"Karl, kannst du mal ganz kurz in die Beratung runterkommen, hier ist jemand mit Fragen zu Praktikum bei Fachhochschulreife. Ich danke dir."
Das Beratungszentrum der ZVS liegt zwar im Keller, doch anstelle eines finsteren Lochs werden Besucher und Bewerber von einem freundlichen großen Raum im Sousparterre empfangen. An normalen Tagen kommen vielleicht zwanzig Ratsuchende her. An den Stichtagen sind es deutlich mehr. Vor allem wenn sich im Sommer die Abiturienten eines Jahrgangs bewerben, können das auch mal 150 werden. Die Zeiten, als die Bewerber bis vor die Eingangstür Schlange standen und die Letzten kurz von Mitternacht noch mit quietschenden Reifen vor dem Eingang vorfuhren, sind allerdings lange vorbei. Spätentschlossene gibt es allerdings nach wie vor, erklärt ZVS-Sprecher Bernhard Scheer. Doch für die müsse das Bewerberzentrum nicht mehr bis Mitternacht geöffnet sein.
"Die Online-Anmeldung nimmt natürlich diesen Entscheidungsdruck überhaupt nicht. Wir sehen das ja auch, dass beispielsweise im letzten Semester: der letzte Datensatz, der bei uns eingegangen ist, um 23.58 Uhr abgespeichert worden ist. Also der hat auch bis zum letzten Drücker gewartet, bis er dann seine Wünsche beisammen hatte und den Knopf gedrückt hat, jetzt will ich meine Daten übermitteln."
Marco Kunze kommt an diesem Vormittag ins Beratungszentrum. Er hat sich für einen Studienplatz in BWL beworben. Das gehört nicht zu den klassischen ZVS-Fächern, allerdings nehmen die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen schon jetzt probeweise den Service in Anspruch, den die ZVS künftig für Alle anbieten will: die Auswahl der Bewerber nach Kriterien, die die Hochschule festlegt. Marco Kunze wusste von dieser Vereinbarung nichts:
"Nee. Wir haben das nur herausgefunden, dass man sich bei der ZVS bewerben muss. Wir dachten eigentlich dass man das selbst an den Unis machen muss oder an den Fachhochschulen. Aber ist jetzt halt nicht mehr so - und dann haben wir das einfach gemacht."
Marco Kunze hatte sich online beworben und legt jetzt gewissermaßen einen Kontrollausdruck und sein Abiturzeugnis vor. Er hätte diese Unterlagen auch mit der Post schicken können, aber er wohnt in Herne, und dieser kurze Ausflug macht ihm nichts aus. Dass er sich bei der ZVS anstelle seiner Hochschule bewerben musste, ist ihm eigentlich egal. Überhaupt fällt auf, dass die Mär von der ZVS als drohendem Hindernis zwischen den Abiturienten und deren Berufswünschen offenbar ebenso ausgedient hat, wie die nächtlichen Besuche der spätentschlossenen Studienplatzbewerber. Dieter Klix, Leiter des Studiendekanates der Medizinischen Fakultät der Uni Bochum, hat sich 1980 bei der ZVS beworben. Er muss eine Weile nachdenken, was er mit diesen ersten und einzigen Kontakt in Verbindung bringt.
"Es war so belanglos eigentlich und ohne Vorkommnisse, dass ich mich nicht mehr groß daran erinnern kann. Ich weiß, dass ich die Unterlagen, die gefordert waren, persönlich abgegeben habe. Ich bin gebürtig aus Herne, fuhr mit dem Auto nach Dortmund, hab die Sachen eingereicht und bekam dann einige Wochen später halt meine Zulassung zum Biologiestudium. Ich habe Biologie studiert."
Als Leiter des Studiendekanats der Ruhr-Uni Bochum ist Dieter Klix bekennender Fan der ZVS. Ob als staatliches Organ oder als Dienstleistungsagentur - seiner Ansicht nach nimmt sie den Hochschulen Arbeit ab und verhindert langwierige Nachrückverfahren.
Florian Balkau dagegen findet ein Auswahlverfahren der Hochschulen selbst wesentlich gerechter. Vor zwei Monaten hat er sein Medizinstudium in Bochum abgeschlossen und arbeitet seither als Assistenzarzt in Osnabrück. Er kann sich noch gut erinnern, wie er das Bewerberzentrum der ZVS betreten hat:
"Es war massives Herzklopfen dabei und ich war sehr erleichtert, als ich meinen Studienplatz bekam. Ich habe auch taktisch gewählt. Man kann ja angeben, welche Fakultät man am liebsten möchte und welche man nicht so gerne möchte und welche man gar nicht möchte, aufgrund dieser Rangliste, die man ankreuzen kann. Da hab ich als zweites Bochum angegeben, nach meinem Erstwunsch Münster, um überhaupt sicher einen Studienplatz zu bekommen."
Der Numerus Clausus für Medizin lag in Balkaus Jahrgang bei 1,8 - genau seine Abinote. Ein guter Freund, erzählt er, hatte einen Schnitt von 2,8. Der habe sich jahrelang vergeblich bei der ZVS um einen Medizinplatz beworben. Mittlerweile - so Balkau - habe dieser Freund allerdings eine kaufmännische Ausbildung absolviert, sei ständig im Ausland unterwegs und verdiene viel mehr als er selbst. Das versöhnt Florian Balkau, der als Fachschaftsmitglied jahrelang mit den Nöten von Studienbewerbern und -anfängern zu tun hatte, keineswegs mit der ZVS.
"Ich glaube, dass die ZVS eine unnötige Makler- und Lotsen-, eine richtige Landverschickungsfunktion übernommen hat, die den Leuten nicht entgegen kommt, die Tauschbörsen Wege bereitet, die teilweise dubios und mit viel Geld ablaufen."
Bis zu 5.000 Euro - so Balkau - sind auf Aushängen für Plätze an attraktiven Unis geboten worden. Derartige Transaktionen - so die ZVS - gehören mittlerweile der Vergangenheit an. In den vergangenen zwei Jahren wurde das Vergabeverfahren so geändert, dass die Hochschulen Tauschgeschäfte nicht mehr zulassen. Wer beispielsweise bei der Charité in Berlin abgelehnt wird, bleibt abgelehnt, auch wenn Geld geboten wird. Der Ortswunsch eines Bewerbers hat laut ZVS bei der Vergabe einen hohen Stellenwert, es könne aber nun einmal nicht jeder, der sich beispielsweise um einen Medizinplatz in Heidelberg bewirbt dort auch angenommen werden. Das sei bedauerlich, werde sich aber auch durch ein Auswahlverfahren der Hochschulen selbst nicht ändern.
Das Beratungszentrum der ZVS liegt zwar im Keller, doch anstelle eines finsteren Lochs werden Besucher und Bewerber von einem freundlichen großen Raum im Sousparterre empfangen. An normalen Tagen kommen vielleicht zwanzig Ratsuchende her. An den Stichtagen sind es deutlich mehr. Vor allem wenn sich im Sommer die Abiturienten eines Jahrgangs bewerben, können das auch mal 150 werden. Die Zeiten, als die Bewerber bis vor die Eingangstür Schlange standen und die Letzten kurz von Mitternacht noch mit quietschenden Reifen vor dem Eingang vorfuhren, sind allerdings lange vorbei. Spätentschlossene gibt es allerdings nach wie vor, erklärt ZVS-Sprecher Bernhard Scheer. Doch für die müsse das Bewerberzentrum nicht mehr bis Mitternacht geöffnet sein.
"Die Online-Anmeldung nimmt natürlich diesen Entscheidungsdruck überhaupt nicht. Wir sehen das ja auch, dass beispielsweise im letzten Semester: der letzte Datensatz, der bei uns eingegangen ist, um 23.58 Uhr abgespeichert worden ist. Also der hat auch bis zum letzten Drücker gewartet, bis er dann seine Wünsche beisammen hatte und den Knopf gedrückt hat, jetzt will ich meine Daten übermitteln."
Marco Kunze kommt an diesem Vormittag ins Beratungszentrum. Er hat sich für einen Studienplatz in BWL beworben. Das gehört nicht zu den klassischen ZVS-Fächern, allerdings nehmen die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen schon jetzt probeweise den Service in Anspruch, den die ZVS künftig für Alle anbieten will: die Auswahl der Bewerber nach Kriterien, die die Hochschule festlegt. Marco Kunze wusste von dieser Vereinbarung nichts:
"Nee. Wir haben das nur herausgefunden, dass man sich bei der ZVS bewerben muss. Wir dachten eigentlich dass man das selbst an den Unis machen muss oder an den Fachhochschulen. Aber ist jetzt halt nicht mehr so - und dann haben wir das einfach gemacht."
Marco Kunze hatte sich online beworben und legt jetzt gewissermaßen einen Kontrollausdruck und sein Abiturzeugnis vor. Er hätte diese Unterlagen auch mit der Post schicken können, aber er wohnt in Herne, und dieser kurze Ausflug macht ihm nichts aus. Dass er sich bei der ZVS anstelle seiner Hochschule bewerben musste, ist ihm eigentlich egal. Überhaupt fällt auf, dass die Mär von der ZVS als drohendem Hindernis zwischen den Abiturienten und deren Berufswünschen offenbar ebenso ausgedient hat, wie die nächtlichen Besuche der spätentschlossenen Studienplatzbewerber. Dieter Klix, Leiter des Studiendekanates der Medizinischen Fakultät der Uni Bochum, hat sich 1980 bei der ZVS beworben. Er muss eine Weile nachdenken, was er mit diesen ersten und einzigen Kontakt in Verbindung bringt.
"Es war so belanglos eigentlich und ohne Vorkommnisse, dass ich mich nicht mehr groß daran erinnern kann. Ich weiß, dass ich die Unterlagen, die gefordert waren, persönlich abgegeben habe. Ich bin gebürtig aus Herne, fuhr mit dem Auto nach Dortmund, hab die Sachen eingereicht und bekam dann einige Wochen später halt meine Zulassung zum Biologiestudium. Ich habe Biologie studiert."
Als Leiter des Studiendekanats der Ruhr-Uni Bochum ist Dieter Klix bekennender Fan der ZVS. Ob als staatliches Organ oder als Dienstleistungsagentur - seiner Ansicht nach nimmt sie den Hochschulen Arbeit ab und verhindert langwierige Nachrückverfahren.
Florian Balkau dagegen findet ein Auswahlverfahren der Hochschulen selbst wesentlich gerechter. Vor zwei Monaten hat er sein Medizinstudium in Bochum abgeschlossen und arbeitet seither als Assistenzarzt in Osnabrück. Er kann sich noch gut erinnern, wie er das Bewerberzentrum der ZVS betreten hat:
"Es war massives Herzklopfen dabei und ich war sehr erleichtert, als ich meinen Studienplatz bekam. Ich habe auch taktisch gewählt. Man kann ja angeben, welche Fakultät man am liebsten möchte und welche man nicht so gerne möchte und welche man gar nicht möchte, aufgrund dieser Rangliste, die man ankreuzen kann. Da hab ich als zweites Bochum angegeben, nach meinem Erstwunsch Münster, um überhaupt sicher einen Studienplatz zu bekommen."
Der Numerus Clausus für Medizin lag in Balkaus Jahrgang bei 1,8 - genau seine Abinote. Ein guter Freund, erzählt er, hatte einen Schnitt von 2,8. Der habe sich jahrelang vergeblich bei der ZVS um einen Medizinplatz beworben. Mittlerweile - so Balkau - habe dieser Freund allerdings eine kaufmännische Ausbildung absolviert, sei ständig im Ausland unterwegs und verdiene viel mehr als er selbst. Das versöhnt Florian Balkau, der als Fachschaftsmitglied jahrelang mit den Nöten von Studienbewerbern und -anfängern zu tun hatte, keineswegs mit der ZVS.
"Ich glaube, dass die ZVS eine unnötige Makler- und Lotsen-, eine richtige Landverschickungsfunktion übernommen hat, die den Leuten nicht entgegen kommt, die Tauschbörsen Wege bereitet, die teilweise dubios und mit viel Geld ablaufen."
Bis zu 5.000 Euro - so Balkau - sind auf Aushängen für Plätze an attraktiven Unis geboten worden. Derartige Transaktionen - so die ZVS - gehören mittlerweile der Vergangenheit an. In den vergangenen zwei Jahren wurde das Vergabeverfahren so geändert, dass die Hochschulen Tauschgeschäfte nicht mehr zulassen. Wer beispielsweise bei der Charité in Berlin abgelehnt wird, bleibt abgelehnt, auch wenn Geld geboten wird. Der Ortswunsch eines Bewerbers hat laut ZVS bei der Vergabe einen hohen Stellenwert, es könne aber nun einmal nicht jeder, der sich beispielsweise um einen Medizinplatz in Heidelberg bewirbt dort auch angenommen werden. Das sei bedauerlich, werde sich aber auch durch ein Auswahlverfahren der Hochschulen selbst nicht ändern.