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Hilfe nach Schulterverletzungen

Diagnose: Armlähmung nach einem Sturz oder Unfall. Bei den meist jungen Patienten handelt sich häufig um Motorradfahrer. Typische Verletzungen sind Querschnittslähmungen, Trümmerbrüche an Armen und Beinen sowie tiefe Risswunden. Überdurchschnittlich oft ist bei ihnen das Nervengeflecht für Arm und Schulter zerrissen. Es wird durch den Aufprall mit der Schulter zerstört. Die Folge: der Arm hängt schlaff herunter. Um den Betroffenen zu helfen, haben Orthopäden spezielle Muskeltransfertechniken entwickelt. An der Medizinischen Hochschule Hannover wurde das Operationsverfahren, der so genannte Trapezius-Transfer weiter optimiert.

Von Michael Engel |
    Als Matthias Brotauf mit seiner "80er Maschine" zur Arbeit fuhr, stieß der Auszubildende morgens um 6.15 Uhr mit einem entgegen kommenden LKW frontal zusammen. Wer die Schuld trägt, konnte bis heute nicht geklärt werden.

    Also ich habe keine Erinnerungen an den Unfall, aber ich glaube, danach kam ich direkt zum Boden und bin dann erst mal liegen geblieben. Es war halt eine ländliche Gegend, wo das passiert ist. Da kam erst der Rettungswagen, und später wurde ich vom Ortskrankenhaus mit dem Helikopter weitertransportiert zu der Uniklinik.

    Seine Nerven, die in der Schulter zum linken Arm führten, waren an der Wirbelsäule ausgerissen. Bis heute kann der 20-Jährige den Arm nicht mehr richtig bewegen. Für Dr. Oliver Rühmann von der Medizinischen Hochschule Hannover sind solche "Armplexusschäden" typisch für Motorradunfälle.

    Es ist so, dass zum einen das Anprallereignis an der Schuler eine Rolle spielen kann für die Verletzung des so genannten Armplexus, also des Nervengeflechts, es kann aber auch sein, dass durch das Herumwirbeln in der Luft auch die Arme entsprechend herumgewirbelt werden, und dass dadurch eben Zerreißungen des Armnervengeflechts auftreten.

    Ärzte verpflanzen dann zum Beispiel Teile der Beinnerven in der Hoffnung, dass möglichst schnell eine neuronale Verbindung zwischen Wirbelsäule und Arm entsteht. Doch Nerven wachsen langsam. Es dauert Monate, mitunter Jahre, bis die Muskeln als "Zielorgane" erreicht werden. Dann ist es oftmals zu spät. Denn Muskeln, die so lange lahmgelegt sind, verlieren ihre Funktion.

    Es ist so, dass die Muskeln in der Tat degenerieren. Das heißt also, das Erfolgsorgan ist dann nicht mehr da, und dass wir dann entsprechend versuchen, diese Funktion durch die Verlagerung von Muskeln, die noch funktionieren, entsprechend zu verbessern.

    Bei vielen Schulterverletzten mit Armplexusschäden ist der so genannte "Delta-Muskel" gelähmt. Dieser Muskel hebt normalerweise den Arm und hält ihn in seiner Gelenkpfanne fest. Eine Lähmung führt dazu, dass der Arm bewegungslos herunterhängt. Um den Betroffenen zu helfen, greifen die Chirurgen zum sogenannten "Trapezius-Transfer". Der Trapezius ist ein Muskel, der die Halswirbelsäule mit dem Schulterdach verbindet, damit wir die Schultern anheben können.

    Und bei der Operation wird es so gemacht, dass man den Ansatz quasi ablöst, den Muskel soweit mobilisiert, dass man ihn verziehen kann, und dann wird der Muskel vom Schulterdach, wo er ursprünglich herkommt, verlagert zum Oberarmknochen, so dass die ursprüngliche Funktion, die darin besteht, das Schulterdach zu heben, umgewandelt wird in eine Funktion, dass der Arm bewegt werden kann und zwar abgespreizt werden kann, nach vorne geführt werden kann. Und zusätzlich kommt es noch dazu, dass der Oberarmkopf wieder zentriert in der Gelenkpfanne steht, und dass diese Verrenkung dieses Oberarmkopfes beseitigt wird.

    Jetzt kann der Patient zwar nicht mehr seine Schulter heben, doch der Arm ist wichtiger. Nach dem Trapezius-Transfer folgt ein recht mühsames Training in der Reha-Klinik, denn die Patienten müssen lernen, die neue Muskelfunktion richtig einzusetzen.

    Es ist so, dass die Patienten erlernen müssen, was sie dem Muskel befehlen müssen, damit er das Richtige tut. Es findet ein Umlernen statt, das findet aber auch im Sinne einer Verschaltung im Gehirn statt, so dass ein bewußter Befehl nur für kurze Zeit gegeben werden muss, und danach ist das so verinnerlicht, dass der Patient sagt "Arm heben", und dann hebt er den Arm und nicht mehr die Schulter.

    Nur wenige orthopädische Kliniken in Deutschland beherrschen den Trapezius-Transfer. Dr. Oliver Rühmann hat diese Technik weiter verfeinert, indem der funktionstüchtige Trapezius mit dem gelähmten Delta-Muskel einfach vernäht wird. Auf diese Weise wird die Kraft des Trapezius auf den Delta-Muskel zumindest teilweise übertragen, was die Beweglichkeit des Arms verbessert. Patienten - so der Orthopäde - sind "sehr zufrieden".

    Das Ausmaß an Beweglichkeit geht in Richtung 40 Grad Abspreizung und 40 Grad Vorführung des Armes. Das ist für uns als Gesunde sicherlich kein hohes Bewegungsausmaß, aber für jemanden, der gar nichts mit dem Arm machen konnte, ist das ein erheblicher Gewinn. Und daraus resultiert eben diese hohe Zufriedenheit mit dem Ergebnis subjektiv von den Patienten.