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Helmdesign
Vettels Kopfschmuck made in Salzgitter

Den vierten WM-Titel hat Sebastian Vetter schon in der Tasche. Um den Sieg gebührend zu feiern, ließ sich der Formel-1-Pilot extra einen Helm verziert mit 24-Karat-Blattgold anfertigen. Vettel liebt Helme, mehr als 14 Stück ließ er sich allein für diese Formel-1-Saison anfertigen - alle in der Werkstatt von Jens Munser.

Von Leila Knüppel | 22.11.2013
    Helmdesigner Jens Munser gemeinsam mit Sebastian Vettel
    Jens Munser gemeinsam mit Sebastian Vettel (Jens Munser Design)
    "Jetzt muss ich einen Übergang von der weißen Farbe zum Karbonuntergrund hinkriegen. Das soll einen Verlauf darstellen."
    Mit einer kleinen Airbrush-Pistole sprüht Christian Bresler ganz vorsichtig eine weißen Nebel über den Formel-Eins-Helm von Adrian Sutil. Auf der Werkbank liegt der Ausdruck einer Computerskizze als Vorlage: weißer Grund mit einer breiten Muster-Borte in orange-rot und schwarz-blau - so soll der Helm am Ende aussehen, nach acht bis 16 Stunden Arbeit. "Mit einem Computer kann man auf bearbeiten/rückgängig gehen. Das geht hier natürlich nicht. Man muss schon sehr konzentriert bei der Sache sein."
    Für etliche Formel-1-Piloten, Kartfahrer und Motorsportler anderer Autorennklassen gestalten Jens Munser und seine acht Mitarbeiter die passende Kopfbedeckung. Etwa 500 Helme pro Jahr besprühen, bedrucken und lackieren sie: Designerstücke für Hobbyrennfahrer, aber auch für millionenschwere Profis wie Michael Schumacher oder Nick Heidfeld.
    Im Büro gleich neben der kleinen Lackierwerkstatt brennt die Luft: Firmengründer Jens Munser und seine zwei Grafikdesignerinnen tüfteln am neusten Helmentwurf für Sebastian Vettel. Der müsste eigentlich längst zur Abnahme rausgeschickt worden sein. Aber Munser gefällt der Stier noch nicht so recht, der Vettels Helm beim Rennen in Texas zieren soll. Der amtierende Formel-eins-Weltmeister bestellt hier regelmäßig neue Designerstücke.
    "Der hat mit acht schon den ersten Karthelm von uns bekommen. Dann kam er in die Formel 1, und dann hat sich der Vater bei mir gemeldet, es wären ein paar Helme zu machen. Meine ersten Treffen mit ihm dann persönlich - ich hatte vorher als Kartfahrer ja nur telefonisch Kontakt, ich habe dann schon gemerkt, dass ihm das Thema sehr viel Spaß macht: Helme. Deswegen haben wir dann zusammen gesessen, getüftelt, überlegt."
    Mittlerweile hat Munser für Vettel an die 70 Helme entworfen. Von der Blink-Version mit Leuchtdioden bis zum Texas-Helm im Holzdesign. "Er hat die Marotte, dass er nach jedem Sieg den Helm als Trophäe mit nach Hause nimmt. Und damit haben wir dieses Jahr natürlich doch am Ende ein bisschen mehr Arbeit gehabt."
    Die Ideen entwickeln dabei Jens Munser und Sebastian Vettel gemeinsam. Regelmäßig telefonieren die beiden miteinander: "Hier werden unsere Farben zusammengemixt, weil unsere Farben allgemein ein bisschen brillanter sind als normale Auto-Farbtöne."
    Neonfarben seien gerade besonders in, erzählt der 43-jährige Munser, während er durch die verschiedenen Werkräume seiner Firma führt. Was außer den Sponsorenlogos auf den Helm kommt, entscheidet allein der Fahrer: "Das ist eigentlich die Möglichkeit eines Fahrers, sich frei zu entfalten. Ich vermute, dass die Fahrer das deswegen auch gerne machen und sich die Zeit dafür nehmen, sich darum zu kümmern."
    Vier Monate Wartezeit für einen Helm
    800 bis 2000 Euro kostet ein individuelles Design – zusätzlich zum mehrere tausend Euro teuren unlackierten Helm. Trotzdem ist Jens Munser mit Aufträgen komplett ausgebucht. Wer jetzt anruft und einen Helm bestellt, muss mit mindestens vier Monaten Wartezeit rechnen. Schließlich ist "Jens Munser Design" eine der wenigen Firmen, die Helme individuell gestaltet: "Im Großen und Ganzen gibt es nicht so viele, die so etwas machen. Und in Deutschland schon gar nicht. Die, die es so richtig professionell machen mit mehreren Mitarbeitern, da sind wir die einzigen."
    Sind die Farben fertig gemischt, kann es ans Sprühen gehen. Zuerst kommen die großen Flächen dran, erklärt Munser. Dabei muss der Lack sehr dünn aufgetragen werden, um am Gewicht des Formel-Eins-Helms zu sparen. Auf kurvenreichen Rennstrecken müssen Munser und sein Team deswegen auch mal auf originelle Designideen verzichten: "Monza, das ist eine Strecke, die hat sehr hohe Kurvengeschwindigkeiten. Da kriegen die Fahrer alle einen lahmen Hals irgendwann. Und fünf Gramm zu viel wäre da schon eine Katastrophe."
    Beim Rennen in Monaco darf es - gerade für Sebastian Vettel - etwas mehr sein: "Dieses Jahr in Monaco hatten wir einen Helm, der war auf retro gemacht, und da wollte er unbedingt ein Pin-up-Girl hinten drauf haben. Die Frau hatte dann noch einen Bikini an, der sich dann bei Wärme durchsichtig verändert hat. Wir wissen schon, dass die Formel Eins weltweit ausgestrahlt wird, auch in Länder, in denen man das gar nicht lustig findet. Deswegen kamen sicherheitshalber lieber noch zwei Sterne drauf."
    Schon als Jugendlicher: im Keller mit Helmen
    Airbrush-Technik und Lackieren hat Munser sich selbst beigebracht. Als Jugendlicher im Keller seiner Eltern: "Ich wollte als kleines Kind schon immer Motorrad fahren und Motocross. Als ich Auszubildender war, da habe ich mir das Motocross-Motorrad gekauft und habe dann erkannt, dass es in Amerika Helme gibt, die irgendwie zu den Klamotten gepasst haben. In Deutschland gab es so etwas nicht. Ich habe dann hier niemanden gefunden, der so etwas macht oder kann. Ich habe mir dann so ein Airbrush-Beginner-Set gekauft und habe mir gesagt, jetzt mach ich meine eigenen Helme bunt. Das hat mich nicht mehr losgelassen, das Thema. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass ich lieber den Samstag im Keller verbracht habe und Helme lackiert habe, anstatt Motocross zu fahren."
    1993, mit 23 Jahren, gründete er dann seine Firma: "Meine Eltern fanden das nicht ganz so spannend. Die konnten sich das nicht so vorstellen, was ich da vorhabe. Aber für mich war mein Weg im Kopf schon klar, dass ich irgendwann weiterkommen will, Richtung Formel 1, das war immer schon mein Ziel. Ja, und das hat am Ende auch ganz gut geklappt."
    In einem kleinen Raum hat Munser sein Privatmuseum eingerichtet. In extra ausgeleuchtete Vitrinen liegen etliche Helme. Mittlerweile ist es hier ziemlich eng: "Es sind natürlich sehr viele Helme von Sebastian, es sind viele Helme von Michael Schumacher da."
    Munsers erster, noch im Keller der Eltern lackierter Helm ist allerdings nicht unter den Ausstellungsstücken: "Ich war - genauso wie meine Kunden heute - der Meinung, ich müsste alles, was ich an Effekten oder tollen Ideen habe, auf einen Helm bringen. Und das ist mir schon sofort, als der Helm fertig war, aufgefallen. So geht das nicht. Den habe ich dann zwei Wochen später wieder abgeschliffen."