Mansha Friedrich erinnert sich, wie sie Anfang der 80er zum Rappen kam:
"In Berlin gab es den GI-Club Chic. Eine Anlaufstelle für die GIs, die halt hier stationiert waren und vor allen Dingen auch für Liebhaber, der Soul- und Funk-Musik und des ersten aufkommenden Hip-Hops. Freitag sollte es eine Ladies Night geben und es wurde eine DJane gesucht. Ich habe gesagt, ich wär 18. War ich aber noch lange nicht."
Die Teenagerin aus Hannover hatte an den Plattenspielern von ihrem damaligen Freund in West-Berlin sich das DJing quasie selbst beigebracht. Als sie im Club Chic auflegt, wird dann ein Mikro herumgereicht und sie muss sich was ausdenken:
"Ich habe mir dann einfach bei AFN der nächstbesten Rapsong, den es da gab, aufgenommen und hab dann den Text abgeschrieben, Stop, Play, Stop, Play und das war letztendlich ein Song über einen Typen, der über eine schöne Nacht mit einer Frau rappt, und dann seinen Freunden von dieser Nacht erzählt. Das hab ich dann gerappt. Alle haben sie es abgefeiert."
Texte über Umweltverschmutzung und weibliches Selbstverständnis
In den frühen 80ern findet Hip-Hop in Deutschland eher auf einer Amateurbasis statt.
"Wenn man da nicht all die Menschen gehabt hätte, die die Jams ehrenamtlich organisiert hätte, wäre das ja gar nicht möglich gewesen."
Wie fast alle in Deutschland imitiert Manscha Friedrich so ziemlich alles, was aus der Bronx über den großen Teich herüberschwappt. Natürlich auf Englisch. Zusammen mit ihrer Kollegin Pretty P.:
"Unsere Texte waren über Umweltverschmutzung und darüber, dass Frauen auch was wert sind und wir das Recht haben, hier zu stehen."
Dabei ist ihr immer wichtig, sich nicht anzubiedern, nicht zu sagen:
"Ich bin eine total geile Pussy und mache euch fertig. Also auf diesen Gangsta-Rap-Habitus bin ich nicht aufgesprungen."
Die Real Hip-Hop-Gesetze
Ende der 80er, Anfang der 90er-Jahre gewinnt die Gruppe Advanced Chemistry immer mehr an Einfluss und prägt den deutschsprachigen Hip-Hop.
"Also die waren mega locker, total lustig. Sehr wortgewandt auch. Und haben dann noch mal so eine andere Qualität reingebracht."
Die Advanced Chemistry-Mitglieder um Torch und Toni-L gelten bis heute als Pioniere des Deutschen Hip-Hop. Mansha Friedrich fühlt sich nach und nach immer limitierter davon, wie Torch und die anderen die Szene verändern:
"Plötzlich kam da jemand, und der stellte Gesetze auf. Das gab es bis dahin nicht. Vielleicht war ich auch so verblendet, aber es ist meine Perspektive, dass man in all den Jahren davor so sein durfte, wie man halt war. Und dann kommt da ein Torch mit seiner Zulu Nation und verbietet den Leuten, Cola zu trinken oder zu rauchen. Da formierten sich so die ersten Gesetze."
"Ich kann es nicht mehr hören, kann es nicht mehr sehen"
Zuvor kann sie selbstverständlich über Umweltzerstörung und spirituelle Themen rappen. Nun, hat sie den Eindruck, nur ganz bestimmte Frauenbilder gingen noch als "Real Hip-Hop" durch. Sie kritisiert diese männliche Dominanz der Szene in ihren Kolumnen in Hip-Hop Magazinen, aber auch auf der Bühne des Festivals Female Rap Attack 1994:
"Es gibt diesen bekannten Song von Cora E "Könnt ihr mich hören, könnt ihr mich sehen", und ich habe daraus gemacht: 'Ich kann's nicht mehr hören, kann es nicht mehr sehen. All das Gerede von den Leuten, dass nur sie Hip-Hop verstehen' Fünf Strophen Abrechnungs-Text, a cappella. Da hat nur mein DJ ab und zu etwas reingescratcht. Ich wollte einfach sicherstellen, dass das alle hören und verstehen. Bis dahin hatte ich eingesehen, dass ich auf völlig verlorenem Posten stehe, dass ich die einzige bin, die das anscheinend blöd findet, was hier gerade passiert."
"Und ich werde nicht erwähnt"
Mansha Friedrich gibt den Hip-Hop auf. Ohne nennenswerte Veröffentlichungen. Dafür hätte sie sich, davon ist sie überzeugt, zu sehr verbiegen müssen. Das Rappen vermisst sie kaum. Allerdings möchte sie nicht hinnehmen, dass sie in den heute erscheinenden Hip-Hop-Chroniken wie zum Beispiel "35 Jahre Hip-Hop in Deutschland" von Hannes Loh oder dem Film "Blacktape" von Sékou Neblett (Freundeskreis) nicht auftaucht.
"Es geht darum, dass eine Geschichte geschrieben wurde ohne mich. Und das ist nicht okay. Ich hab die großen Jams mit aufgebaut, die wichtigen Pfeiler, wo das größer wurde. Und es gab nur Cora und mich. Ich war mit Pudding aka Pretty P. damals die erste, die in der Schweiz mehrere Auftritte hatte. Und ich werde nicht erwähnt. Das muss geändert werden."
Diversere Rollenbilder für Frauen
Klar, es gibt heute zunehmend mehr und auch diversere Role-Models für Frauen im deutschen Hip-Hop von Haiyti, über Ebow bis hin zu Sookie. Dennoch, für Mansha Friedrich handelt es sich immer noch um eine Männer-Domäne:
"Ich freue mich natürlich, wenn Frauen sich sichtbar machen. Was ich mich dann aber immer frage, müssen Sie dann auch werden wie Männer? Es gibt ja noch mehr Frauenbilder als die, die zurzeit verkörpert werden und dargestellt werden. Was ich mir gewünscht hätte, wäre eigentlich das, was ich damals verkörpert habe. Mit Kleid auf die Bühne, barfuß. Ich war Vorgruppe bei den Roots und habe meine fünfjährige Tochter auf meiner Hüfte. Und ich war trotzdem akzeptiert.
"Ich würde mir wünschen, dass die jungen Mädchen noch mehr, noch diversere Frauen-Bilder durch den Hip-Hop bekommen. Und nicht, dass Frauen eben total tough sein müssen. Dass sie auch verletzlich sein dürfen. Vielleicht ein weiblicher Gegenentwurf zu Farid und Kollegah. Das fehlt mir tatsächlich bis heute."
"Weibliches Material"
Die dreifache Mutter arbeitet mittlerweile als Künstlerin und Kulturvermittlerin in Hannover.
"Ich mach jetzt ganz große Projekte in Italien, Weißrussland und Frankreich. Aber mein Herz hängt daran, mit Menschen mit Einschränkungen zu arbeiten. Das ist eigentlich das, was mich am meisten beflügelt und was mich mich am glücklichsten macht."
Aber auch in der Kunst-Szene wird sie mit ähnlichen Rollenbildern und Vorstellungen konfrontiert, was als Frau cool oder uncool ist:
"Ich habe angefangen mit Wolle Street Art zu machen. Dann hab ich gemerkt, dass ich dafür total abgewertet wurde. Weil Wolle ein Handarbeitsmaterial ist. Damit stricken Frauen zu Hause, Omis. Und außerdem wurde halt das Material als uncool angesehen , weil es aus einer Handarbeits Ecke kommt. Weil es ein "weibliches Material" ist, habe ich acht oder neun Jahre Yarnbombing gemacht. Eigentlich aus dem feministischen Aspekt heraus, dass ich gesagt habe, es ist genauso cool, WEIL es Frauen machen.
"Mir war es schon immer wichtig, dass wir Frauen sichtbar werden. Aber als Frau musst du dich immer mit Männern messen. Und diese männliche Dominanz ist einfach mehr als nur sexistische oder frauenverachtende Sprüche. Der Sexismus zieht sich durch alles."
Wir haben noch länger mit Mansha Friedrich gesprochen -
hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.