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Herausforderung Netzausbau

Ohne leistungsfähigere Netze lässt sich die erneuerbare Energie nicht zum Verbraucher transportieren. Vor Ort stößt der Trassenausbau aber häufig auf Ablehnung. Doch es gibt ermutigende Fälle, in denen Kompromisse erzielt wurden, wie eine Tagung bei der Deutschen Umwelthilfe in Berlin zeigt.

Von Dieter Nürnberger | 20.02.2013
    Geht es nach dem Willen der Politik, dann sollen die Bürger bei der Energiewende und dem damit verbunden Netzausbau mitreden. Dass Tausende Kilometer neuer Stromtrassen benötigt werden, ist bekannt. Doch in den Kommunen, heißt dies, dass beispielsweise Trassenverläufe kontrovers diskutiert werden.

    So auch in Nordrhein-Westfalen. Phillip Fest ist Referent im dortigen Umweltministerium, er hat schon an Dutzenden von Bürgerversammlungen teilgenommen.

    "Das, was bei dem ganzen schönen Netzentwicklungsplan unter Startnetz firmiert, ist ja derzeit noch in Planung, respektive im Bau. Und es ist ja so, wenn ein - ich sage jetzt mal - 40-Meter-Mast entfernt und durch einen 80 Meter hohen neuen Mast ersetzt wird, und sich somit die Zahl der Masten halbiert, dann ist das sicherlich für diejenigen, vor deren Nase dieser Mast verschwindet, sehr schön. Für diejenigen, die dann allerdings einen doppelt so hohen Strommast vor der Nase haben, ist das dann durchaus diskussionswürdig."

    Aus Rücksicht auf die Belange von Anwohnern oder auch zugunsten des Naturschutzes sollen neue Stromtrassen nur dann entstehen, wenn sie unvermeidlich sind. Alte, bereits vorhandene Trassen könnten deshalb ausgebaut werden. In Nordrhein-Westfalen wünscht sich das Fachministerium beispielsweise eine Integration der Leitungstrassen der Deutschen Bahn, zumindest da, wo es möglich ist. Phillip Fest:

    "Da hat es auch ein Gutachten gegeben, dass es möglich ist, wenn auch in einem bescheidenen Umfang. Der Bund hat ja hier auch Unternehmen, welche über ein deutschlandweites Leitungsnetz verfügt, da liegen gewisse Synergie-Effekte nahe. Da würden wir uns wünschen, dass das in entsprechenden Pilotprojekten durchexerziert wird."

    Zum Kongress der Deutschen Umwelthilfe sind rund 300 Netzausbauexperten nach Berlin gekommen. Die ersten Netzentwicklungspläne liegen vor. Es geht um Hochspannungs-Gleichstromtrassen, zudem auch um kleinere Nebentrassen. Ein grobes Gerüst steht, sagt Achim Zerres, Abteilungsleiter für Energieregulierung bei der zuständigen Bundesnetzagentur. Doch gerade bei vielen Nebenstrecken sei noch einiges offen und veränderbar.

    "Da sind - unserer Meinung nach - die Erwartungshaltungen noch nicht so verfestigt, dass wir sagen können, diese Trassen brauchen wir auf jeden Fall. Da müssen wir die weitere Entwicklung abwarten und dann aufgrund besserer Grundlage entscheiden, wann brauchen wir diese Trasse und brauchen wir sie genau in dieser Art und Weise."

    Zerres wiederholt oft, dass die Energiewende und der Netzausbau ein Lernprozess für alle Beteiligten seien. Der Netzausbau ist die Herausforderung der Energiewende schlechthin, sagt Robert Habeck, Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Schleswig-Holstein. Der grüne Politiker berichtet von unzähligen Netzinfrastrukturprojekten im nördlichen Bundesland. Und auch von Konflikten, Stichwort: Trassenverlauf im ökologisch wichtigen Wattenmeer. Hier waren einst mehrere Leitungstrassen geplant gewesen, nun wohl nur noch eine. Ein Kompromiss vielleicht mit Modellcharakter, so der Minister:

    "Da könnten Naturschutzverbände mit allem Recht der Welt sagen: Nicht durch den Nationalpark, denkt Euch etwas anderes aus! Das tun sie aber nicht. Sondern sie sagen, dass auch die Energiewende in diesem Spannungsfeld Teil des Szenarios ist, wofür sie kämpfen werden. So haben wir uns geeinigt und ich hoffe entsprechend, dass wir so etwas auch bei der Netzerstellung in anderen Gebieten finden."

    Einfach ist sie nicht - die Diskussion vor Ort über den Netzausbau. Doch immerhin gibt es einige ermutigende Fälle, dass Kompromisse möglich sind. Der grüne Umweltminister aus Schleswig-Holstein drückt es so aus.

    "Was ich also hoffe ist, dass nachher die Menschen an der Westküste, eigentlich in Ostholstein und in der ganzen Republik, vielleicht nicht alle glücklich sind, aber die Entscheidungen akzeptieren. Dass diese Entscheidungen die besten, auch die am besten kommunizierten und nachvollziehbarsten sind, die man treffen kann. Einzelbelastungen aber wird es auf jeden Fall geben."