels. Die haben uns ja für bekloppt erklärt: Die deutsche Hausfrau kauft keinen teuren Kaffee. Das war unisono die Antwort, Leute bleibt uns mit diesem Konzept vom Leib. Die deutsche Hausfrau ist aber in die Läden gegangen und hat gesagt, wir haben hier von einer guten Idee gehört und würden gerne Transfair-Kaffee kaufen. Und irgendwann haben die Jungs hier angerufen und haben gesagt okay, machen wir eben mit.

    Alle Produkte, die das Siegel tragen, müssen nach den Kriterien von Transfair gehandelt werden. Das bedeutet, jeder Händler, Importeur oder Hersteller, der eine Lizenz für das Siegel erwerben will, muss die Waren ohne Zwischenhandel direkt beim Produzenten einkaufen. Er muss einen festgelegten Mindestpreis bezahlen, eine langfristige Lieferbeziehung eingehen und den meist kleinbäuerlichen Produzenten ihre Ernte auf Wunsch sogar vorfinanzieren. Beim Kaffee beispielsweise hat der Preis auf dem Weltmarkt zur Zeit ein sehr tiefes Niveau erreicht von rund 65 US Cent pro Pfund Rohkaffee. Im Fairen Handel dagegen erhalten die Kaffeebauern einen festgelegten Mindestpreis von umgerechnet einem Euro 30, also weit mehr als das doppelte. José Ramon Molina hat sich als junger Bauer einer Kooperative angeschlossen. Seit mehr als 30 Jahren bewirtschaftet er mit seiner Familie eine kleine Kaffee-Finca im mittelamerikanischen Honduras.

    Für uns ist der faire Handel enorm wichtig. Er ermöglicht es uns, überhaupt noch auf den Kaffee-Fincas auszuharren und das Überleben unserer Kinder zu sichern. Der faire Handel erlaubt uns, die Hoffnung zu behalten.

    Auf Einladung von Transfair und Weltläden reist José Ramon Molina quer durch Deutschland, um für den fairen Handel zu werben. 40 Termine in vier Wochen. Er ist zu Gast in Supermärkten, beim Bundespräsidenten, bei Kaffeeröstern und auch in der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Alsdorf bei Aachen. Die Schüler sind ganz aufgeregt und haben Dutzende von Fragen:

    Wie groß sind denn die Kaffeeplantagen? Wie viel ernten die denn? Kann man von Kaffee leben? Wieso zahlt der Welthandel so wenig für den Kaffe?

    Ungeduldig warten die Schüler auf die Übersetzung. Es ist gar nicht so leicht zu erklären, warum der Kaffeepreis in den vergangen Jahren auf den niedrigsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg gesunken ist. Brasilien und vor allem Vietnam haben mit Hilfe großer Kaffeefirmen und der Weltbank riesige Plantagen aufgebaut, auf denen der Kaffee maschinell geerntet werden kann. Über Jahre hinweg gab es ein Überangebot auf dem Weltmarkt, und das führte zum Preissturz, erklärt José Ramon Molina. Mittelamerikanische Länder wie Honduras, in denen mehr als 30 Prozent der Menschen vom Kaffee leben, stürzte dieser Preisverfall in eine tiefe Krise.

    Das Ergebnis dieser Krise ist, dass die Menschen nichts mehr mit dem Kaffeeanbau verdienen. Sie verlassen ihre Farmen. Die Ernährungs- und Gesundheitssituation wird immer schlimmer, die Menschen können für Bildung und Gesundheit nicht mehr aufkommen. Die Jugendlichen gehen in die Städte und finden auch dort keine Arbeit. Viele wagen dann die gefährliche Flucht in die USA und manche sterben sogar dabei.

    Insgesamt 20 Genossenschaften aus Honduras haben ein Abkommen mit Transfair geschlossen. Sie können gerade einmal acht Prozent ihrer Kaffeeproduktion im fairen Handel absetzen. Nicht viel - aber immerhin können die Familien von dem Mehrpreis, den die Kaffeetrinker in Europa ihnen zahlen, ihre Fincas erhalten, in bessere Techniken investieren und auch soziale Aufgaben finanzieren: J.R. Molina:

    Die Kooperative übergibt den Mehrpreis direkt jedem einzelnen Bauern. Und das wird alles genau kontrolliert. Fünf Dollar pro Sack Kaffee werden von der Kooperative für soziale Aufgaben wie den Bau von Krankenstationen oder Schulen verwendet. Meine Kooperative Quarene zum Beispiel kann den Kaffee jetzt besser vermarkten, weil wir gerade eine neue Trocknungsanlage gekauft haben.

    Die Schüler hat das Transfair-Konzept auf jeden Fall überzeugt:

    Ich weiß nur, ich kauf dann auch den Kaffee von meinem Geld, nicht von meinen Eltern deren Geld.

    Ich find das gut, dann haben die Bauern auch mehr Geld.

    Ist 'ne sinnige Idee, kriegt jeder was er braucht, Gleichberechtigung.

    So einfach lässt und ließ sich die deutsche Wirtschaft lange nicht überzeugen. Da zählen vor allem wirtschaftliche Argumente und letztlich ist der Preis entscheidend. Warum ein Produkt teurer einkaufen als nötig? - fragen die Händler.

    "Aus Freude am Leben" steht in großen Buchstaben auf dem Kaffeesilo. Der Duft von gerösteten Bohnen liegt in der Luft. Die Firma Darboven in Hamburg ist die größte deutsche Rösterei, die Transfairkaffee vertreibt. Unternehmenschef Albert Darboven gilt als der ungekrönte Hamburger Kaffeekönig: graumelierte Haare, blauer Maßanzug, so kennt man ihn aus der Fernsehwerbung:

    Ich habe auf diesen Plantagen ja gelebt und war mit den ganz einfachen Leuten zusammen und habe auch abends mit denen in der Hängematte gelegen und geschlafen und morgens ging's dann raus an die Kaffeesträucher. Da wurde dann eben Kaffe gepflückt. Das war ja auch mein Schicksal. Ich bin als 18jähriger da raus gegangen und hab da vier fünf Jahre gelebt, war mit einer Einheimischen verheiratet also man kennt sich da aus. Dann sagt man eben, gut wenn man eben solche Erinnerungen hat, dann hilft man da auch gerne.

    Die Firma Darboven verkauft vier Prozent ihrer gesamten Kaffeeproduktion mit dem Transfairsiegel in Supermärkten und großen Kantinen. Aber deshalb gleich den Umkehrschluss zu ziehen, dass die 96 Prozent der Kaffeeproduktion, die Albert Darboven auf dem Weltmarkt einkauft, unfair gehandelt seien, diesen Schluss hält er für unzulässig.

    Na ja, unfair nicht, also mit unfairen Methoden gehen wir nicht um. Das hat ja der Markt bestimmt.

    Und der Markt ist groß, anonym und kennt keine soziale Verantwortung. So bringt auch Albert Darboven mit dem fairen Handel mehrere Interessen unter einen Hut:

    Entwicklungshilfe leisten, Geld verdienen und auch unser Image, dass wir ja auch etwas für die Allgemeinheit tun. Wir leisten ja einen Beitrag, wir können aber nicht die ganze Firma zum Roten Kreuz umwandeln, das kann man nicht verlangen.

    Auch für die Firma Darboven war es zunächst nicht leicht, den Transfair-Kaffee im Handel zu positionieren. 1993 sind dann zum Beispiel die Rewe-Gruppe, der Otto-Versand und Karstadt mit gutem Beispiel voran gegangen. Kaufhauswerbespot:

    Liebe Kunden, vom 12. Bis 17. November findet bei uns die faire Woche statt. In der Lebensmittelabteilung finden sie viele Produkte aus dem fairen Handel, sie erkennen sie an dem Transfairsiegel..... Helfen Sie mit, die Lebensbedingungen in der Dritten Welt zu verbessern. Ganz nach dem Motto: Für alle das beste - Fairer Handel!

    Mit den Werbewochen stieg zwar der Umsatz, doch Klaus Wilmsen von der Essener Karstadt AG hatte sich mehr von den Transfair-Produkten versprochen:

    Der Marktanteil ist einfach zu gering ... bei Karstadt sind es 3,8 Prozent. Normalerweise dürften solche Produkte im Sortiment nicht bleiben, wenn man ganz streng nach wirtschaftlichen Kriterien vorgeht. Wir sind natürlich ein Wirtschaftsunternehmen und müssen Geld verdienen. Auf der anderen Seite müssen wir einfach unsere sozialen Leistungen herausstellen, und der faire Handel gehört als wesentlicher Bestandteil auch dazu.

    Gemessen an den Umsatzzahlen sind Transfair-Artikel den Konkurrenzprodukten nicht immer gewachsen. Aber der Lebensmittelhandel will mit den Fairtrade-Waren auch nicht nur Geld verdienen. Vielmehr hoffen die Supermarktketten auf einen Image-Gewinn. Denn mit den Transfair-Produkten lässt sich auch das soziale Engagement des Unternehmens gut verkaufen. Die Gefahr dabei ist natürlich, dass der faire Handel als Feigenblatt für die sonst üblichen Geschäftspraktiken missbraucht wird.

    Zehn Jahre nach Einführung des Transfairsiegels fällt die Bilanz insgesamt positiv aus. In einer kritischen Studie mit dem Titel "Die entwicklungspolitischen Wirkungen des Fairen Handels" kommen die Autoren zu dem Schluss, dass der faire Handel unter marktwirtschaftlichen Bedingungen durchaus funktioniert. Mit dem Verkauf von Transfairwaren in insgesamt 18 Industrieländern konnten die Lebensbedingungen von mehr als drei Millionen Menschen weltweit verbessert werden. Darüber hinaus, so die Studie, sei der faire Handel die erfolgreichste entwicklungspolitische Bildungskampagne überhaupt. Es sei gelungen, vielen Menschen die Probleme der Entwicklungsländer nahe zu bringen. Andererseits gibt es für Klaus Liebig, Volkswirt am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik und Mitautor der Studie, auch einige problematische Punkte im Transfair-Konzept:

    Hauptkritikpunkt, den wir auch in der Studie formuliert haben, ist eigentlich, dass sich Transfair zu lange darauf konzentriert hat, den fairen Preis in den Vordergrund zu stellen. Und das ist aber dummerweise aus ökonomischer Sicht der problematischste Teil. Wenn man ihn einfach künstlich hochsetzen würde, wenn man sich vorstellt, dass das eben für den gesamten Kaffeemarkt gelten würde, wäre an sich die Konsequenz, dass noch mehr Kaffee produziert würde. Sprich: der Anreiz würde sogar erhöht, mehr Kaffee zu produzieren. Und dann würde eben das Kaffeeüberangebot weiter zunehmen. So dass der Druck auf den Preis noch weiter zunehmen würde. Also nur durch eine reine Preiserhöhung löst man das Problem überhaupt nicht.

    So besteht die Gefahr, dass die Kleinbauern vom fairen Handel und den hohen Preisen auf Dauer abhängig werden. Im Idealfall sollten sie aber nach einigen Jahren selbständig in der Lage sein, sich unter Weltmarktbedingungen zu behaupten. Einer mexikanischen Kaffeegenossenschaft ist das zum Beispiel gelungen. Mit Hilfe von Transfair konnte sie ihre Qualität so deutlich steigern, dass jetzt die weltweite Starbucks - Kette ihren hochwertigen Rohkaffe dort einkauft und dafür sogar deutlich mehr als den üblichen Weltmarktpreis bezahlt.

    Für diese Erfolge hat der Faire Handel viel Anerkennung bekommen. Doch bei den Verantwortlichen ist umstritten, ob man sich damit bereits zufrieden geben soll. Denn ursprünglich war der Faire Handel ja mit viel weitergehenden Forderungen angetreten. Von gerechteren Handelsstrukturen war die Rede und von einer neuen Weltwirtschaftsordnung. Viele ehrenamtliche Mitarbeiter träumen noch immer davon, dass der faire Handel ein Modell für den Welthandel sein könnte. Nach der Devise: Würden nur alle Menschen fair einkaufen, so lebten wir bald in einer besseren Welt. Dass dies eine Illusion ist, haben auch die Verantwortlichen von Transfair erkannt, so Geschäftsführer Dieter Overath:

    Ich würde definitiv nie großkotzig antworten, dass wir ein Modell für die Weltwirtschaft sind. Da spielen Mechanismen eine Rolle, an die können wir vom Fairtradebereich nicht kratzen. Aber ich merke, wenn man die neuesten Verlautbarungen der WTO oder anderer Akteure liest, sieht man viele von den Argumentationslinien, die wir in den vergangenen Jahren gebracht haben. Nur will ich jetzt nicht Copyright in Anspruch nehmen. Aber ich merke, wenn man von wirtschaftlichen machbaren Dingen kommt, dann wird man anders wahrgenommen als wenn man ausschließlich von einer ideellen Warte her argumentiert.

    Kritiker des fairen Handels fordern über den Warenverkauf hinaus mehr Kampagnen und Lobbyarbeit. Denn auf politischer Ebene habe der faire Handel bislang zu wenig erreicht. Viel größer war dagegen die psychologische Wirkung. Denn Industrie und Handel spüren inzwischen deutlich den Druck der Verbraucher, sich mit den sozialen Bedingungen in den Herkunftsländern ihrer Produkte auseinander zu setzen. Für Luuk Zonneveld vom internationalen Dachverband aller Fairtrade-Organisationen ist das eine ganz entscheidende Wirkung - unabhängig davon, ob man den fairen Handel nun als Modell für die Weltwirtschaft betrachtet oder ihm nur symbolhaften Charakter beimisst:

    Es gibt einer Reihe von Sachen, die wir selbstverständlich finden, die leider aber nicht eingehalten werden: dass Produzenten weltweit die Möglichkeit haben sollen sich zu organisieren, ein normales Gehalt zu bekommen, schwangeren Frauen die Möglichkeiten haben eine Auszeit zu nehmen und dann wieder zurück zu kehren in ihren Job. 80 Prozent der Arbeiter in der Welt haben diese Bedingungen nicht. Wir sagen: nimm uns als Referenz, aber sorge bitte zu erst einmal dafür, dass diese Bedingungen weltweit eingehalten werden. Denn das sind weltweite Standards!

    Die Diskussion um weltweit gültige Sozialstandards ist in den letzten Jahren immer lauter geworden. Das spürt auch die deutsche Kaffeeindustrie:

    Ich denke mal durch den Transport der Informationen, der bei Transfair ja auch einen hohen Stellenwert hat, ist so ein Denken in den Markt gekommen. Ich denke mal, da hat Transfair ganz sicher zu beigetragen, über die Lebensbedingungen in den Produktionsländern nachzudenken.

    Und Hans-Georg Müller vom Deutschen Kaffeeverband bestätigt, dass die Industrie inzwischen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit über einen Verhaltenskodex und soziale Mindeststandards verhandelt. Bislang ist ein solches Abkommen an der Frage gescheitert, wie die Kontrollen aussehen sollen. Für Horst Hentz, Geschäftsführer beim Kaffeeröster Darboven, wären solche Mindeststandards ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es sei schwierig, sie umzusetzen:

    Hier, das muss man auch offen aussprechen, konkurrieren soziale Schwerpunkte mit marktwirtschaftlichen Überlegungen. Und dazwischen einen vernünftigen Kompromiss zu finden, das wird die Kunst in der Zukunft sein.

    Die Karstadt AG beispielsweise ist da schon einen Schritt weiter: Sozialstandards werden in allen Verträgen mit den Lieferanten weltweit festgeschrieben. Und, so Klaus Wilmsen, Karstadt kontrolliert das bei den insgesamt 10.000 Lieferanten des Hauses in Stichproben:

    Es geht auch nicht anders: Die ganzen Diskussionen um Nachhaltigkeitsstrategien fordern uns ja praktisch dazu auf, alle Beteiligten - nicht nur die Industrie und die Verbraucher - gerade auch der Handel als Mittler zwischen Industrie und Verbraucher - muss hier einen entsprechenden Beitrag leisten. Und die Diskussionen, die hier derzeit geführt werden, sind erfreulicherweise positiv. Aber es müssen auch noch die nächste Schritte getan werden oder die nächsten Schritte.

    Letztlich haben die Transfair-Mitarbeiter die Hoffnung, dass der faire Handel in den nächsten Jahren eine ähnliche Bedeutung gewinnt, wie der Handel mit ökologischen Lebensmitteln. Am Anfang gab es die teuren Bioprodukte auch nur in kleinen Naturkostläden. Inzwischen hat die Ökowelle den gesamten Lebensmittelhandel verändert. Und in den Nachbarländern Holland und der Schweiz hat der faire Handel schon den fünffachen Marktanteil erreicht wie in Deutschland. 10 Jahre Transfair zeigen also deutlich: der faire Handel ist zwar kein Modell für die Weltwirtschaft. Aber er verbessert die Lebensbedingungen hunderttausender Menschen und kann langfristig beitragen zu einer gerechteren Welt des Handels.

    Link: Transfair