"Nee, wie hebb'n eenmol en Maler hat. Nie wedder wüll'n wie en Maler hebb'n."
Mit einer schnörkelig verspielten Schrift ziert der Satz die Innenwand des Gasthofes – Grethjens Gasthof. Platt wird neben Hochdeutsch auf der Insel Föhr heute noch genauso gesprochen wie Friesisch. Auch wenn die Wirtin schon lange nicht mehr lebt: Grethjen Hayen ist den Dorfbewohnern von Alkersum in guter Erinnerung geblieben. In ihrer Gastwirtschaft begegneten sich früher Einheimische und Besucher der Insel. Auch städtische Künstler vom Festland zog es um 1900 immer wieder in das Friesendorf. Aber die resolute Dame zeigte wenig Verständnis für die Anzugträger, die ihre Staffeleien am Strand aufbauten. Ihr wohl berühmtestes Zitat lässt die Besucher eines neuen Museums, das sich genau neben dem Gasthof befindet, heute schmunzeln.
Ich bin im Museum "Kunst der Westküste" in Alkersum. Ein Dorf, dessen Name neben Utersum, Nieblum und Midlum erst einmal nichts Außergewöhnliches verspricht. Knapp 500 Menschen wohnen hier. Auf der kleinen Hauptstraße sorgen die traditionell mit Reetdach versehenen und liebevoll gepflegten Häuser für ländliche Idylle.
"Wir haben hier schon mal einen Maler gehabt, nie wieder wollen wir einen Maler haben. Das war auch so die Skepsis der Insulanerin gegenüber den Künstlern, die ja dann zum Teil auch den Ruf hatten etwas lockere Gesellen zu sein, etwas unsichere Kandidaten zu sein ... und sie hat sich aber doch etwas Besseren belehren lassen."
Ich bin im Museum "Kunst der Westküste" in Alkersum. Ein Dorf, dessen Name neben Utersum, Nieblum und Midlum erst einmal nichts Außergewöhnliches verspricht. Knapp 500 Menschen wohnen hier. Auf der kleinen Hauptstraße sorgen die traditionell mit Reetdach versehenen und liebevoll gepflegten Häuser für ländliche Idylle. Das Einzige, was hier aus auszubrechen scheint, sind die Rosenstöcke, die aus den Vorgärten über den Gehweg ragen. Der Architekt hat sich bemüht, das ebenfalls reetgedeckte Museumsgebäude dem Baustil des Dorfes anzupassen. Nur der moderne Schriftzug an der Außenfassade und die vielen gut gekleideten Besucher, die zum Eingang strömen, verraten, dass hier etwas Neues, eine Attraktion entstanden sein muss.
"Es ist natürlich ein gewaltiger Ansturm. Wir haben hier Tage gehabt mit 600 Besuchern und am Eröffnungswochenende, da hatten wir über 4000 Besucher hier im Museum. Das ist natürlich für so ein kleines Dorf eine gewaltige Herausforderung."
Ich musste nicht lange nach dem Museumsdirektor suchen. Mit schnellen und selbstbewussten Schritten bewegt sich Thorsten Sadowsky durch die Ausstellungsräume. Über dem gestreiften weißen Hemd und der blauen Jeans trägt er sein schwarzes Jackett lässig geöffnet. Freundlich, aber bestimmt weist er einen kleinen Jungen darauf hin, nicht zu nah an die wertvollen Gemälde heranzutreten. Aufmerksam hebt er einen Papierzettel auf, den ein Besucher achtlos liegen gelassen hat. Hier, das zeigt er mir, gehört alles an seinen Platz.
Als ich den ersten der drei Ausstellungsräume betrete, begleiten mich die Motive, die mir auf meiner Fahrt ins Dorf begegnet sind, noch immer. In warmen Grün-, Gelb- und Brauntönen scheinen die eng aneinandergehängten Gemälde von der weißen Wand. Sie zeigen die Insel mit ihren saftigen grünen Wiesen, den Tieren und ihren Bewohnern. Und dazwischen immer wieder: der blaue, teils wolkenbedeckte Himmel und das weite Meer. Der Museums-Chef weiß genau, was die Künstler mit ihren Bildern ausdrücken wollten:
"Wir müssen uns ja hier vergegenwärtigen, dass es Maler sind, die vor allem auch für ein städtisches Publikum malen. Und dann natürlich auch einer gewissen Idyllisierung der Region hier Vorschub leisten. Das ist also ein ganz wichtiger Aspekt. Dass es keine Malerei ist, die versucht, sozusagen, die sozialen Härten der Inselexistenz hier entsprechend abzubilden."
Zumindest sei das bei den deutschen Künstlern so gewesen, erzählt mir der 47-Jährige auf unserem Rundgang. Wir bewegen uns in einen weiteren, etwas kleineren Raum. Die Ausstellungsstücke sind geografisch angeordnet. Hier hängen die Werke dänischer Maler. Auch sie hat es damals an die Küste gezogen. Der Direktor bleibt vor einem großen Gemälde stehen. Frauen mit weißen Kopftüchern und dunklen Schürzen stehen am Strand und halten wuchtige Fischernetze in den Händen:
"Man sieht also eine Gruppe von Netzflickerinnen und besonders auffällig sind diese ungeheuer abgearbeiteten Hände, die sehr muskulösen Unterarme, die fast an Männerunterarme erinnern und hier ist also, obwohl die Frauen selber in der lokalen Tracht dargestellt sind, ist von Romantik nichts mehr und insbesondere die harte Arbeit, das Mühsal des täglichen Brotes ist hier also ganz besonders deutlich. Also von daher ein sehr eindrucksvolles Bild, was sich sehr stark den sozialen Gegebenheiten auch annähert."
Und noch etwas zeigen die Arbeiten sehr eindrucksvoll: Die Ängste und Sehnsüchte der Inselbevölkerung, als noch keine modernen Fähren oder Schiffe hinüber aufs Festland fuhren. Damals bedeutete für die Fischer und Walfänger jeder Aufbruch ins offene Meer ein Aufbruch ins Ungewisse:
"Also auch ein ganz wichtiges Motiv, die daheimgebliebene Frau, die auf den Mann, auf den Seefahrer der zurückkehrt, wartet – und häufig genug kehrten die Seefahrer ja auch gar nicht zurück – also dieses Drama ist eben auf dieser Wand auch gegenwärtig."
"Ocke Johannen .. er wurde sehr, sehr alt .. Steht es hier irgendwo? Ich glaube an die 90 Jahre sogar."
Obwohl er eine feine beigefarbene Hose trägt, kniet Harald Nissen vor einem großen sandfarbenen Stein nieder. Hier in Süderende, einem Friesendorf am westlichen Zipfel der Insel, liegen die Föhrer Walfänger begraben. Das Besondere an dem Friedhof sind die "sprechenden Grabsteine". Sie erzählen die Geschichten der Kommandeure, die auf See fuhren. Reliefartig wurden sie in die grauen, braunen und beigen Steine eingemeißelt.
"Schauen Sie mal wie wunderschön das aussieht hier. Ich liebe diesen Stein."
Die Mittagssonne scheint auf das leuchtend rote Hemd des Rentners und lässt sein weißes Haar glänzen. Seine Augen funkeln vor Begeisterung. Wir stehen auf der Wiese des Friedhofgeländes. Um uns herum ragen in unregelmäßigen Abständen hüfthohe flache Steinplatten aus dem Gelände hervor. Die Geschichten seiner Vorfahren erzählt Harald Nissen so, als ob jeder Einzelne sein eigener Großvater gewesen wäre.
"Und hier finden Sie so wunderbar naiv dargestellt wieder das abgetakelte Schiff, festgemacht, Sonne, Mond und dann den mich immer wieder bewegenden Spruch darüber in der Bekrönung: Das ungestüme Meer der Welt gibt angstvolle Stunden. Mein Glaubens aber ewig hält, weil er senkt in Jesu Wunden."
Ich schlendere über die Strandpromenade von Wyk, der größten Stadt der Insel. Mein Blick schweift über das bunte Treiben am Strand. Die farbigen Strandkörbe wirken auf dem weißen Sandstrand wie wild durcheinandergewirbelte Puzzle-Teile. Auf den Molen angeln Kinder mit langen Schnüren und Muschelfleisch nach Krebsen. Ihre Eltern liegen unbekümmert in der Sonne. Eine Szenerie, wie sie sich auch auf einigen Gemälden im Museum finden lässt:
"Man sieht also Damen in städtischer Kleidung, in langen Kleidern, man sieht Kinder mit Lampions die sich vergnügen und (man) sieht am äußeren Bildrand dann eine Friesin, in Tracht, die das ganze touristische Treiben beobachtet."
Was heute von der Insel nicht mehr wegzudenken ist, sei damals noch ein zartes Pflänzchen gewesen, erzählt Sadowsky. Wir stehen vor einem Gemälde von Otto-Heinrich Engel. In der Ausstellung ist er einer der wenigen lokalen Künstler. 1819 wurde Wyk auf Föhr Seebad. Heute ist der Tourismus für die meisten der Insulaner neben der Landwirtschaft eine Existenzgrundlage. Und dennoch sei gerade dieses Bild für den Föhrer Maler die absolute Ausnahme, erzählt mir Thorsten Sadowsky:
"Er war immer daran interessiert, Föhr als einen Ort des Authentischen, des Echten, der nicht-verstädterten Lebensform darzustellen. Also im Grunde eine Verweigerung auch gegenüber der Moderne ( ... )"
Der Künstler als Anti-Tourist ist nur eine Variante des Touristen, lese ich in dem begleitenden Katalog zur Ausstellung. Die Maler kannten das moderne Leben der Stadt. Nur durch diesen Kontrast konnten sie die Insel in ihren Kunstwerken als eine ursprüngliche und authentische Landschaft/Lebenswelt darstellen. In den Motiven der Ausstellung prallen Gegenwelten aufeinander.
"Dieser Spannungsbogen macht auch den Reiz des Museums aus, dass man auch aus dem lokalen in einem immer größeren Horizont hineintritt."
Verträumt blickt Thorsten Sadowsky in den Museumsgarten. Ein ordentlich gemähter Rasen und ein Kiesweg umrahmen die Gastronomie und das Museumsgebäude. Ein paar Blumenbeete, mit Lavendel und rosafarbenen Rosen bepflanzt, und zwei alte Linden lenken ein wenig von dem fast unnatürlich weiß gestrichenen Gasthof ab.
Durch weitere lichtdurchflutete Räume führt uns die Ausstellung dann noch in die Niederlande und nach Norwegen. Eine weite Reise entlang der Westküste, die der Inselbevölkerung gerecht wird, findet der Macher der Galerie:
"Wenn man beispielsweise an die Seefahrtsgeschichte denkt, oder auch an die große Tradition der Föhrer Walfänger. Das heißt also die Insulaner waren immer international. Sie haben in der Regel mehrere Sprachen gesprochen und waren aufgrund ihrer Lebensumstände immer gezwungen, sozusagen in die große weite Welt hinauszufahren."
Aber die heimatverbundenen Inselbewohner, sie sind alle sind wieder zurückgekehrt. Das zeigt ein Grabstein auf dem Föhrer Walfängerfriedhof. Es ist die Ruhestätte eines Kommandeurs, der nach einer langen Seefahrt ums Leben kam:
"Und er hat einen wunderschönen friesischen Spruch drunter geschrieben, es ist die vierte Strophe eines Liedes: Wenn das Leben einmal vorbei gegangen sein sollte, dann sollt ihr mich wieder dorthin fahren, wo meine Eltern ihren Ruheplatz gefunden haben, hin auf meine kleine liebe Insel Föhr.""
Leise plätschern die Wellen an den weiten Nordseestrand. Mittlerweile ist es früher Abend geworden. Ein feuchter Teppich am Strand erinnert daran, dass hier noch vor wenigen Stunden Wellen an den Strand spülten. Bei Ebbe scheint das Meer in unendlicher Ferne. Viele Touristen haben sich vom Strand entfernt. Andere sind als kleine Punkte am Horizont zu erahnen. Sie wandern durch das wunderbar weiche, aber kühle Watt.
"XXX (Grabinschrift auf Friesisch)"
Mit einer schnörkelig verspielten Schrift ziert der Satz die Innenwand des Gasthofes – Grethjens Gasthof. Platt wird neben Hochdeutsch auf der Insel Föhr heute noch genauso gesprochen wie Friesisch. Auch wenn die Wirtin schon lange nicht mehr lebt: Grethjen Hayen ist den Dorfbewohnern von Alkersum in guter Erinnerung geblieben. In ihrer Gastwirtschaft begegneten sich früher Einheimische und Besucher der Insel. Auch städtische Künstler vom Festland zog es um 1900 immer wieder in das Friesendorf. Aber die resolute Dame zeigte wenig Verständnis für die Anzugträger, die ihre Staffeleien am Strand aufbauten. Ihr wohl berühmtestes Zitat lässt die Besucher eines neuen Museums, das sich genau neben dem Gasthof befindet, heute schmunzeln.
Ich bin im Museum "Kunst der Westküste" in Alkersum. Ein Dorf, dessen Name neben Utersum, Nieblum und Midlum erst einmal nichts Außergewöhnliches verspricht. Knapp 500 Menschen wohnen hier. Auf der kleinen Hauptstraße sorgen die traditionell mit Reetdach versehenen und liebevoll gepflegten Häuser für ländliche Idylle.
"Wir haben hier schon mal einen Maler gehabt, nie wieder wollen wir einen Maler haben. Das war auch so die Skepsis der Insulanerin gegenüber den Künstlern, die ja dann zum Teil auch den Ruf hatten etwas lockere Gesellen zu sein, etwas unsichere Kandidaten zu sein ... und sie hat sich aber doch etwas Besseren belehren lassen."
Ich bin im Museum "Kunst der Westküste" in Alkersum. Ein Dorf, dessen Name neben Utersum, Nieblum und Midlum erst einmal nichts Außergewöhnliches verspricht. Knapp 500 Menschen wohnen hier. Auf der kleinen Hauptstraße sorgen die traditionell mit Reetdach versehenen und liebevoll gepflegten Häuser für ländliche Idylle. Das Einzige, was hier aus auszubrechen scheint, sind die Rosenstöcke, die aus den Vorgärten über den Gehweg ragen. Der Architekt hat sich bemüht, das ebenfalls reetgedeckte Museumsgebäude dem Baustil des Dorfes anzupassen. Nur der moderne Schriftzug an der Außenfassade und die vielen gut gekleideten Besucher, die zum Eingang strömen, verraten, dass hier etwas Neues, eine Attraktion entstanden sein muss.
"Es ist natürlich ein gewaltiger Ansturm. Wir haben hier Tage gehabt mit 600 Besuchern und am Eröffnungswochenende, da hatten wir über 4000 Besucher hier im Museum. Das ist natürlich für so ein kleines Dorf eine gewaltige Herausforderung."
Ich musste nicht lange nach dem Museumsdirektor suchen. Mit schnellen und selbstbewussten Schritten bewegt sich Thorsten Sadowsky durch die Ausstellungsräume. Über dem gestreiften weißen Hemd und der blauen Jeans trägt er sein schwarzes Jackett lässig geöffnet. Freundlich, aber bestimmt weist er einen kleinen Jungen darauf hin, nicht zu nah an die wertvollen Gemälde heranzutreten. Aufmerksam hebt er einen Papierzettel auf, den ein Besucher achtlos liegen gelassen hat. Hier, das zeigt er mir, gehört alles an seinen Platz.
Als ich den ersten der drei Ausstellungsräume betrete, begleiten mich die Motive, die mir auf meiner Fahrt ins Dorf begegnet sind, noch immer. In warmen Grün-, Gelb- und Brauntönen scheinen die eng aneinandergehängten Gemälde von der weißen Wand. Sie zeigen die Insel mit ihren saftigen grünen Wiesen, den Tieren und ihren Bewohnern. Und dazwischen immer wieder: der blaue, teils wolkenbedeckte Himmel und das weite Meer. Der Museums-Chef weiß genau, was die Künstler mit ihren Bildern ausdrücken wollten:
"Wir müssen uns ja hier vergegenwärtigen, dass es Maler sind, die vor allem auch für ein städtisches Publikum malen. Und dann natürlich auch einer gewissen Idyllisierung der Region hier Vorschub leisten. Das ist also ein ganz wichtiger Aspekt. Dass es keine Malerei ist, die versucht, sozusagen, die sozialen Härten der Inselexistenz hier entsprechend abzubilden."
Zumindest sei das bei den deutschen Künstlern so gewesen, erzählt mir der 47-Jährige auf unserem Rundgang. Wir bewegen uns in einen weiteren, etwas kleineren Raum. Die Ausstellungsstücke sind geografisch angeordnet. Hier hängen die Werke dänischer Maler. Auch sie hat es damals an die Küste gezogen. Der Direktor bleibt vor einem großen Gemälde stehen. Frauen mit weißen Kopftüchern und dunklen Schürzen stehen am Strand und halten wuchtige Fischernetze in den Händen:
"Man sieht also eine Gruppe von Netzflickerinnen und besonders auffällig sind diese ungeheuer abgearbeiteten Hände, die sehr muskulösen Unterarme, die fast an Männerunterarme erinnern und hier ist also, obwohl die Frauen selber in der lokalen Tracht dargestellt sind, ist von Romantik nichts mehr und insbesondere die harte Arbeit, das Mühsal des täglichen Brotes ist hier also ganz besonders deutlich. Also von daher ein sehr eindrucksvolles Bild, was sich sehr stark den sozialen Gegebenheiten auch annähert."
Und noch etwas zeigen die Arbeiten sehr eindrucksvoll: Die Ängste und Sehnsüchte der Inselbevölkerung, als noch keine modernen Fähren oder Schiffe hinüber aufs Festland fuhren. Damals bedeutete für die Fischer und Walfänger jeder Aufbruch ins offene Meer ein Aufbruch ins Ungewisse:
"Also auch ein ganz wichtiges Motiv, die daheimgebliebene Frau, die auf den Mann, auf den Seefahrer der zurückkehrt, wartet – und häufig genug kehrten die Seefahrer ja auch gar nicht zurück – also dieses Drama ist eben auf dieser Wand auch gegenwärtig."
"Ocke Johannen .. er wurde sehr, sehr alt .. Steht es hier irgendwo? Ich glaube an die 90 Jahre sogar."
Obwohl er eine feine beigefarbene Hose trägt, kniet Harald Nissen vor einem großen sandfarbenen Stein nieder. Hier in Süderende, einem Friesendorf am westlichen Zipfel der Insel, liegen die Föhrer Walfänger begraben. Das Besondere an dem Friedhof sind die "sprechenden Grabsteine". Sie erzählen die Geschichten der Kommandeure, die auf See fuhren. Reliefartig wurden sie in die grauen, braunen und beigen Steine eingemeißelt.
"Schauen Sie mal wie wunderschön das aussieht hier. Ich liebe diesen Stein."
Die Mittagssonne scheint auf das leuchtend rote Hemd des Rentners und lässt sein weißes Haar glänzen. Seine Augen funkeln vor Begeisterung. Wir stehen auf der Wiese des Friedhofgeländes. Um uns herum ragen in unregelmäßigen Abständen hüfthohe flache Steinplatten aus dem Gelände hervor. Die Geschichten seiner Vorfahren erzählt Harald Nissen so, als ob jeder Einzelne sein eigener Großvater gewesen wäre.
"Und hier finden Sie so wunderbar naiv dargestellt wieder das abgetakelte Schiff, festgemacht, Sonne, Mond und dann den mich immer wieder bewegenden Spruch darüber in der Bekrönung: Das ungestüme Meer der Welt gibt angstvolle Stunden. Mein Glaubens aber ewig hält, weil er senkt in Jesu Wunden."
Ich schlendere über die Strandpromenade von Wyk, der größten Stadt der Insel. Mein Blick schweift über das bunte Treiben am Strand. Die farbigen Strandkörbe wirken auf dem weißen Sandstrand wie wild durcheinandergewirbelte Puzzle-Teile. Auf den Molen angeln Kinder mit langen Schnüren und Muschelfleisch nach Krebsen. Ihre Eltern liegen unbekümmert in der Sonne. Eine Szenerie, wie sie sich auch auf einigen Gemälden im Museum finden lässt:
"Man sieht also Damen in städtischer Kleidung, in langen Kleidern, man sieht Kinder mit Lampions die sich vergnügen und (man) sieht am äußeren Bildrand dann eine Friesin, in Tracht, die das ganze touristische Treiben beobachtet."
Was heute von der Insel nicht mehr wegzudenken ist, sei damals noch ein zartes Pflänzchen gewesen, erzählt Sadowsky. Wir stehen vor einem Gemälde von Otto-Heinrich Engel. In der Ausstellung ist er einer der wenigen lokalen Künstler. 1819 wurde Wyk auf Föhr Seebad. Heute ist der Tourismus für die meisten der Insulaner neben der Landwirtschaft eine Existenzgrundlage. Und dennoch sei gerade dieses Bild für den Föhrer Maler die absolute Ausnahme, erzählt mir Thorsten Sadowsky:
"Er war immer daran interessiert, Föhr als einen Ort des Authentischen, des Echten, der nicht-verstädterten Lebensform darzustellen. Also im Grunde eine Verweigerung auch gegenüber der Moderne ( ... )"
Der Künstler als Anti-Tourist ist nur eine Variante des Touristen, lese ich in dem begleitenden Katalog zur Ausstellung. Die Maler kannten das moderne Leben der Stadt. Nur durch diesen Kontrast konnten sie die Insel in ihren Kunstwerken als eine ursprüngliche und authentische Landschaft/Lebenswelt darstellen. In den Motiven der Ausstellung prallen Gegenwelten aufeinander.
"Dieser Spannungsbogen macht auch den Reiz des Museums aus, dass man auch aus dem lokalen in einem immer größeren Horizont hineintritt."
Verträumt blickt Thorsten Sadowsky in den Museumsgarten. Ein ordentlich gemähter Rasen und ein Kiesweg umrahmen die Gastronomie und das Museumsgebäude. Ein paar Blumenbeete, mit Lavendel und rosafarbenen Rosen bepflanzt, und zwei alte Linden lenken ein wenig von dem fast unnatürlich weiß gestrichenen Gasthof ab.
Durch weitere lichtdurchflutete Räume führt uns die Ausstellung dann noch in die Niederlande und nach Norwegen. Eine weite Reise entlang der Westküste, die der Inselbevölkerung gerecht wird, findet der Macher der Galerie:
"Wenn man beispielsweise an die Seefahrtsgeschichte denkt, oder auch an die große Tradition der Föhrer Walfänger. Das heißt also die Insulaner waren immer international. Sie haben in der Regel mehrere Sprachen gesprochen und waren aufgrund ihrer Lebensumstände immer gezwungen, sozusagen in die große weite Welt hinauszufahren."
Aber die heimatverbundenen Inselbewohner, sie sind alle sind wieder zurückgekehrt. Das zeigt ein Grabstein auf dem Föhrer Walfängerfriedhof. Es ist die Ruhestätte eines Kommandeurs, der nach einer langen Seefahrt ums Leben kam:
"Und er hat einen wunderschönen friesischen Spruch drunter geschrieben, es ist die vierte Strophe eines Liedes: Wenn das Leben einmal vorbei gegangen sein sollte, dann sollt ihr mich wieder dorthin fahren, wo meine Eltern ihren Ruheplatz gefunden haben, hin auf meine kleine liebe Insel Föhr.""
Leise plätschern die Wellen an den weiten Nordseestrand. Mittlerweile ist es früher Abend geworden. Ein feuchter Teppich am Strand erinnert daran, dass hier noch vor wenigen Stunden Wellen an den Strand spülten. Bei Ebbe scheint das Meer in unendlicher Ferne. Viele Touristen haben sich vom Strand entfernt. Andere sind als kleine Punkte am Horizont zu erahnen. Sie wandern durch das wunderbar weiche, aber kühle Watt.
"XXX (Grabinschrift auf Friesisch)"