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Hilfe gegen den Stress

Seit Einführung von Bachelor und Master haben unter den Studierenden Prüfungsängste, depressive Verstimmungen und Lernstörungen stark zugenommen. Hochschulen und Krankenkassen haben das Problem erkannt und starten Initiativen, um die Situation zu verbessern und auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen - auch an der FH Erfurt.

Von Hilde Weeg | 26.05.2010
    Nahe der Altstadt, mitten in einem Wohngebiet liegt der Campus der FH Erfurt. Rund 4600 Studierende werden hier zum Beispiel zu Bauingenieuren, Verkehrsplanern, Technikern, Betriebswirten oder Sozialarbeitern ausgebildet. Eine große grüne Wiese mit einzelnen Bäumen und Sitzgruppen bildet einen Ruhe- und Treffpunkt im Innenhof. Heute sind dort kleine Info -und Übungsstände rund um das Thema "Gesundheit" verteilt: Man kann Beachvolleyball spielen oder Freiluft-Schach, sich den Blutdruck messen lassen oder sich über Fitnessangebote informieren. Die FH und die AOK Plus Krankenkasse haben zu diesem Gesundheitstag eingeladen. Seit gut einem Jahr arbeiten beide daran, die Situation für die Studierenden und Hochschulmitarbeiter zu verbessern, denn viele sind am Rande ihrer Belastbarkeit:

    Karl Heinz Stange, Professor für Sozialwesen und Projektleiter für die Hochschule, hat dazu gemeinsam mit Studierenden und der Krankenkasse eine Fragebogen-Aktion gestartet. Sein Fazit:

    "Nicht wenige Studierende sind in eine Zangensituation gekommen: Der Prüfungsdruck steigt und bisher hat sich an der Finanzierungssituation ja nicht viel geändert."

    Um Stress und typische Beschwerden abzubauen, bieten Krankenkassen üblicherweise Entspannungskurse oder Rückentraining an. Aber die Angebote von FH und Kasse gehen weit darüber hinaus. Gemeinsam wurden seit Mai 2009 viele Hinweise für umfassende Veränderungen innerhalb der Einrichtung erarbeitet. Frank Vieweg ist als AOK-Plus-Vertreter dafür zuständig:

    "Für mich ist das spannende Thema Kommunikation, auch Führung. Da geht es um Themen wie Rückmeldung von Professoren an Studierende, an Mitarbeiter, an die Organisation. Wir haben das in Workshops aufbereitet: bis hin zu Mitarbeitergesprächen, wenn die eine Rückmeldung zu ihrer Arbeit brauchen."

    Parallel zu Erkenntnissen aus der Organisationsforschung ist klar, dass Mitarbeiter viel Rückmeldung brauchen, um motiviert zu arbeiten. Bei der Befragung stellte sich heraus, dass 40 Prozent der Mitarbeiter nie oder selten überhaupt eine Rückmeldung über die Qualität ihrer Arbeit erhalten - für Hochschulen dürfte das ein typisches Ergebnis sein. Der Ansatz gilt solchen ganz konkreten Arbeitsbedingungen, die zunächst einmal überhaupt gründlich erfragt werden.

    "Wenn wir uns darauf reduzieren lassen, nachher die Schäden zu reparieren und nicht anregen - wir sind ja nur in Modellprojekten drin - um zu zeigen, dass es sich lohnt, an den Rahmenbedingungen anzusetzen. Um am Ende gesundheitsförderliche Bedingungen zu haben, damit nicht so viele Schäden passieren."

    Seit dem letzten Jahr wurden auch ganz konkrete Maßnahmen besprochen, um die aktuelle Situation möglichst konkret zu verbessern:

    "Wir haben uns auch gekümmert, weil die Toiletten gestunken haben beispielsweise. Also selbst solche Sachen werden dann einer Lösung zugeführt. Das ist die Lernkultur: Fehler benennen und dann in seiner Organisation suchen, was man optimieren kann. Das stimmt uns optimistisch, dass wir uns in der richtigen Richtung bewegen."

    Vier Arbeitsgruppen unter Mitwirkung von Studentenrat und Personalrat arbeiten an weiteren Verbesserungen in kleinen Schritten: Es soll mehr Räume für Pausen und Rückzug geben, ein besseres Mensa-Angebot, bessere Luft in den Hörsälen oder ein erweitertes Kursangebot für Fitness oder Entspannung. Eine Gruppe widmet sich ganz der Verbesserung von Kommunikation und Feedback. An den Grundkoordinaten, also Prüfungs- und Finanzbedingungen können aber weder Fachhochschule noch Kasse etwas verändern;

    "Hier ist Bildungspolitik gefragt - und die Reichweite des Projekts wird dadurch auch begrenzt sein. Ich finde aber, ein wichtiger Effekt des Projektes ist es, ein entsprechendes Bewusstsein der Studierenden selbst zu schaffen."

    Den Sinn eines solchen Projektes haben offenbar auch andere erkannt. Nicht nur andere Kassen, auch andere Hochschulen sind daran interessiert. Die Ergebnisse werden parallel zu den Erkenntnissen im Internet veröffentlicht.