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Hirnschrittmacher - unter die Haut gesetzt

Am Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF) wird in diesem Monat der einhundertste Patient mit einem Hirnschrittmacher versorgt. Die Neurochirurgische Klinik im UKBF unter Leitung von Prof. Dr. med. Dr. h.c. Mario Brock gehörte und gehört in Deutschland zu den ersten Zentren, welche die erst 1996 eingeführte Hirnschrittmacher-Operation vor allem bei Patienten mit einer Parkinsonschen Erkrankung, mit unwillkürlichem Zittern (Tremor) und neuerdings auch bei seltenen Krankheiten (wie Dystonie) anwenden.

Judith Grümmer |
    In einer interdisziplinären Sprechstunde für Bewegungsstörungen mit unter anderem Neurochirurgen und spezialisierten Neurologen bietet die Klinik eine umfangreiche Vor- und Nachbetreuung für die Patienten - gerade auch für diejenigen, bei denen die Behandlung mit Medikamenten schwierig ist. Die enge Zusammenarbeit mit den betreuenden Hausärzten ist dabei selbstverständlich.

    Bei Patienten, bei denen eine generelle Dystonie vorliegt, eine den ganzen Körper betreffende Überbewegung, ist die medikamentöse Behandlung wenig aussichtsreich, sodass bei denen eigentlich relativ schnell die Indikation für einen Hirnschrittmacher gestellt wird.

    Dr. Jan Vesper, Neurochirurg am Berliner Benjamin Franklin Hospital ist auch nach über hundert Operationen noch immer fasziniert, wenn er die Dokumentationsvideos von seinen Patienten ansieht: Beispielsweise die Videoaufnahmen von den Händen eines jungen Mannes, die so sehr zittern, dass der Patient ein vor ihm stehendes Glas Wasser nicht greifen kann. Er kann das Glas auch nicht zu seinem Mund führen. Er hat keine Gewalt über seine Hände, über seine Arme, er kann nicht selbständig, trinken , nicht selbständig essen, sich nicht die Zähne putzen. Auch seine Beine verdrehen sich unwillkürlich, sodass er nur mühsam gehen kann. Sein ganzer Körper - alles an ihm zuckt so sehr, dass er bei der Verrichtung der alltäglichsten Dinge auf Hilfe angewiesen ist. Der junge Mann mit den lockigen, schulterlangen Haaren scheint außer Kontrolle geraten zu sein - und das bei vollem Bewusstsein.

    Beim Hirnschrittmacher werden feine Elektroden in tiefe Hirnareale implantiert mit dem Verfahren der Stereotaxi, also dem zielgesteuerten Implantieren einer Elektrode oder Sonde und dort werden die Bahnen, die für Überaktivität verantwortlich sind, gestört in ihrer Übertragung und unterbrochen.

    Ein paar Videobandmeter später: der selbe junge Patient, jetzt zwar ohne seine lockige Haarpracht, die er für die OP fallen lassen musste - der selbe Patient nimmt langsam ein Glas Wasser und führt es zum Mund, ohne es zu verschütten. Er kann gehen, ohne zu straucheln - sogar schreiben, wenn auch mit etwas Mühe.

    Für Patienten, die unter einer sogenannten Dystonie leiden, einer Erkrankung, bei der die Verhältnisse im Spannungsrhythmus von Nerven und Muskeln gestört sind, ist der Hirnschrittmacher ist das Mittel der Wahl. Seit rund vier Jahren werden in Neurochirurgischen Zentren wie beispielsweise dem Benjamin Franklin Hospital in Berlin Hirnschrittmacher eingesetzt, um diese Zuckungen auszuschalten. Das selbe gilt auch für relativ häufige Erkrankungen wie Parkinson, Multiple Sklerose oder die erbliche Form des unwillkürlichen Auftretens von Muskelkontraktionen und Zittern, den Tremor.

    Dr. Jan Vesper, Neurochirurg am Berliner Benjamin Franklin Klinikum:

    Bei dem Symptom des unwillkürlichen Zittern ist die Wahrscheinlichkeit bei über 90% erfolgreich, bei den Beschwerden der Steifigkeit, der Antriebsarmut , dem Zittern der Parkinson Patienten. ist es etwas komplexer, bei denen liegen vielfach noch andere Störungen vor , die nicht beeinflusst werden können, bei denen ist die Erfolgsquote so um die 70 bis 80 Prozent. Wobei man auch klar sagen muß, dass lediglich die Bewegungsstörungen beeinflusst werden können, andere sogenannte vegetative Störungen wie Speichelfluss und Schlafstörungen können nur indirekt wie beispielsweise eine Reduktion der Medikamente nach der OP, beeinflusst werden.

    Bei der Operation wird dann eine Elektrode durch die Schädeldecke ins Gehirn eingeführt.

    Die Operation erfolgt teilweise in örtlicher Betäubung, der Patient schläft überwiegend mit Medikamenten, die ihm der Narkosearzt verabreicht,..., allerdings gibt es Phasen während der Operation, wo der Patient voll wach ist und das sind die Phasen, in denen getestet wird, ob die Elektrode wirklich an dem Punkt ist, an dem die Beschwerden unterbrochen werden, wenn trotz aller ausgefeilter Meßmethoden und trotz Kernspintomografie, Computertomographie, ist das endgültige Kriterium für den Erfolg der Therapie natürlich die Testung während der Operation ob man diese Beschwerden unterdrücken kann.

    Sitzt die Elektrode im Gehirn des Patienten an der richtigen Stelle und beginnen die Ärzte diesen Bereich des Gehirns elektrisch so zu reizen, dass das Zittern schon auf dem OP-Tisch aufhört. Deshalb ist es so wichtig, dass der Patient bei vollem Bewusstsein mitarbeitet. In einer zweiten Operation wird dann der Impulsgeber in der Nähe des Schlüsselbeins unter die Haut implantiert und mit der Elektrode im Gehirn verbunden.

    Info Die Ambulanz für Bewegungsstörungen im UKBF bietet indessen nicht eine Einzelmethode an, sondern ein breites Betreuungsspektrum, u.a.: * ambulante poliklinische neurologische Untersuchung und Beratung * Beratung bei medikamentöser Einstellung * Unterstützung der Behandlung durch Hausärzte soziale Beratung von Patienten und Angehörigen * Vermittlung von Kontakten zu Selbsthilfegruppen * sorgfältige Prüfung, ob eine operative Behandlung angezeigt und erfolgversprechend ist

    Kontakt

    Universitätsklinikum Benjamin Franklin Neurochirurgische Klinik Hindenburgdamm 30 12200 Berlin E-Mail: neurochirurgie@medizin.fu-berlin.de

    Ansprechpartner

    Dr. J. Vesper, Dr. U. Jahnke, Dr. F. Klostermann