Unablässig laufen die Halbliterflaschen auf dem Fließband in die Abfüllanlage. Die Moskauer Fabrik "Kristall" ist der größte Wodkaproduzent in Russland. Auf dem Fabrikgelände zeigt ein Museum die Geschichte des "Wässerchens" - und der Prohibition. Die Fremdenführerin, Natascha Korschunowa, zeigt auf Karrikaturen.
"Es gibt einen Witz, vielleicht hilft der, die Reaktion der Leute auf Gorbatschows Anti-Alkohol-Kampagne Mitte der 80er Jahre zu verstehen: Ein Mann steht in einer Schlange nach Wodka an. Mit tausend Leuten. Schließlich sagt er: Jetzt reicht's. Ich gehe jetzt und bringe Gorbatschow um. Er geht in den Kreml, kommt aber schon bald zurück. Die andern fragen: Was ist passiert? - Die Schlange dort war noch länger."
Zu den wenigen, die Gorbatschows Anti-Alkohol-Kampagne bis heute gut finden, gehört Jevgenia Koschkina, die Direktorin des Nationalen Zentrums für Suchtforschung in Moskau:
"Das Gesetz gegen den Alkoholismus hatte viele positive Effekte. Gut, es wurden Weingärten abgeholzt, Fabriken geschlossen und massenweise Schnaps selbst gebrannt. Aber damals stieg die Lebenserwartung der Männer um mehr als ein Jahr! Seit Gorbatschov haben alle Angst, sich überhaupt mit dem Thema Alkohol politisch auseinanderzusetzen."
Doch das wäre nötig. Koschkina blättert in einem Stapel mit Statistiken:
"Wir gehen davon aus, dass im Schnitt 50 Prozent aller Krankheiten in Russland durch Alkoholmissbrauch hervorgerufen werden. Das betrifft vor allem Männer im arbeitsfähigen Alter. In Russland gibt es etwa eine Million obdachlose Kinder. Umfragen haben ergeben, dass die Hälfte von ihnen das Weite gesucht hat, weil die Eltern trinken. Und dann die Kriminalität: 40 bis 50 Prozent der Verbrechen in Russland werden unter Alkoholeinfluss begangen."
Alkohol, so mahnen Experten, ist zu einer Gefahr für die nationale Sicherheit geworden. Nach offiziellen Angaben sterben in Russland jedes Jahr etwa 40.000 Menschen an Alkoholvergiftungen. Diese Zahl ist seit langem relativ konstant. Doch im letzten Herbst waren die russischen Medien auf einmal voll von Berichten über Vergiftungsfälle, von einer "Epidemie" war sogar die Rede. Diese Medienkampagne hatte, so Beobachter, vor allem ein Ziel: Die Bevölkerung einzustimmen auf ein staatliches Alkoholmonopol. Denn wenn nur der Staat Alkohol produzieren und verkaufen könne, hätten Panscher keine Chance mehr. Seit Monaten denken russische Politiker öffentlich über ein Staatsmonopol nach. Auch Präsident Putin. Auf die Frage eines Journalisten nach entsprechenden Plänen antwortete er Anfang Februar:
"Es geht nicht um ein Monopol, sondern um gepanschten Alkohol. Und da wollen einige Leute alkoholhaltige Flüssigkeiten derselben Alkoholsteuer unterwerfen wie alkoholische Getränke; andere warnen davor, dass das zu Preissteigerungen bei anderen Waren führt. Da müssen wir nachdenken, was wichtiger für uns ist: Versorgungsmittel oder die Gesundheit der Nation."
Nicht gerade klare Worte des Präsidenten. Jevgenija Koschkina vom Zentrum für Suchtforschung findet die ausweichende Antwort Putins typisch.
"Wer wird sich schon klar zum Alkoholmonopol äußern. Und die einen oder anderen gegen sich aufbringen. Ein großer Teil des Staatshaushalts wird aus Alkoholsteuern bestritten - das ist entscheidend für die Politik. Wir treffen uns manchmal mit den Alkoholproduzenten, und da spüren wir, wie mächtig ihre Lobby ist. Sie sind reicher als wir."
Koschkina glaubt deshalb nicht, dass es zu einem Staatsmonopol kommen wird, zumindest nicht so bald. Es gäbe ja nicht mal eine konsequente Alkoholprävention.
"Alkohol begleitet den Menschen in Russland von der Geburt bis zum Tod. Hochzeiten, Kindsgeburten, diese Feste sind fest verbunden mit Alkohol. Gar nicht zu reden von staatlichen Feiertagen: Da ist es traditionell üblich zu trinken, und zwar unbedingt viel und Hochprozentiges. Diese Traditionen sind so fest in der Bevölkerung verankert, dass es schwierig ist, dagegen anzugehen."
"Es gibt einen Witz, vielleicht hilft der, die Reaktion der Leute auf Gorbatschows Anti-Alkohol-Kampagne Mitte der 80er Jahre zu verstehen: Ein Mann steht in einer Schlange nach Wodka an. Mit tausend Leuten. Schließlich sagt er: Jetzt reicht's. Ich gehe jetzt und bringe Gorbatschow um. Er geht in den Kreml, kommt aber schon bald zurück. Die andern fragen: Was ist passiert? - Die Schlange dort war noch länger."
Zu den wenigen, die Gorbatschows Anti-Alkohol-Kampagne bis heute gut finden, gehört Jevgenia Koschkina, die Direktorin des Nationalen Zentrums für Suchtforschung in Moskau:
"Das Gesetz gegen den Alkoholismus hatte viele positive Effekte. Gut, es wurden Weingärten abgeholzt, Fabriken geschlossen und massenweise Schnaps selbst gebrannt. Aber damals stieg die Lebenserwartung der Männer um mehr als ein Jahr! Seit Gorbatschov haben alle Angst, sich überhaupt mit dem Thema Alkohol politisch auseinanderzusetzen."
Doch das wäre nötig. Koschkina blättert in einem Stapel mit Statistiken:
"Wir gehen davon aus, dass im Schnitt 50 Prozent aller Krankheiten in Russland durch Alkoholmissbrauch hervorgerufen werden. Das betrifft vor allem Männer im arbeitsfähigen Alter. In Russland gibt es etwa eine Million obdachlose Kinder. Umfragen haben ergeben, dass die Hälfte von ihnen das Weite gesucht hat, weil die Eltern trinken. Und dann die Kriminalität: 40 bis 50 Prozent der Verbrechen in Russland werden unter Alkoholeinfluss begangen."
Alkohol, so mahnen Experten, ist zu einer Gefahr für die nationale Sicherheit geworden. Nach offiziellen Angaben sterben in Russland jedes Jahr etwa 40.000 Menschen an Alkoholvergiftungen. Diese Zahl ist seit langem relativ konstant. Doch im letzten Herbst waren die russischen Medien auf einmal voll von Berichten über Vergiftungsfälle, von einer "Epidemie" war sogar die Rede. Diese Medienkampagne hatte, so Beobachter, vor allem ein Ziel: Die Bevölkerung einzustimmen auf ein staatliches Alkoholmonopol. Denn wenn nur der Staat Alkohol produzieren und verkaufen könne, hätten Panscher keine Chance mehr. Seit Monaten denken russische Politiker öffentlich über ein Staatsmonopol nach. Auch Präsident Putin. Auf die Frage eines Journalisten nach entsprechenden Plänen antwortete er Anfang Februar:
"Es geht nicht um ein Monopol, sondern um gepanschten Alkohol. Und da wollen einige Leute alkoholhaltige Flüssigkeiten derselben Alkoholsteuer unterwerfen wie alkoholische Getränke; andere warnen davor, dass das zu Preissteigerungen bei anderen Waren führt. Da müssen wir nachdenken, was wichtiger für uns ist: Versorgungsmittel oder die Gesundheit der Nation."
Nicht gerade klare Worte des Präsidenten. Jevgenija Koschkina vom Zentrum für Suchtforschung findet die ausweichende Antwort Putins typisch.
"Wer wird sich schon klar zum Alkoholmonopol äußern. Und die einen oder anderen gegen sich aufbringen. Ein großer Teil des Staatshaushalts wird aus Alkoholsteuern bestritten - das ist entscheidend für die Politik. Wir treffen uns manchmal mit den Alkoholproduzenten, und da spüren wir, wie mächtig ihre Lobby ist. Sie sind reicher als wir."
Koschkina glaubt deshalb nicht, dass es zu einem Staatsmonopol kommen wird, zumindest nicht so bald. Es gäbe ja nicht mal eine konsequente Alkoholprävention.
"Alkohol begleitet den Menschen in Russland von der Geburt bis zum Tod. Hochzeiten, Kindsgeburten, diese Feste sind fest verbunden mit Alkohol. Gar nicht zu reden von staatlichen Feiertagen: Da ist es traditionell üblich zu trinken, und zwar unbedingt viel und Hochprozentiges. Diese Traditionen sind so fest in der Bevölkerung verankert, dass es schwierig ist, dagegen anzugehen."