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Historiker Parzinger soll neuer Präsident der Preußen-Stiftung werden

16 Museen, darunter die Häuser auf der Welterbestätte Museumsinsel wie Pergamonmuseum und Alte Nationalgalerie, gehören zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz, aber auch die Staatsbibliothek und eine Reihe von Forschungseinrichtungen. Gestern wurde bekannt, dass eine Findungskommission sich auf einen Nachfolger des noch amtierenden Klaus Dieter Lehmann geeinigt habe. Dpa und das Kunstmagazin Monopol wollen aus zuverlässiger Quelle wissen, dass es sich um Hermann Parzinger handelt. Er ist Prähistoriker und leitet das Archäologische Institut von Berlin.

Von Stefan Koldehoff |
    Irgendjemand hat sich nicht ans Schweigegelübde gehalten, das Kulturstaatsminister Bernd Neumann inzwischen bei immer mehr Entscheidungen seinen Beratern und Mitarbeitern abverlangt. Irgendjemand hat den Namen Hermann Parzinger genannt - und damit die Kulturrepublik ins große Rätselraten geschickt, weil ihn kaum jemand einschätzen kann.

    Gerechnet hatten viele mit Martin Roth, der als Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hervorragende Arbeit leistet. Ohne falsche Rücksichtnahmen legt er sich immer wieder auch mit der Politik an, wenn es darum geht, die Unterstützung der Öffentlichen Hand für die öffentliche Aufgabe Kultur einzufordern. Gerade das aber hat dazu geführt, dass der Politiker Bernd Neumann den kritisch-wachen Geist aus Dresden seit einiger Zeit bei wichtigen Anhörungen und Entscheidungen sichtbar außen vor gelassen hat. Mit Kritikern geht der Kulturstaatsminister nach wie vor nicht souverän um. Seine Amtsführung hat der Bremer CDU-Chef von Anfang an wie Helmut Kohl nach allen Seiten vor allem politisch - und nicht immer inhaltlich sinnvoll - abgesichert. Er ist in erster Linie Politiker, und erst in zweiter Anwalt der Kultur.

    Der nun designierte neue Präsident der größten und wohl auch wichtigsten deutschen Kulturstiftung ist bislang keine wirklich öffentliche Figur gewesen. Der Werdegang des Prähistorikers Parzinger war klassisch-akademisch: Nach dem Studium in München, Saarbrücken und Ljubljana die Promotion, dann eine Assistentenstelle in München, Habilitation und schließlich die Berufung zum Gründungsdirektor der Eurasienabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin. Seit 2003 ist er der Präsident dieser schon 1829 gegründeten Einrichtung, die heute als Bundesanstalt dem Auswärtigen Amt untersteht - Parzinger kennt also die politischen Hierarchien in Berlin. Beobachter bescheinigen ihm eine souveräne Amtsführung: Das weit verzweigte Institut sei unter ihm dynamisch geworden und trotzdem ruhig geblieben.

    Parzinger ist Wissenschaftler durch und durch. Seinen ausgezeichneten Ruf in Fachkreisen begründete er unter anderem 2001 mit der Entdeckung eines bis dahin unberührten Fürstengrabes in der russischen Republik Tuwa - mit Tausenden von Goldobjekten. Sie ließen aus dem Kriegervolk der Skythen auch ein Kulturvolk werden. Hermann Parzingers Fachpublikationen füllen mehrere Regalmeter.

    Als Kulturpolitiker hingegen ist der 48-jährige noch kaum in Erscheinung getreten. Das aber wird er müssen, wenn er im März 2008 das Amt des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übernimmt. Sein amtierender Vorgänger, Klaus-Dieter Lehmann, hat sich regelmäßig in kulturpolitische Debatten eingemischt und gewusst, dass seine Stimme dabei gehört wird. Zuletzt geschah das in der erregten Debatte um die Rückgabe von Raubkunst, in der Lehmann sich vehement für die Rechte der NS-Opfer einsetzte, und in der Diskussion um die zunehmende Kommerzialisierung der Bildungseinrichtung Museum - Stichwort "Louvre Abu Dhabi". Mit solchen Themen wird sich auch Hermann Parzinger nun auseinandersetzen müssen. Und mit den Aufgaben, die im eigenen Hause zu erledigen sind: mit der Neugestaltung der Museumsinsel zum Beispiel, dem geplanten Humboldt-Forum hinter der Schlossfassade gegenüber und dem schlechten baulichen Zustand verschiedener anderer der 17 Museen unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

    Vor allem aber wird es darum gehen, diesen Museen eine neue Struktur zu geben und endlich der Gegenwartskunst einen angemessenen Raum zu schaffen. Viel wird dabei vom ebenfalls neu zu findenden Generaldirektor der Berliner Museen abhängen. Ob der nun Martin Roth heißen wird, ist allerdings ebenfalls mehr als fraglich - es entspräche kaum seinem Stil.