Heute stellen wir Ihnen die erste CD des jungen, in Frankreich beheimateten Ensembles "Qualia" vor, das sein Programm mit dem Titel "mundus et musica", Instrumentalmusik aus Spanien und Flandern um 1500 gewidmet hat. Erschienen ist es beim deutschen Label Carpe Diem Records. Im Studio begrüßt Sie dazu Christiane Lehnigk.
"Antoine Brumel
Tandernac 2'58
Qualia
CD <01>"
Tandernac heißt dieser zweistimmige Satz von Antoine Brumel, mit dem das Ensemble Qualia, hier in Trio-Besetzung, sein Programm mit Musik um 1500 eröffnet. In der fünfstimmigen Fassung von Ludwig Senfl, war Tandernac einer der größten Hits des 16. Jahrhunderts. Qualia, das sich hier zusammensetzt aus seinem Leiter Lambert Colson – Blockflöte und Zink, Anna Danilevskaia – Fidel sowie Christophe Deslignes – Organetto, hat sich für seine erste Einspielung ein sehr spezielles Repertoire aus dem Spätmittelalter und der Renaissance ausgesucht, ein rein polyphon-instrumentales Programm, in dessen Mittelpunkt der sogenannte Segovia-Codex steht, "eines der eigentümlichsten und faszinierendsten Zeugnisse der Musik des 15. Jahrhunderts” so Lambert Colson. Anders als sonst in dieser Zeit üblich, ist dieser Codex keine Sammlung mit bekannten Stücken, – in diesem Manuskript findet sich eine Vielzahl an Werken, die sonst nirgendwo anders überliefert sind. Der Schreiber dieser spanischen Ausgabe muss auch des Holländischen mächtig gewesen sein und er war gut informiert über die Musiker, deren Werke er hier kopiert hat. Denn nicht alle waren so bekannt, wie zum Beispiel Hayne van Ghizehem, der berühmt war für seine Gassenhauer wie "Alez, regretz".
Der Segovia-Codex ist darüber hinaus eine wichtige Quelle für die Musik von Jakob Obrecht, der als der bedeutendste Komponist der Frührenaissance neben Josquin Desprez gilt und unter anderem in Cambrai, Brügge, Antwerpen und Ferrara wirkte. Fast sämtliche Sätze seiner flämischen Volkslieder sind hier in einzigartiger Weise überliefert, was auch zeigt, dass eine enge Verbindung bestand zwischen der Musikwelt Spaniens und der Flanderns. Möglicherweise spiegelt dieser Codex die dynastische Verbindung der beiden Familien von Aragon und von Burgund wieder, ihren kulturellen Austausch zwischen den Regionen und den Höfen der jeweiligen Herrscher. Ein Markenzeichen dieser Höfe war ein hochgebildetes und anspruchsvolles Mäzenatentum und es weist vieles auf das Umfeld der katholischen Könige hin.
" Magister Gulielmus
La Spagna/Falla con misuras (Ausschnitt) 2'10
- Johannes Ockeghem/Johannes Tinctoris
D"ung altre amer 2'14
Qualia
CD <11,5>"
Von Johannes Ockeghem stammte ursprünglich dieses Lied "D'ung altre amer", das Johannes Tinctoris bearbeitete und ihm eine neue Stimme hinzufügte. Es war eine Gepflogenheit der damaligen Zeit, die bekanntesten und beliebtesten Lied-Melodien zu adaptieren. Tinctoris gilt als einer der gebildetsten Theoretiker seiner Zeit, war aber wohl auch kein unbegabter Komponist. Von seinen Stücken gibt es im Segovia-Codex eine ganze Reihe, was vielleicht mit seinen Tätigkeiten in Neapel zu tun gehabt haben mag, was ja zu der Zeit eine enge Bindung zu Spanien hatte. Sein um 1476 geschriebenes Traktat "De natura et proprietate tonorum" ist wiederum Ockeghem und Antoine Busnoys als den "führenden Komponisten" seiner Zeit gewidmet. Es ist bemerkenswert, dass in diesem Codex solch ein Kontrast zwischen den Werken international anerkannter Komponisten, und den mit den lokalen Höfen in Verbindung stehenden Komponisten bestand, die deren Stücke als Vorlage verwendeten, – ein ganz neues Forschungsprojekt für die Musikwissenschaft. Als das anspruchsvollste Stück dieser ersten CD-Produktion von "Qualia" wird "Cecus non judicat de coloribus" von Agricola benannt. Der enigmatische Titel: "Der Blinde unterscheidet keine Farben" mag auf zwei blinde Fidelspieler hinweisen, Genaues weiß man darüber nicht. Charakteristisch sind in diesem Stück jedenfalls die Ostinato-Rhythmen, Sequenzen und virtuosen Exaltiertheiten.
"Alexander Agricola
Cecus non judicat de coloribus 5'02
Qualia
CD <16>"
Das Ensemble Qualia hat sich für seine erste CD-Produktion polyphone Musik um 1500 ausgesucht, die sie ausschließlich instrumental arrangiert hat. Diese sehr kurze Epoche zeichnet die Zeit auf, in der sich die europäische Musikkultur zu wandeln begann und von der pythagoreischen zur mitteltönigen Stimmung wechselte. Es sind komplexe und anspruchsvolle Werke aus einer heute mitunter fremdartig klingenden Welt, die jedoch die Wurzeln und, wie Qualia es bezeichnet, "Urgründe" der späteren europäischen Musikgeschichte bildeten. Die Erfahrung, die die Musiker in ihrer Ausbildungszeit an der Basler Schola Cantorum sowie in einer ganzen Reihe von klein und groß besetzten internationalen Alte-Musik-Ensembles gemacht haben, fließt auch in eine solche Aufnahme mit ein. Bei den vielen kleinen Stücken muss die Gestaltung des Programmes sehr abwechselungsreich und farbig sein, was den drei Musikern denn auch gut gelungen ist und vom natürlichen Sound unterstützt wird. Qualia hat es sich zum Ziel gemacht, alte musikalische, literarische und bildliche Quellen zu beleben. Es soll dabei aber keine dokumentarische Arbeit betrieben werden, sondern eine direkte Aussage erkennbar sein. "In dem jeder Beobachter subjektiv erlebt, wird seine Beobachtung zu einer realen Kreation". So lautet zumindest der Wunsch der drei Musiker. Und in der Tat muss man sich ein bisschen einhören in diese zwar nicht unbedingt komplizierte aber doch artifizielle Musik und die ganz verschiedenen Klangmischungen, die in dieser Zusammensetzung der Instrumente entstehen. Doch ist es allemal empfehlenswert, in diese Klangwelt einzutauchen, die einmal vor mehr als 500 Jahren der Grundstock der europäischen Musikgeschichte war. Hier zum Abschluss noch der Canon "Undecim apostoli secuti sunt Petrum”, ein vierstimmiger Satz aus dem Barcelona Manuskript, in dem aus einer einzelnen Stimme elf weitere abgeleitet werden, wie die 11 Apostel, die Petrus, dem "Prinz der Apostel” folgen.
"Anon.
Canon: Undecim apostoli secuti sunt Petrum 1'30
Qualia
CD <10>"
Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute die erste CD des Ensembles Qualia vor, die unter dem Titel "Mundus et musica” bei Carpe diem Records erschien.
Im Studio verabschiedet sich, mit Dank fürs Zuhören, Christiane Lehnigk.
Hinweis:
Qualia: "mundus et musica" - Instrumental music in Spain and Flanders ca.1500, Carpe diem, LC-01320 CD-16294
"Antoine Brumel
Tandernac 2'58
Qualia
CD <01>"
Tandernac heißt dieser zweistimmige Satz von Antoine Brumel, mit dem das Ensemble Qualia, hier in Trio-Besetzung, sein Programm mit Musik um 1500 eröffnet. In der fünfstimmigen Fassung von Ludwig Senfl, war Tandernac einer der größten Hits des 16. Jahrhunderts. Qualia, das sich hier zusammensetzt aus seinem Leiter Lambert Colson – Blockflöte und Zink, Anna Danilevskaia – Fidel sowie Christophe Deslignes – Organetto, hat sich für seine erste Einspielung ein sehr spezielles Repertoire aus dem Spätmittelalter und der Renaissance ausgesucht, ein rein polyphon-instrumentales Programm, in dessen Mittelpunkt der sogenannte Segovia-Codex steht, "eines der eigentümlichsten und faszinierendsten Zeugnisse der Musik des 15. Jahrhunderts” so Lambert Colson. Anders als sonst in dieser Zeit üblich, ist dieser Codex keine Sammlung mit bekannten Stücken, – in diesem Manuskript findet sich eine Vielzahl an Werken, die sonst nirgendwo anders überliefert sind. Der Schreiber dieser spanischen Ausgabe muss auch des Holländischen mächtig gewesen sein und er war gut informiert über die Musiker, deren Werke er hier kopiert hat. Denn nicht alle waren so bekannt, wie zum Beispiel Hayne van Ghizehem, der berühmt war für seine Gassenhauer wie "Alez, regretz".
Der Segovia-Codex ist darüber hinaus eine wichtige Quelle für die Musik von Jakob Obrecht, der als der bedeutendste Komponist der Frührenaissance neben Josquin Desprez gilt und unter anderem in Cambrai, Brügge, Antwerpen und Ferrara wirkte. Fast sämtliche Sätze seiner flämischen Volkslieder sind hier in einzigartiger Weise überliefert, was auch zeigt, dass eine enge Verbindung bestand zwischen der Musikwelt Spaniens und der Flanderns. Möglicherweise spiegelt dieser Codex die dynastische Verbindung der beiden Familien von Aragon und von Burgund wieder, ihren kulturellen Austausch zwischen den Regionen und den Höfen der jeweiligen Herrscher. Ein Markenzeichen dieser Höfe war ein hochgebildetes und anspruchsvolles Mäzenatentum und es weist vieles auf das Umfeld der katholischen Könige hin.
" Magister Gulielmus
La Spagna/Falla con misuras (Ausschnitt) 2'10
- Johannes Ockeghem/Johannes Tinctoris
D"ung altre amer 2'14
Qualia
CD <11,5>"
Von Johannes Ockeghem stammte ursprünglich dieses Lied "D'ung altre amer", das Johannes Tinctoris bearbeitete und ihm eine neue Stimme hinzufügte. Es war eine Gepflogenheit der damaligen Zeit, die bekanntesten und beliebtesten Lied-Melodien zu adaptieren. Tinctoris gilt als einer der gebildetsten Theoretiker seiner Zeit, war aber wohl auch kein unbegabter Komponist. Von seinen Stücken gibt es im Segovia-Codex eine ganze Reihe, was vielleicht mit seinen Tätigkeiten in Neapel zu tun gehabt haben mag, was ja zu der Zeit eine enge Bindung zu Spanien hatte. Sein um 1476 geschriebenes Traktat "De natura et proprietate tonorum" ist wiederum Ockeghem und Antoine Busnoys als den "führenden Komponisten" seiner Zeit gewidmet. Es ist bemerkenswert, dass in diesem Codex solch ein Kontrast zwischen den Werken international anerkannter Komponisten, und den mit den lokalen Höfen in Verbindung stehenden Komponisten bestand, die deren Stücke als Vorlage verwendeten, – ein ganz neues Forschungsprojekt für die Musikwissenschaft. Als das anspruchsvollste Stück dieser ersten CD-Produktion von "Qualia" wird "Cecus non judicat de coloribus" von Agricola benannt. Der enigmatische Titel: "Der Blinde unterscheidet keine Farben" mag auf zwei blinde Fidelspieler hinweisen, Genaues weiß man darüber nicht. Charakteristisch sind in diesem Stück jedenfalls die Ostinato-Rhythmen, Sequenzen und virtuosen Exaltiertheiten.
"Alexander Agricola
Cecus non judicat de coloribus 5'02
Qualia
CD <16>"
Das Ensemble Qualia hat sich für seine erste CD-Produktion polyphone Musik um 1500 ausgesucht, die sie ausschließlich instrumental arrangiert hat. Diese sehr kurze Epoche zeichnet die Zeit auf, in der sich die europäische Musikkultur zu wandeln begann und von der pythagoreischen zur mitteltönigen Stimmung wechselte. Es sind komplexe und anspruchsvolle Werke aus einer heute mitunter fremdartig klingenden Welt, die jedoch die Wurzeln und, wie Qualia es bezeichnet, "Urgründe" der späteren europäischen Musikgeschichte bildeten. Die Erfahrung, die die Musiker in ihrer Ausbildungszeit an der Basler Schola Cantorum sowie in einer ganzen Reihe von klein und groß besetzten internationalen Alte-Musik-Ensembles gemacht haben, fließt auch in eine solche Aufnahme mit ein. Bei den vielen kleinen Stücken muss die Gestaltung des Programmes sehr abwechselungsreich und farbig sein, was den drei Musikern denn auch gut gelungen ist und vom natürlichen Sound unterstützt wird. Qualia hat es sich zum Ziel gemacht, alte musikalische, literarische und bildliche Quellen zu beleben. Es soll dabei aber keine dokumentarische Arbeit betrieben werden, sondern eine direkte Aussage erkennbar sein. "In dem jeder Beobachter subjektiv erlebt, wird seine Beobachtung zu einer realen Kreation". So lautet zumindest der Wunsch der drei Musiker. Und in der Tat muss man sich ein bisschen einhören in diese zwar nicht unbedingt komplizierte aber doch artifizielle Musik und die ganz verschiedenen Klangmischungen, die in dieser Zusammensetzung der Instrumente entstehen. Doch ist es allemal empfehlenswert, in diese Klangwelt einzutauchen, die einmal vor mehr als 500 Jahren der Grundstock der europäischen Musikgeschichte war. Hier zum Abschluss noch der Canon "Undecim apostoli secuti sunt Petrum”, ein vierstimmiger Satz aus dem Barcelona Manuskript, in dem aus einer einzelnen Stimme elf weitere abgeleitet werden, wie die 11 Apostel, die Petrus, dem "Prinz der Apostel” folgen.
"Anon.
Canon: Undecim apostoli secuti sunt Petrum 1'30
Qualia
CD <10>"
Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute die erste CD des Ensembles Qualia vor, die unter dem Titel "Mundus et musica” bei Carpe diem Records erschien.
Im Studio verabschiedet sich, mit Dank fürs Zuhören, Christiane Lehnigk.
Hinweis:
Qualia: "mundus et musica" - Instrumental music in Spain and Flanders ca.1500, Carpe diem, LC-01320 CD-16294