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Hessen
Kleinert (Grüne): Schwarz-Grün hängt nur am Thema Flughafenausbau

Das entscheidende Thema für eine Koalition zwischen CDU und Grünen in Hessen sei der Flughafenausbau, sagt Hubert Kleinert, Grünen-Gründungsmitglied. Die CDU wolle ihre Wirtschaftsfreundlichkeit herausstellen, während die Grünen bei den Gegnern des Flughafenausbaus im Wort stehe.

Hubert Kleinert im Gespräch mit Matthias von Hellfeld | 19.11.2013
    Christine Heuer: Für Rot-Grün allein reicht es nicht in Hessen. Eine Große Koalition kommt infrage. Doch auch in Hessen ist die SPD-Basis nicht begeistert von der Idee. Und eine Minderheitsregierung, die sich von der Linkspartei tolerieren lässt, da spielen die Grünen nicht mit. Der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel hat es also nicht leicht und die CDU ist jetzt vielleicht wieder am Zug.
    Über die Koalitionssuche in Hessen hat mein Kollege Matthias von Hellfeld gestern am späten Abend mit Hubert Kleinert gesprochen. Er ist Politikwissenschaftler und war Gründungsmitglied der Grünen, ein früher und enger Weggefährte von Joschka Fischer. Erste Frage an Hubert Kleinert, was er zum Stand der Verhandlungen in Hessen sagt.
    Hubert Kleinert: Das was sich heute abgespielt hat, hat mich nicht besonders überrascht. Ich habe nicht so ganz nachvollziehen können, was hinter dieser kurzzeitigen, oder wie soll man sagen, Kurzzeit-Option Minderheitenregierung sich verbergen sollte. Nun ist es ja auch schon wieder vom Tisch. Ich persönlich könnte mir sogar vorstellen, dass es eine gewisse Wahrscheinlichkeit gibt, oder zumindest eine gewisse Chance, dass am Ende sogar Schwarz-Grün dabei herauskommt, immer vorausgesetzt, dass es gelingen würde, in der Flughafenfrage zu irgendeinem tragbaren Kompromiss zu kommen. Da ist, glaube ich, die größte Hürde. Ansonsten könnte es sein, dass die SPD sich vielleicht ein bisschen arg viel Zeit lässt bei dem Zeitplan. Aber sicher kann man sich in gar keiner Option sein.
    Matthias von Hellfeld: Vor allem nicht in Hessen, glaube ich. – Auch das rot-rot-grüne Modell, wie stehen Sie dazu? Ist das eine Machtoption für die Grünen?
    Kleinert: Die Enttabuisierung dieser rot-rot-grünen Option wäre an sich, wenn man die politische Gesamtlage anbetrifft, nicht verkehrt. Nun ist es allerdings wohl so, dass Die Linke in Hessen keine ausreichenden Garantien zu geben in der Lage ist, dass man eine Haushaltskonsolidierungspolitik fahren könnte, die dem einigermaßen entspricht, was wir durch die Schuldenbremse jetzt in der Verfassung haben.
    Lange Rede kurzer Sinn: Ich denke mal, diese Sache wird nicht zustande kommen in Hessen. Alles was man hört, spricht dafür, dass Rot und Grün davon ausgehen, dass man ein stabiles Bündnis mit der Linkspartei, so wie sie jetzt ist, nicht machen kann.
    von Hellfeld: Und wenn Sie mal Ihren Blick nach Berlin schweifen lassen, also für die gesamte Bundesrepublik, wäre das eine Machtoption, Rot-Grün-Rot?
    Kleinert: Die SPD hat ja da jetzt einen Beschluss gefasst, dass man das grundsätzlich nicht mehr ausschließen will. Das ist alles schön und gut und ich glaube auch, dass das im Blick auf 2017 oder später als potenzielle Option die Dinge sicherlich in Bewegung setzen kann. Auf der anderen Seite sehe ich auf absehbare Zeit im Bund nicht, wie die Linkspartei koalitionsfähig sein sollte.
    Das hat zum einen zu tun mit der Außen- und Europapolitik, zum anderen auch mit der Sozialpolitik, wo da bislang ja das Prinzip Wunschzettel gilt. Da müsste sich vieles ändern im Bund. Im Land, auf der Landesebene müsste das an sich einfacher sein mit der Linkspartei. Aber wenn es schon da nicht geht, kann man natürlich schlussfolgern, wie schwer muss das dann in der Praxis auf der Bundesebene umzusetzen sein. Aber gut, man soll da nichts ausschließen. Ich könnte jetzt noch weiter Überlegungen anstellen, was wird sein, wenn mal ein Gysi möglicherweise von Frau Wagenknecht abgelöst wird. Das sieht mir nicht so wahnsinnig wahrscheinlich aus, dass sich da was konkret tun könnte.
    von Hellfeld: Aber Sie – das höre ich heraus – halten für die schwarz-grüne Option jedenfalls in Hessen auch jede Menge gute Argumente parat?
    Kleinert: Ich versuche, das jetzt mal sehr neutral von außen zu sehen, und stelle fest, erstens: Es gibt in Hessen auf der kommunalen Ebene eine ganze Reihe von schwarz-grünen Zusammenarbeiten, von Koalitionen und ähnlichen Verbindungen, und das funktioniert, soweit ich sehen kann, zum Beispiel in Frankfurt und in Darmstadt relativ gut. Von daher hätte ein solches Bündnis schon einen gewissen kommunalen Unterbau.
    Das große Problem ist, so wie ich das sehe, in der Tat die Flughafenproblematik. Die CDU will nun ihre Wirtschaftsfreundlichkeit herausstellen und die Grünen stehen im Wort bei den Ausbaugegnern und die Grünen stehen auch im Wort, was zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen anbetrifft, und die Grünen stehen im Wort, was die Verhinderung der dritten Stufe des Ausbaus anbelangt. Wie da ein Kompromiss aussehen könnte, das ist die große Frage. Ich denke, auf den anderen Feldern könnte man sich einigen. In der Schulpolitik sind Grüne und CDU ja, wenn Sie die Wahlfreiheit bei G8 und bei G9 nehmen, näher als die SPD und die CDU. Ich denke, der Flughafen ist das zentrale Thema, an dem sich das entscheiden wird, ob es ein schwarz-grünes Bündnis geben kann oder nicht.
    Heuer: Der Politikwissenschaftler und Gründungshüne Hubert Kleinert im Gespräch mit meinem Kollegen Matthias von Hellfeld.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.