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Herzkrank durch Öl?

Biologie. - Seit jeher müssen Tiere als Frühwarnsysteme herhalten, um Gefahren für den Menschen anzuzeigen. So fanden US-Forscher jetzt heraus, dass Fisch-Embryonen sehr sensibel auf eine bislang als harmlos eingestufte Chemikalie reagieren. Das könnte auch Folgen für den Menschen haben.

Von Marieke Degen | 19.02.2008
    Der 24. März 1989 ist ein schwarzer Tag für die Südküste Alaskas. Der Öltanker Exxon Valdez läuft kurz nach Mitternacht auf ein Riff auf, die Schiffswände bersten, und 40.000 Tonnen Öl ergießen sich ins Meer. Es war eines der schlimmsten Tankerunglücke überhaupt, aus dem die US-Regierung ihre Lehren gezogen hat. Der betrunkene Kapitän wurde verurteilt, Tanker werden nur noch mit einer doppelten Außenwand gebaut. Aber auch heute noch, fast 20 Jahre später, liefert die Ölpest neue Erkenntnisse. Zum Beispiel für John Incardona, Entwicklungsbiologe am Northwest Fisheries Science Center in Seattle.

    "Damals haben die Fische, Heringe und Lachse, ihre Eier an der ölverseuchten Küste abgelegt. Die Chemikalien haben die Fisch-Embryonen geschädigt. Das haben wir also schon gewusst. Heutzutage gibt es immer noch Tankerunglücke, aber nicht mehr so viele. Trotzdem gelangen die Bestandteile des Öls immer noch ins Wasser. Und zwar durch die Luftverschmutzung."

    John Incardona wollte genau wissen, welche Ölbestandteile für Fischembryonen gefährlich sind. Jahrelang hat er sie an Fischeiern getestet. Und eher zufällig hat er dabei entdeckt: Was dem Fisch im Wasser nicht bekommt, das ist auch für uns Menschen an der Luft gefährlich.

    "Es ist ziemlich schwierig, Embryonen von Heringen und Lachsen im Labor zu untersuchen. Sie laichen nämlich nur einmal pro Jahr, also könnten wir uns nur etwa zwei Monate pro Jahr mit den Embryonen beschäftigen. Deshalb haben wir uns für Zebrafische entschieden. Zebrafische eignen sich als Tiermodell, um Krankheiten beim Menschen zu erforschen. Und wir haben herausgefunden, dass PAKs das Herz der Fische schädigen."

    PAKs, das sind Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die in Öl enthalten sind. Beim Tankerunglück sind sie an die Südküste Alaskas gelangt. PAKs gibt es aber auch in der Luft, sie entstehen zum Beispiel durch das Verbrennen von Diesel und Benzin. Die meisten dieser PAKs sind krebserregend. Andere wiederum nicht, deshalb haben sich Wissenschaftler lange nicht für sie interessiert. Doch genau diese PAKs, das hat John Incardona ermittelt, sind pures Gift für junge Fischherzen. Sie schlagen langsamer und geraten leichter aus dem Takt.

    "Und hier kommt die Gesundheit des Menschen mit ins Spiel. Es ist bekannt, dass es eine Verbindung gibt zwischen der Luftverschmutzung in Großstädten und Herzerkrankungen. Aber keiner weiß, warum. Die meisten Forscher denken nicht an diese PAKs, sie haben diese Komponenten einfach ignoriert. Denn 100 Jahre lang hat man diese PAKs für harmlos gehalten, weil sie nicht krebserregend sind. Fakt ist: sie sind herzschädigend."

    Herzschädigend für Zebrafische, das sei sicher. Und weil Zebrafische ein zuverlässiges Tiermodell für den menschlichen Organismus sind, könnten die PAKs wahrscheinlich auch herzschädigend für Menschen sein.

    "Als wir mit den Studien angefangen haben, hätte ich niemals gedacht, dass wir unsere Ergebnisse auf den Menschen übertragen könnten. Weil wir ja normalerweise nicht davon ausgehen, dass Menschen dem Öl genauso ausgesetzt sind wie Fische nach einer Havarie. Aber wir haben die gleichen Ölbestandteile in unserer Luft gefunden. Wir atmen die Ölpest ein."

    Der Großstadt-Smog kann nicht schadlos an uns vorübergehen, sagt Incardona. Wie genau PAKs im Blutkreislauf wirken, und ab welchen Konzentrationen sie für Menschen gefährlich werden, ist aber noch unklar.