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High Tech fürs Ohr

Medizin. – Hamburger Hals-Nasen-Ohren-Ärzte haben zwei Patienten ein neuartiges Hörgerät implantiert, das Schwerhörigkeit aufgrund von Defekten des Mittelohrs ausgleicht. Das Gerät ersetzt die Gehörknöchelchen im wesentlichen durch piezoelektrische Elemente.

    Äußerlich ist von dem neuen Hörgerät nichts zu sehen. Über dem Ohr wurde ein Mikroprozessor unter die Haut eingepflanzt, von dem zwei Kabel ins Mittelohr führen und dort in zwei winzigen piezoelektrischen Elementen, die einen Strom in Bewegung und umgekehrt verwandeln. Anders als herkömmliche Hörgeräte verzichtet dieses Modell auf ein Mikrophon, das die Schallwellen aufnimmt. Statt dessen nutzt man das Trommelfell, was aus audiologischer Sicht große Vorteile hat. Professor Rudolf Leuwer von der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf: "Durch die Nutzung der natürlichen Wege des Schalls, Ohrmuschel, äußerer Gehörgang und Trommelfell, können wichtige Richtungsinformationen ausgenutzt werden."

    Zwei piezoelektrische Elemente leiten mit Hilfe des Prozessors die Schwingungen des Trommelfells an das Innenohr weiter und überbrücken so das Mittelohr. Ein Keramikstift wird dabei auf den Amboss geklebt und greift die Schwingungen den Amboss geklebt wird. Die von außen durch den Gehörgang auf das Trommelfell eindringenden Schallwellen versetzen diesen Sensor in Schwingungen. Die Schwingungen werden in elektrische Impulse umgewandelt, vom Prozessor gefiltert und verstärkt und an den anderen piezoelektrischen Stift weitergeleitet. Dieser gibt sie als Schwingungen weiter an den Steigbügel, der die Signale an die Hörschnecke übermittelt.

    Ein Nachteil ist jedoch, dass piezoelektrische Elemente materialbedingt nur eine geringe Schwingungsamplitude besitzen und somit hohe und tiefe Frequenzen schlecht umsetzen. Leuwer: "Das sind winzig kleine Auslenkungen, die man durch die Elektronik maximal ausnutzten muss." Doch selbst mit diesen Einschränkungen bietet das neue Hörgerät eine bessere Qualität als herkömmliche Apparate – erkauft wird dies jedoch durch einen starken Eingriff. Wegen möglicher Verzerrungen muss nämlich die Gehörknöchelkette chirurgisch unterbrochen werden. Leuwer: "Das tut man in diesem Fall, indem man mit einem Laser den sogenannten Amboss durchtrennt." Zwei Patienten wurden bislang in Hamburg behandelt, bundesweit sollen es einmal 15 sein.

    [Quelle: Ulrich Neumann]