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Historikerin: In diesem Museum sollen wir uns besser kennenlernen

Das geplante "Haus der europäischen Geschichte" soll seinen Sitz in Brüssel haben und in vier Themenbereichen die Entstehung Europas nachvollziehen. Einer der Schwerpunkte in dem von Historikern und Museumsexperten erarbeiteten Konzept ist die Entwicklung der EU und ihrer Institutionen. Das Ziel sei das Aufzeigen einer gemeinsamen Identität und gemeinsamer Wurzeln, sagte die ungarische Historikerin Maria Schmidt.

Maria Schmidt im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Es wird errichtet, das Haus der Europäischen Geschichte. Das Präsidium des Europaparlaments hat es einstimmig beschlossen. Wie Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering von der CDU heute in Straßburg mitteilte. Pöttering war es auch, der die Idee für ein solches Haus der europäischen Geschichte vor einem Jahr hatte. Möglicherweise in Brüssel soll das Museum entstehen, auf bis zur 4000 Quadratmetern wird dann europäische Geschichte in Dauer- und Wechselausstellungen präsentiert. Ein politisches Aufsichtsgremium wird es geben sowie einen wissenschaftlichen Beirat und einen Aufbaustab, damit 2014 eröffnet werden kann. Eine Expertenkommission hatte seit Frühjahr 2008 ein inhaltliches Konzept für das Haus der Geschichte erstellt, das vom Präsidium des Europaparlaments jetzt als Arbeitsgrundlage gebilligt wurde. Historiker aus neun Ländern hatten daran gearbeitet, darunter die Leiterin des zeitgenössischen Museums "Haus des Terrors" in Budapest, das sich mit der nationalsozialistischen und sozialistischen Diktatur befasst, die Ungarin Maria Schmidt. Was soll im Kern in diesem "Haus der europäischen Geschichte" deutlich gemacht werden, habe ich Maria Schmidt zuerst gefragt.

    Maria Schmidt: Unser Ziel war zu zeigen, dass wir in Europa eine gemeinsame Identität brauchen, dass wir gemeinsame Wurzeln haben und dass diese Vielfältigkeit, die wir in den verschiedenen Jahrhunderten erlebt haben, doch zu einer gemeinsamen Narrative ausgearbeitet werden kann.

    Schmitz: Und was wollen Sie hervorheben dabei? Was ist das Identitätsstiftende, was Sie vermitteln möchten?

    Schmidt: Die gemeinsamen Werte, die christlichen Werte, die Kultur der Arbeit, die Gerechtigkeit, Prinzipien, die vorhanden waren, das Rechtswesen, das gemeinsam ist, die Idee der Freiheit, dass wir so viel für die Freiheit gekämpft haben, die Nationalstaaten, die in der Vergangenheit so eine positive Rolle gespielt haben, dass wir, obwohl wir sehr oft gegeneinander gekämpft haben, doch immer zu Kompromisslösungen gelangt waren usw.

    Schmitz: Die europäische Geschichte in der von Ihnen skizzierten Bandbreite ist sehr groß. Wollen Sie das alles zeigen oder soll es einen thematischen zeitlichen Schwerpunkt geben?

    Schmidt: Wir hatten viel darüber diskutiert, ob wir chronologisch oder thematisch diese Aufgabe auffassen. Ich glaube, dadurch dass wir das Museum dann mithilfe der neuen Internetmöglichkeiten haben, doch sozusagen unbegrenzt Platz haben. Ich glaube, dass die wichtigste Aufgabe ist jetzt, dass wir europaweit darüber zu diskutieren beginnen, was wir gerne über uns erzählen wollen in diesem Museum, was wir gerne zeigen wollen, wie wir uns vor unserer Kinder, Enkelkinder zeigen wollen, was sie von uns für die außereuropäischen Besucher zeigen wollen. Ich glaube, dass wir in diesem Museum die Gelegenheit bekommen müssen, uns besser kennenzulernen.

    Schmitz: Es geht um Identität, im Kern haben Sie gesagt. Besteht dann nicht die Gefahr einer teleologischen Deutung der europäischen Geschichte, so als würde alles zwangsläufig seit Anbeginn auf eine Union hinauslaufen?

    Schmidt: Die Frage ist berechtigt. Aber wenn Sie das in einem breiteren Rahmen nehmen, dann war die Geschichte von Europa oft so, dass wir gemeinsam waren und getrennt waren, dann wieder eine Einigungswelle, dann wieder Trennungswelle.

    Schmitz: Frau Schmidt, dennoch hat es schon vorab Kritik, heftige Kritik am Konzept der Expertenkommission, der Sie ja angehörten, gegeben. Sie kamen von polnischer Seite, von polnischen Historikern. Zwei Hauptkritikpunkte, der polnische Widerstand gegen den Nationalsozialismus und den Bolschewismus werde zu wenig berücksichtigt, aber erst durch diesen Widerstand der Polen sei der Vormarsch des Kommunismus und dessen Überwindung möglich gewesen. Was sagen Sie dazu?

    Schmidt: Das ist unmöglich, dass wir detailliert zu allen Fragen Stellung nehmen könnten. Ich glaube, es ist eine Grundlage. Und wenn die Polen glauben, dass diese Aspekte wesentlich mehr betonen wollen, dann müssen sie das vertreten, dann in der endgültigen Fassung.

    Schmitz: Der zweite Punkt der Kritik, besagt, dass die christlichen Grundlagen Europas nicht angemessen berücksichtigt würden und die säkulare Moderne werde einseitig betont.

    Schmidt: Ich kann nur das wiederholen, was ich jetzt gesagt habe. Das sind alles sehr wichtige Aspekte. Um eine endgültige Fassung fertigzustellen, müssen wir noch mehr verschiedene Meinungen und Gesichtspunkte berücksichtigen und mehr daran arbeiten. Das ist nur die erste Fassung.

    Schmitz: Maria Schmidt, Leiterin des Geschichtsmuseums "Haus des Terrors" in Budapest über das vom EU-Parlament beschlossene "Haus der europäischen Geschichte".