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Helicobacter pylori
Evolution von Mensch und Magenkeim

Helicobacter pylori gilt als wichtiger Auslöser für Magenkrebs. Jeder zweite Mensch ist mit dem Bakterium infiziert, doch nur einer von hundert entwickelt tatsächlich einen Tumor im Magen. Offenbar haben sich Mensch und Mikrobe im Lauf der Evolution aneinander angepasst.

Von Volkart Wildermuth |
    Magenkrebs ist in Kolumbien sehr ungleich verteilt. In den Bergdörfern leiden die Menschen 25-mal häufiger an diesem Tumor, als an der nur 200 Kilometer entfernten Küste. Ein Rätsel, das die Genomforscherin Prof. Barbara Schneider von der Vanderbilt Universität in Nashville zusammen mit kolumbianischen Kollegen lösen wollte. Dazu hat das Team bei 240 Magenspiegelungen einerseits die jeweils vorhandenen Helicobacter pylori-Stämme untersucht, und andererseits anhand von Blutproben auch das Erbgut der Patienten komplett entschlüsselt. Erstes Ergebnis:
    "Die Leute an der Küste haben viele afrikanische Anteile im Erbgut. Unter ihren Ahnen waren ehemalige Sklaven. In den Bergen leben Indios, ihre Vorfahren waren aus Asien nach Amerika eingewandert."
    In Kolumbien mischen sich drei Bevölkerungsgruppen, die Nachkommen der Urbevölkerung, der spanischen Eroberer und der afrikanischen Sklaven. Dabei leben die Indios meist in den Bergen, die Nachfahren der Afrikaner eher an der Küste. Eigentlich sollte jede dieser Gruppen ihre eigenen Helicobacter Stämme tragen, denn diese Bakterien werden meist innerhalb der Familie von den Eltern auf die Kindern übertragen. Barbara Schneider fand aber keine Spuren von asiatisch-amerikanischen Helicobacter-Stämmen. Offenbar waren sie nach der Kolonisierung von den europäischen und später von afrikanischen Bakterien Varianten verdrängt worden. Und das führt zu Problemen.
    Bei der Kolonisierung verdrängt
    "Wenn so ein Bakterium im Magen eines Menschen mit amerikanisch-asiatischen Wurzeln lebte, litt er unter weiter fortgeschrittenen Veränderungen der Schleimhaut, die näher am Magenkrebs waren."
    Der europäische oder afrikanische Helicobacter pylori ist für Indios viel problematischer, als für andere Kolumbianer. Der Grund: Europäer und Afrikaner leben schon seit Jahrtausenden mit diesen Helicobacter-Varianten. Mensch und Bakterium konnten sich in dieser Zeit aneinander anpassen.
    "An der kolumbianischen Küste gibt es wenig Magenkrebs, genau wie in Afrika. Das Erbgut der Afrikaner und der Bakterien aus Afrika haben ihren Frieden miteinander gemacht."
    Jahrhunderte oder Jahrtausende vergehen bis zur Anpassung
    Anders bei den Indios. Die sind seit dem 16. Jahrhundert mit für sie neuen Helicobacter-Varianten konfrontiert. Aus der Perspektive der Evolution ist das eine kurze Zeitspanne, zu kurz für eine gegenseitige Anpassung. Die Folge: Die Bakterien lösen häufiger Magenkrebs aus. Barbara Schneider versucht gerade herauszufinden, welche Gene der europäischen oder afrikanischen Helicobacter-Stämme dafür verantwortlich sind. Bis sich die Genome von Menschen und Mikrobe auch in Lateinamerika aneinander angepasst haben, dürften Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende vergehen. So lange wirken die Folgen der Kolonisation nach. Direkt nach der Ankunft der Spanier auf dem neuen Kontinent starben Millionen von Menschen an deren Krankheiten wie Masern und Pocken. Gegen diese Erreger haben die Indios inzwischen eine Immunität entwickelt. Die neuen Helicobacter Varianten haben kein auffälliges Massensterben verursacht. Ihre Auswirkungen fallen deshalb weniger auf, halten dafür aber deutlich länger an.
    "Wir dachten, das ist vorbei, amerikanische Geschichte. Unsere Studie zeigt, dass die Bakterien, die mit den Europäern kamen, auch heute noch die Gesundheit der Bevölkerung in Lateinamerika beinträchtigen."