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Hilfe für Parkinson-Patienten

Was haben Gasturbinen mit der Parkinson-Erkrankung zu tun? Nicht viel auf den ersten Blick, aber als der Neurologe Bruno Rossi von der Universität Pisa mit einem befreundeten Turbineningenieur eine Pizza ass kam er auf eine Idee. Wenn es Geräte gibt, mit denen sich der Innendruck von Gasturbinen messen lässt, dann könnte man doch auch versuchen die Nervenleitgeschwindigkeit in den Armen von Parkinson-Patienten zu messen - mit dem Ziel, den Bewegungstremor dieser Kranken genauer als bisher definieren zu können. Dazu die römische Neuorologin Simona Carlini:

Von Thomas Migge |
    Innerhalb der Neuologie ist das Messen der Nervenleitgeschwindigkeit vor allem im Fall von Parkinson sehr wichtig. Nur so lässt sich der Zustand der Akinese definieren, also der pathologisch bedingten Bewegungshemmung von Rumpf und Gliedern. Bisher konnten wir das Level der Akinese bei einem Patienten nur vermuten.

    Ein Mediziner hatte bisher nicht die Möglichkeit einem Patienten eine exakt auf seinen Tremor zugeschnittene medikamentöse Behandlung zukommen zu lassen. Mit Hilfe des an den Universitäten Pisa und Rom entwickelten und mit Erfolg erprobten Geräts W.A.E.S. - was ³Wavelet Analysis for Electromyographic Signals² bedeutet, zu deutsch Wellenanalyse zur Ermittlung elektromiografischer Signale - braucht ein Arzt keine Vermutungen mehr über den jeweiligen Krankheitszustand seines Parkinson-Patienten anzustellen. Das W.A.E.S.-Gerät - das auf ähnliche aber nicht voll funktionstüchtige Erfindungen in den USA aufbaut - muss man sich als rechteckigen und rund 40 cm hohen und breiten Kasten vorstellen. Es verfügt über einen Bildschirm, auf dem die Messdaten angegeben werden. Diese Daten werden innerhalb eines sogenannten ³Parkinson Disease Index² dargestellt: innerhalb eines Rasters, das dem behandelnden Arzt Auskunft darüber gibt, in welchem Bereich sich die Nervenleitgeschwindigkeit eines Patienten befindet - der Grad der Akinese kann so objektiv definiert werden. Der Arzt braucht keine Vermutungen mehr anzustellen.
    Simona Carlini:

    Der OEParkinson Disease Index¹ ist ein numerischer Wert, der mathemisch ermittelt wird aufgrund der durch das Gerät gemessenen elektromiographischen Wellen. Diese Wellen werden mit Hilfe zweier Elektroden erfasst, die an ganz bestimmte Muskelgruppen angeschlossen werden. Die Wellen werden gemessen, wenn es zu Muskelkontraktionen kommt.

    Bei Versuchen in Pisa und in Rom fanden die Neurologen heraus, dass die Elektroden des W.A.E.S.-Gerätes immer dann die deutlichsten Resultate liefern, wenn sie an Ober- und Unterarmen angeschlossen werden. Da Parkinson-Patienten in der Regel an Hand- und Armtremor leiden empfiehlt es sich, genau dort die Nervenleitgeschwindigkeit zu messen. Neurologen aus Rom zufolge verfügt der Vatikan bereits über ein W.A.E.S.-Gerät. Da Johannes Paul II. im fortgeschrittenen Stadium an Parkinson leidet scheinen auch seine Ärzte die Vorteile erkannt zu haben, meint die Neurologin Carlini, die sich für die medikamentöse Behandlung solcher Patienten aus der Analyse der Nervenleitgeschwindigkeit ergeben:

    Die Tatsache, dass man auf diese Weise oft und präzise den Verlauf dieser Pathologie untersuchen kann, bei der es plötzliche Besserungszustände und dann wieder Verschlecherungen gibt, erlaubt es den Ärzten die Medikamentenschübe ganz individuell nach dem jeweiligen Patienten dosieren zu können. Nach seinem persönlichen OEParkinson Disease Index¹.

    Ein wichtiger Punkt, denn die Nebenwirkungen von Medikamenten gegen Parkinson sind nicht unerheblich. Mit einer Dosierung aufgrund des tatsächlichen Krankheitsstands eines Patienten des können diese Nebenwirkungen deutlich verringert werden. Das in Europa einmalige W.A.E.S-Gerät wurde in Zusammenarbeit mit der staatlichen Energiegewinnungsgesellschaft ENEL entwickelt. Von der ENEL übernahm man die Idee zur Messung von Gasgeschwindigkeiten in Turbinen. Das römische Gesundheitsministerium will rund 60 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um Italiens grosse Krankenhäuser mit W.A.E.S.-Geräten - über deren Kosten für eine Serienproduktion noch keine genauen Zahlen vorliegen - bis Ende dieses Jahres auszustatten.