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Hilfe für die Täter

In Spanien werden jährlich rund 70 Frauen durch ihre Partner getötet. Seit Mitte der 90er-Jahre alarmieren darum Frauenverbände gegen die häusliche Gewalt: In der Zwischenzeit gibt es einen intensiven Opferschutz mit gesetzlichen, polizeilichen und therapeutischen Maßnahmen. Spezielle Hilfsprogramme richten sich an die Täter - innerhalb und außerhalb der Gefängnisse.

Von Hans-Günter Kellner |
    Als "Öffne meine Augen" 2003 in die spanischen Kinos kam, klatschten die Filmkritik wie das Publikum Beifall. Der Film beschreibt das Thema der Gewalt in der Partnerschaft so treffend, dass Psychologen ihn noch heute bei ihren Therapien einsetzen. Miguel Ángel Cueto leitet ein Programm zur Betreuung von Männern in der Region Kastilien-León:

    "Manche Männer weinen, wenn sie den Film sehen. Viele lernen etwas daraus. Wie kleinste Gesten, die Frauen erschrecken, wie auch sie selbst oft mit gnadenloser Geringschätzung auf berufliche Erfolge ihrer Frauen reagieren. Sie sehen, wie sie mit ihrer eigenen Partnerin umgehen. Dadurch können sie ihr eigenes Verhalten ändern."

    Der Hotelangestellte José aus Soria, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte, gehört zu den Patienten des Psychologen. Auch in seiner Gruppe wurde der Film gezeigt:

    "Ich habe versucht, mich in den Täter wie in die Frau hineinzuversetzen. Man sieht das Leiden des Opfers. Man muss beide Perspektiven sehen, um zu verstehen, was da los ist."

    Dass sich die Männer an der Stelle der Frauen, ihrer Opfer, sehen, ist eines seiner Ziele, erklärt Cueto. Trotzdem ist die psychologische Hilfe für die Täter bis heute umstritten. Vor fünf Jahren sei das Programm für die Männer in seiner Region das einzige in ganz Spanien gewesen, erzählt er und betont:

    "Jemanden zu behandeln, der selbst gewalttätig geworden ist, ist wichtig, um weitere Fälle zu vermeiden. Den Männern sollte vermittelt werden, dass jeder mal einen schlechten Tag haben und auch Aggressivität fühlen kann. Aber man kann sich auch kontrollieren. Die Männer sollen lernen, sich mitzuteilen, über ihre Partnerschaften nachzudenken, Partnerschaften aufzugeben, wenn diese nicht mehr funktionieren."

    Denn oft seien die Ursache der Gewalt Partnerschaftskonflikte, auf die die Täter nur mit Prügeln, oder im Extremfall sogar mit der Tötung der eigenen Frau zu reagieren wissen. Der Hotelangestellten José kam mit der Untreue seiner Ehefrau nicht klar. Noch heute kostet es ihn eine große Überwindung, offen darüber zu sprechen.

    "Ich hatte einen Privatdetektiv beauftragt, ihre Untreue zu beweisen. Als ich sie mit den Fotos zur Rede stellte, begannen wir, zu diskutierten. Sie zeigte mich an, weil ich sie bedrohte. Ein Richter entschied, dass ich zu ihr mindestens 500 Meter Abstand halten müsste. Dieses Annäherungsverbot missachtete ich. Da wurde ich zu 16 Monaten Haft verurteilt. Aber ich habe nur 24 Tage im Gefängnis verbracht."

    Inzwischen tragen potenzielle Täter wie José elektronische Fußfesseln. Sie erleichtern der Polizei die inzwischen Tausenden von Annäherungsverboten zu überwachen. José begann nach dem Gefängnisaufenthalt mit der Therapie - freiwillig. Er habe gelernt, nicht mehr so zornig zu werden, nicht nur gegenüber seiner neuen Partnerin, sondern auch gegenüber Kollegen. Sein Fall klingt undramatisch, doch Therapeut Miguel Angel Cueto warnt davor, das Problem der häuslichen Gewalt auf die Prügel zu reduzieren:

    "Vorsicht! Die psychologische Gewalt ist nicht zu unterschätzen. Viele Männer kontrollieren ihre Frauen, erniedrigen sie, machen berufliche Erfolge lächerlich, schreien, hauen auf den Tisch, um sich durchzusetzen. Diese Art der psychologischen Gewalt dauert oft Jahre und kann anhaltende Schäden verursachen, das Konzentrations- und Erinnerungsvermögen der Opfer nimmt ab. Auch wenn sie sie nicht schlagen."

    Es gibt eine landesweite Notrufnummer für bedrohte Frauen, auch ein Gesetz zu ihrem Schutz, Sonderstaatsanwaltschaften, zahlreiche Medienkampagnen zum Thema. Durch eine intensive Nachbetreuung weiß Miguel Angel Cueto zudem, dass 90 Prozent der Männer, die in seinem Zentrum in Therapie waren, nicht mehr gewalttätig geworden sind. Grundlegend für den Erfolg: Die Männer kommen freiwillig. Trotzdem sind in Spanien im vergangenen Jahr 55 Frauen durch ihre Partner getötet worden, in diesem Jahr sind es schon mehr als 70. Glaubt man den Statistiken, haben weder die Opfer- noch die Täterprogramme etwas gebracht. Doch der Psychologe Miguel Angel Cueto widerspricht:

    "Inzwischen passiert es oft, dass Außenstehende intervenieren, wenn sie Misshandlungen beobachten. Unsere Gesetze schützen die Frauen. Trennungen und Ehescheidungen sind erleichtert worden. Wenn das Problem in den Statistiken jetzt scheinbar zunimmt, dann liegt das auch daran, dass es jetzt als ein solches erkannt wird. Das ist gut so. Die Gewalt in der Partnerschaft wird nicht mehr toleriert."